Halston (2021)
Biopic | USA 2021 | 225 (5 Folgen) Minuten
Regie: Daniel Minahan
Filmdaten
- Originaltitel
- HALSTON
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2021
- Produktionsfirma
- Killer Films/Legendary Television/Ryan Murphy Prod.
- Regie
- Daniel Minahan
- Buch
- Sharr White · Ian Brennan · Ryan Murphy · Ted Malawer · Tim Pinckney
- Kamera
- Tim Ives · William Rexer
- Schnitt
- Shelly Westerman · Shelby Siegel
- Darsteller
- Ewan McGregor (Halston) · Rory Culkin (Joel Schumacher) · Sullivan Jones (Ed Austin) · Mary Beth Peil (Marta Cunningham) · Gian Franco Rodriguez (Victor Hugo)
- Länge
- 225 (5 Folgen) Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Biopic | Drama | Künstlerporträt | Serie
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Eine Serie über den amerikanischen Modedesigner Roy Halston Frowick (1932-1990), der unter dem Namen Halston zu einem der prägenden Designer der Disco-Ära wurde.
Mit Serien wie „Pose“, „Ratched“ und „Hollywood“ hat Showrunner Ryan Murphy Netflix in den letzten Jahren immer wieder spannende Serien geliefert; und auch sein neuestes Prestigeprojekt, das dem US-amerikanischen Modedesigner Roy Halston Frowick gewidmet ist, zeugt von seiner Souveränität: Die Serie ist nicht nur ein gelungenes Biopic, sondern auch eine beispielhafte Story um Kreativität, Kunst und Kommerzialisierung, erzählt in dramaturgisch geschicktem Spannungsbogen; sie ist die weitgehend stimmige Evokation einer vergangenen Epoche, mit einem bunten, sexy Lifestyle. Und sie bietet engagierte Darstellerleistungen ohne ablenkende Überdrehtheiten – und nicht zuletzt ein glaubwürdig geschildertes Ende, das keine erpresste Versöhnung anzudienen versucht.
Frowick (Ewan McGregor), Jahrgang 1932, der früh seinen mittleren Namen als ausschließlichen Künstler- und Markennamen verwendete, stammte aus der bürgerlichen Mittelklasse von Iowa; seine Kindheit, das wird in wenigen kurzen Erinnerungsszenen deutlich, war wohl nicht die glücklichste. Eine enge emotionale Beziehung verbindet ihn jedoch mit seiner Mutter, für die er bereits in jungen Jahren kleine Näh- und Änderungsarbeiten ausführte. Nach kurzer formaler Ausbildung durchläuft er Stationen in Boutiquen und der typischen US-Kaufhauskettenkultur.
Durchbruch mit einem ikonischen Hut
Alle Welt trug Hüte damals, in den 1950er- und frühen 1960er-Jahren, und so spezialisierte sich Halston auf Damenhüte in ungewohnten Farben und Formen. Als Jackie Kennedy 1961 zur Inauguration ihres Gatten Halstons schlicht-elegante Pillbox-Kreation zur Schau stellte, kam der künstlerische Durchbruch. Halston geht Partnerschaften fürs Leben ein, professionelle wie private. Seitdem weiß er seinen treuen Manager, Illustrator und Kreativdirektor Joe Eula (David Pittu) an seiner Seite, und ebenso verbindet ihn eine fatale On-and-off-Beziehung mit dem Visagisten und Schaufensterdekorateur Victor Hugo (Gian Franco Rodriguez). Das Multitalent und Model Elsa Peretti (Rebecca Dayan) wird seine kritische Muse.
Schnell entwächst jedoch Halston als Mensch und Marke den ästhetischen Beschränkungen des Massengeschmacks und entdeckt die Mode als Medium der Emanzipation – seiner eigenen künstlerischen Ambitionen, vor allem aber der modernen Frauen, für die er anfangs ausschließlich designt. Halston wird zur allseits gefragten Figur der New Yorker Upper Class, zum Stammgast im legendären „Studio 54“, Liza Minnelli (Krysta Rodriguez) seine beste Freundin und Vertraute. Das dialektische Spiel der Mode, die unbewusste Wünsche wecken und erfüllen kann, aber immer wieder auch subversiv unterläuft, beherrscht er virtuos. Seine Homosexualität lebt er offen und frei; sich und seinem Intimen schafft er in Ateliers, Apartments und einem luxuriösen Landhaus durchgestylte Ambientes, die die Illusion des Beständigen, Perfekten bieten sollen, während um ihn herum der chaotische Wechsel und Wandel der Modeszene herrscht. Kompliment an die Ausstattung; die Räume und Farben atmen authentischen Geist der 1970er- und 1980er-Jahre.
