Loki
Fantasy | USA 2021 | Minuten
Regie: Kate Herron
Filmdaten
- Originaltitel
- LOKI
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2021
- Produktionsfirma
- Marvel Studios
- Regie
- Kate Herron · Justin Benson · Aaron Moorhead
- Buch
- Michael Waldron (Chefautor Staffel 1) · Eric Martin (Chefautor Staffel 2)
- Kamera
- Autumn Durald
- Musik
- Natalie Holt
- Darsteller
- Tom Hiddleston (Loki) · Owen Wilson (Mobius M. Mobius) · Sophia Di Martino (Sylvie) · Erika Coleman (Florence Schaffner) · Gugu Mbatha-Raw (Ravonna Renslayer)
- Länge
- Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Fantasy | Serie
Heimkino
Zum Niederknien: Der Trickster aus dem Marvel Cinematic Universe bekommt es in seinem Serien-Spin-off mit einer Behörde zu tun, die den ordnungsgemäßen Ablauf der Zeit überwacht.
Staffel 1
Ursprünglich hatte Schauspieler Tom Hiddleston für die Rolle des Donnergottes Thor vorgesprochen; dass er stattdessen im ersten „Thor“-Film als dessen listiger Ziehbruder Loki besetzt wurde, bescherte dem MCU seine schillerndste Figur: Hiddleston erweckte den Gott des Schabernacks und der Lüge, der sich sowohl in der nordischen Mythologie als auch in den damit spielenden Marvel-Comics als Gestaltwandler und Trickster körperlich, geschlechtlich und moralisch fluide zeigt, kongenial zum Leben, changierend zwischen schelmischem Unruhestifter, clever taktierendem Bösewicht, zickiger Drama-Queen und seelisch lädiertem „rebel with a cause“.
Ab dem ersten „Avengers“-Film, in dem Loki als Möchtegern-Despot mit Erdunterwerfungsabsichten den Katalysator dafür darstellt, dass sich die Heldenriege überhaupt erst zum Team zusammenrauft, wandelte sich die Figur in den weiteren „Thor“- und „Avengers“-Filmen vom Antagonisten zu einer Art Joker, den die Filmemacher immer wieder einsetzten, um für ironisch-spielerische Brechungen und ein Element des Unberechenbaren zu sorgen – zum Entzücken der Fans, für die Loki längst zu einem der Lieblinge des Franchise avanciert war (legendär ist sein hysterisch umjubelter Auftritt bei der ComicCon 2013 zum Promoten von „Thor: The Dark World“).
Querulant im ordnungsgemäßen Ablauf der Zeit
Nachdem zu Beginn von „Avengers: Infinity War“ die „Akte Loki“ mit dem Tod der Figur durch die Hand des Superschurken Thanos geschlossen worden war, lieferte „Avengers: Endgame“ eine Steilvorlage fürs Auferstehen des Tricksters und auch den motivischen roten Faden für die Serie, in der er nun im Zentrum steht: Durch die Zeitreise der Avengers zurück ins Jahr 2012 zum Zeitpunkt unmittelbar nach der Schlacht gegen Loki und seine Chitauri-Truppen im ersten „Avengers“-Film tut sich ein alternativer Zeitstrang auf, in dem Loki die Möglichkeit beim Schopf packt, mit Hilfe des Tesserakts aus New York zu fliehen, bevor ihn die Avengers seinem Ziehvater Odin ausliefern können – ab durch die Mitte. Und, wie man nun im Serienauftakt sieht, direkt in die Hände und Gerichtsbarkeit einer Institution, die keinen Spaß versteht, wenn es um den ordnungsgemäßen Ablauf der Zeit geht: Die sogenannte TVA („Time Variance Authority“, eine Erfindung aus den Marvel-Comics der 1980er-Jahre) ist eine Behörde von retrofuturistisch-kafkaesker Gewaltigkeit (das Production Design von Kasra Farahani ist ein Genuss!), die dafür sorgt, dass der Zeitstrahl intakt bleibt, alle Ereignisse sich so entwickeln, wie sie sollen, und keine Querulanten ins Rad des Schicksals eingreifen – und Loki ist ein solcher Querulant.
Der drohenden Eliminierung entgeht er zum Glück, weil ein Agent der Behörde, Mobius M. Mobius (Owen Wilson), in Lokis Expertise in Sachen Ränkeschmieden ein Potenzial sieht: Loki soll helfen, einen noch gefährlicheren Ränkeschmied, der der TVA den Krieg erklärt und schon mehrere TVA-Trupps das Leben gekostet hat, ausfindig und dingfest zu machen. Worauf sich der Trickster widerwillig einlässt, nachdem er eingesehen hat, dass seine magischen Kräfte gegen die TVA nichts ausrichten können: Wie sich wehren gegen eine Autorität, für die selbst die Infinity-Steine – bisher die ultimative Verkörperung von Macht – nichts weiter sind als funkelnder Plunder, den die Mitarbeiter der Behörde als Briefbeschwerer nutzen?