Der Stoff, aus dem der neue amerikanische Traum gewebt ist
Für Halston scheint es zunächst keine Limits zu geben: Seine Mode trifft den Nerv und Geschmack der Zeit perfekt, seine Kombinationen von engen Hosen und weiten Kaftanen werden von seinen Kundinnen als ultimative modische Befreiungstat gefeiert. Das von ihm populär gemachte Material Ultrasuede (eine Art Kunstwildleder, bezeichnenderweise!) wird zum „American fabric“, zum Stoff, aus dem der neue amerikanische Traum gewebt wird.
Einen dramaturgischen wie auch darstellerischen Höhepunkt erreicht die Serie in ihrer dritten Episode: Wegen seines immensen Erfolges wird Halston von seinen Finanziers mit sanftem Druck dazu gebracht, auch einen eigenen Duft zu kreieren (die Gewinnmargen dabei sind astronomisch!), und mit einer professionellen Parfümeurin (Vera Farmiga) zusammengebracht. In dem widerstrebenden Sich-Einlassen auf fremde Anregungen und eigene verschüttete Kindheitserinnerungen, die durch die stimulierten Sinne entbunden werden, gewinnt Ewan McGregors Spiel – sehr gut durchweg – nochmals besonderes Profil. Den langwierigen, auch schmerzhaften Prozess der künstlerischen Kreation, abgerungen den eigenen Dämonen, veranschaulicht er hier auf geradezu romantische Weise, irgendwo zwischen „Mozart auf der Reise nach Prag“ und „Doktor Faustus“. Dabei erinnert sein Habitus sehr an Helmut Berger in mittleren Jahren, was ja per se nichts Nachteiliges sein muss.…
Tiefer Fall in den turbokapitalistischen 1980ern
Von da an indes wird der Designer mehr und mehr zum Opfer des eigenen schlechten Timings: Er überreizt sein Blatt in den ökonomischen Verhandlungen mit Investor David Mahoney (gut und glaubwürdig: Bill Pullman), der ihm lange Zeit ein fairer Berater war, und – schlimmer noch – er erkennt die Zeichen der Zeit nicht mehr so traumwandlerisch sicher wie ehedem: Spätestens als er für einen Haufen Geld zu seinen Anfängen im Kaufhaus zurückkehrt und massenhaft für J.C. Penney entwirft, ist seine Reputation schwer ramponiert. Dass Mode auch ein knallhartes Business und finanzielles Investment ist, lernt er zu spät – und auf denkbar desillusionierende Weise.
Auf den Nexus von Kunst und Kommerzialisierung in den USA der turbokapitalistischen 1980er-Jahre verstand sich etwa seine hier im Dunkeln bleibende Clubbekanntschaft Andy Warhol deutlich besser. Rechnet man hierzu noch die Unmengen an Koks, die er konsumiert, („a week’s worth in a day“) und die zermürbenden Auseinandersetzungen in zunehmend feindseligen Beziehungen, so ist sein künstlerischer und menschlicher Zusammenbruch in den späten 1980er-Jahren nicht mehr verwunderlich. Klar und deutlich, doch unsentimental zeigt die Serie auch die Verheerungen, die Aids in dieser Zeit überall, aber vielleicht besonders in den kreativen Milieus anrichtete; die menschlichen Tragödien und der Verlust an kreativem Potenzial sind erschütternd.
„Halston“ gelingt es bestens, die bis dato hierzulande weniger bekannte Künstlerfigur zum Leben zu erwecken, im besten Sinne anschaulich und auch dramaturgisch stimmig. Aus dem alten Erfolgsrezept filmischer Künstlerbiografien – steiler Aufstieg im Sturm zu fabelhaften Höhen, jäher Absturz des Helden – versteht Ryan Murphy neue Funken zu schlagen. Nur liebt das Leben manchmal den melancholischen Schlussakkord in Moll: Das uramerikanische Comeback blieb Roy Halston Frowick leider verwehrt.