Die Gretchenfrage: Wer bestimmt das Schicksal?
Es ist freilich früh abzusehen, dass Loki ein unzuverlässiger Helfer sein wird; da schon die schiere Existenz der TVA die Gretchenfrage für ihn aufwirft: Wer, bitte schön, entscheidet denn, wie der Zeitstrahl auszusehen hat? Loki mag zwar im ersten „Avengers“-Film die Freiheit als „trügerischen Schein“ und dem Lebensglück der Menschen nur abträglich abgetan haben (woran er nun prompt erinnert wird). Wenn es um seinen eigenen freien Willen geht, versteht er aber keinen Spaß; die Vorstellung, dass eine Instanz vorschreibt, wie das Schicksal inklusive seines eigenen sich zu entwickeln hat, ist ihm unerträglich. Weswegen es kaum verwundert, dass Loki bald mit dem Rebellen gemeinsame Sache macht, auf den die TVA Jagd macht und der sich als Rebellin und hinreißende weibliche Variante seiner selbst entpuppt (Sophia Di Martino) – der Auftakt einer wahrlich furiosen Odyssee, die die beiden als himmlisches Duo infernale zuerst durch diverse Apokalypsen, ins geheimnisvolle Herz der TVA und schließlich bis in die Zitadelle am Ende der Zeit führt, in die äußerste Realität des Multiversums.
Autor Michael Waldron und Regisseurin Kate Herron (u.a. bekannt durch „Sex Education“) machen daraus nicht nur ein Effekt-Spektakel, das den Marvel-Kinofilmen in nichts nachsteht, sondern vor allem ein satirisch-komödiantisches Feuerwerk, wobei die Mixtur aus Fantasy und Zeitreise-/Multiversum-Science-Fiction in Kombination mit dem existenzphilosophischen Horizont (Freiheit vs. Determinismus) das Flair britischer Genre-Ikonen wie Douglas Adams, Terry Pratchett und „Doctor Who“ versprüht und damit dem MCU nach „WandaVision“ und „The Falcon and the Winter Soldier“ eine weitere interessante neue Note verleiht.
Owen Wilson gibt eine gute Reibungsfläche für die Hauptfigur ab
Für den Agenten Mobius M. Mobius stand in den Comics ursprünglich ein realer Mensch Pate, Marvel-Autor Mark Gruenwald, ein Experte in Sachen „Continuity“ für die Handlungsfäden des Comic-Multiversums; von ihm erbt die von Owen Wilson gespielte Serienfigur ihren Schnauzer. Der US-Star mit der verbeulten Nase und der sanft-skeptischen Aura gibt als unprätentiöser Beamtentyp einen großartigen Kontrast zu Loki und eine interessante Reibungsfläche für den divenhaften Trickster ab, den er geschickt dazu bringt, sich mit den eigenen Macken und Motiven auseinanderzusetzen – dass Lokis bisheriger Haupt-Sparringspartner Thor hier keine Rolle spielt, wird da niemand vermissen.
Showrunner Michael Waldron hat als Autor auch beim kommenden „Doctor Strange“-Film „The Multiverse of Madness“ mitgeschrieben; und sein „Loki“ liefert eine vortreffliche Steilvorlage dazu, die Multiversums-Thematik als neues motivisches Movens des Marvel Cinematic Universe zu etablieren. Felicitas Kleiner
Staffel 2
Loki gehört sicher zu den unterhaltsamsten Figuren der mittlerweile riesigen Film- und Serienreihe des Marvel Cinematic Universe. Zu verdanken ist das, neben einigen guten Drehbüchern, die es verstanden haben, den abtrünnigen Asen zum schillernden Charakter auszubauen, vor allem Tom Hiddleston. Der 42-jährige Brite spielte bereits in seinem ersten Auftritt in „Thor“ (2011) die Rolle derart grandios, dass er seitdem die Beliebtheitsskala der Marvelschurken einsam anführt und sich immer mehr zu einer Art Antiheld entwickelt hat. Das setzt sich in der zweiten Staffel von Loki nahtlos fort.
Wer rettet die Zeit?
Zu Beginn der neuen Episoden muss sich Loki mit dem Phänomen des „Zeitrutschens“ beschäftigen. Er ist zwar vom Ende der Zeit, an das es ihn im Finale der ersten Staffel verschlug, zurück in der TVA-Behörde („Time Variance Authority“), verschwindet allerdings immer wieder und taucht in einer anderen Zeit wieder auf. Erst nachdem er diesen misslichen Zustand mithilfe von Mobius (Owen Wilson) und dem legendären Techniker Ouroboros (Ke Huy Quan) behebt, kann sich Loki seiner eigentlichen Aufgabe widmen: die heilige Zeitlinie retten, die von den Verräterinnen Renslayer (Gugu Mbatha-Raw) und Miss Minutes (Tara Strong) in ihrer Existenz bedroht wird. Dafür brauchen aber beide Seiten die Hilfe einer weiteren Variante des mysteriösen Kang: den betrügerischen Gelehrten Victor Timely (Jonathan Majors). Die Suche, der sich auch Lokis weibliche Variante Sylvie (Sophia Di Martino) bald anschließt, führt ins Chicago des Jahres 1893. Können Loki und Mobius den Mann finden, bevor die Gegenseite ihn erwischt?
Während die erste Staffel komplett von Regisseurin Kate Herron inszeniert wurde, wechseln sich für die zweite mehrere Regisseure ab, federführend sind aber Aaron Moorhead und Justin Benson, während die Drehbücher fast komplett von Eric Martin stammten, dem neuen Chefautoren der Serie. Von den Kreativen der ersten sechs Folgen ist somit niemand mehr an Bord – und das merkt man. Zum einen, weil sich in Staffel 2 ein anderes, trägeres Erzähltempo breitmacht – in einer Serie über die Rettung der Zeit besonders schade. Zum anderen aber auch, weil die Geschichte der ersten Staffel, in der die gesamte Multiversum-Handlung erst begann, nun einer Story weicht, die schon tief im übergreifenden Handlungsstrang der MCU-Phasen vier bis sechs eingewoben ist. Und somit einiges an Vorwissen voraussetzt oder zumindest begrüßt. Wer mit der ersten Folge der neuen Staffel den ersten Kontakt mit dem MCU aufnimmt, versteht ziemlich sicher nur Bahnhof.
Wo ist die Anarchie?
„Loki“ lebte in der ersten Staffel zu einem guten Teil von ihren schrägen Ideen – bis hin zu einer Loki-Variante als Krokodil. Dieser fröhliche Quatsch, der die an sich düstere Handlung immer wieder auflockerte, fehlt in der zweiten Staffel ein wenig. Zwar blitzt auch hier immer wieder Humor auf, für den vor allem Owen Wilson und der wunderbare Ke Huy Quan zuständig sind, aber der Beitrag von Tom Hiddleston selbst fehlt. Loki wird immer mehr zum „normalen“ Marvelhelden, weil die Autoren offenbar nicht sehen, dass gerade der chaotisch-fiese, manchmal aber auch herrlich alberne Teil des Asen seine Faszination ausmacht. Dennoch ist Hiddleston konstant stark in seiner Rolle, selbst wenn er diesmal nicht alle Facetten ausleben darf, die Loki zu bieten hätte.
Uneingeschränkt hochklassig bleiben hingegen die Sets der Serie. Das TVA erstrahlt einmal mehr im retrofuturistischen 1970er-Jahre-Chic aus gelblich-bräunlichen Teppichen und abgerundeten Ecken; aber auch außerhalb der kurios-kafkaesken Behörde haben die Production-Designer wieder einen beeindruckenden Job gemacht. So wirkt das im 19. Jahrhundert fast noch ländlich erscheinende Chicago mit dreckigen Gassen zwischen einfachen Holzhütten nicht nur glaubhaft, sondern auch lebendig. Hier lässt sich deutlich sehen, warum Marvel-Serien horrende Budgets verschlingen. Wenn eine Szene eine Halle mit Hunderten von Menschen verlangt, die in die Kleidung des 19. Jahrhunderts gehüllt sind, dann wird das eben auch gemacht. Optisch ist die zweite Staffel wieder auf ganz hohem Niveau.
Kang und kein Ende
Auch dem Ensemble mag man keinen Vorwurf machen für die etwas langweiligere und vorhersehbarere zweite Staffel. Neben Hiddleston vielleicht am auffälligsten ist dabei Jonathan Majors. Der Schauspieler präsentiert dem Publikum eine Kang-Variation, die an die bereits bekannten (zum Beispiel aus „Ant Man: Quantumania“) kaum erinnert, sondern eine gänzlich andere Person zu sein scheint – auch wenn sie sich optisch nur durch Frisur und Brille von den anderen abhebt. Diese frühe Form des Zeitschurken steht neben Loki im Mittelpunkt der neuen Folgen, und Majors sorgt dafür, dass sie interessant ist. Das geht aber auf Kosten anderer Charaktere. Die Figur der Sylvie, in der ersten Staffel noch eines der Glanzlichter, verblasst hier deutlich. Auch Mobius, in den ersten sechs Folgen noch eine spannende Figur mit tragischem Potenzial, verkommt in den frischen Episoden immer mehr zum Stichwortgeber und lustigen Sidekick.
Insgesamt ist das Jammern auf hohem Niveau; „Loki“ ist auch in der zweiten Staffel eine sehr unterhaltsame Serie aus dem MCU mit guten Darstellern, edler Optik und Spezialeffekten in Kinoqualität. Aber es fehlen ein wenig das Chaos und die Anarchie und damit auch die Spritzigkeit, die Loki noch in den ersten Folgen verbreitet hat. In den neuen Episoden arbeitet der Gott des Schabernacks und der Lüge auf einer konventionelleren Basis. Und lässt sich auch ein wenig mehr Zeit, um auf den Punkt zu kommen. Markus Fiedler