Black Narcissus (2020)

Drama | Großbritannien 2020 | Minuten

Regie: Charlotte Bruus Christensen

Eine Gruppe anglikanischer Ordensschwestern gründet 1934 in einer alten Bergfestung im Himalaya eine Missionsschule. Doch das Leben in der enthobenen Region und verdrängte Gefühle erschüttern das Glaubensgefüge der Nonnen. Die mehrteilige Neuverfilmung nach dem gleichnamigen Roman von Rumer Godden, der schon Michael Powell & Emeric Pressburger als Vorlage für „Die schwarze Narzisse“ (1947) diente, betont eher die Tragik eines Lebens der Entsagung und Selbstverleugnung. Das kammerspielartige Melodram kreist dabei um die Reibungen einer dogmatisch verstandenen Religiosität mit den natürlichen Trieben und Sehnsüchten. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
BLACK NARCISSUS
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2020
Produktionsfirma
DNA Films
Regie
Charlotte Bruus Christensen
Buch
Amanda Coe
Kamera
Charlotte Bruus Christensen
Musik
Anne Dudley
Schnitt
Jinx Godfrey · Helena Evans
Darsteller
Gemma Arterton (Schwester Clodagh) · Aisling Franciosi (Schwester Ruth) · Nila Aalia (Angu Ayah) · Patsy Ferran (Schwester Blanche) · Rosie Cavaliero (Schwester Briony)
Länge
Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Literaturverfilmung | Serie

Mehrteiler um eine Gruppe anglikanischer Ordensschwestern, die 1934 in einer Bergfestung im Himalaya eine Missionsschule gründen. In der exotischen Umgebung erschüttern jedoch verdrängte Gefühle das Glaubensgefüge der Nonnen.

Diskussion

Dem französischen Parfumhaus Caron gelang im frühen 20. Jahrhundert der Durchbruch mit einer Essenz namens „Narcisse Noir“. Bevor sich der blumig-verführerische Damenduft im Hollywood der 1950er-Jahre großer Beliebtheit erfreute, verwandte ihn die englische Schriftstellerin Rumer Godden schon im Titel ihres Romans „Black Narcissus“ (1939). Godden, die Teile ihrer Jugend im heutigen Bangladesch verbrachte, erzählt darin, wie eine Gruppe anglikanischer Nonnen versucht, in einem leerstehenden Palast inmitten des Himalayas eine Missionsschule zu betreiben. Neben Konflikten mit den Einheimischen kommt es dabei auch zu Spannungen unter den Ordensfrauen, die von Ängsten und unerfüllten Begierden herrühren.

Der Duft der weltlichen Versuchungen

In der dreiteiligen Neuverfilmung des Romans fällt der Titel in einem prägnanten Moment. Erwähnt wird er von Dilip Rai (Chaneil Kular), dem dandyhaften Neffen des in der Region herrschenden Generals, der sich von den Nonnen Privatunterricht geben lässt. Als der junge Mann mit der psychisch labilen, immer feindseliger auftretenden Schwester Ruth (Aisling Franciosi) aneinandergerät, hält er ihr sein neues Parfum unter die Nase. Angewidert dreht die Nonne sich weg. Der Duft der schwarzen Narzisse wird dabei zum Sinnbild jener weltlichen Versuchungen, denen sich die Nonnen immer vergeblicher zu entziehen versuchen.

Im Zentrum der Geschichte steht die Oberschwester Clodagh (Gemma Arterton). Ehrgeizig, aber auch hochmütig und streng widmet sie sich ihrer Aufgabe. Kurze, lichtdurchflutete Flashbacks deuten an, dass sie einmal eine andere war. Man sieht, wie sie früher ihr Haar offen trug, rauchte und Sex hatte. Der britische Kriegsveteran Mr. Dean (Alessandro Nivola) scheint sie mit seiner provokativen Art an ihr früheres Ich zu erinnern und zunehmend auch ihr Handeln zu beeinflussen. Doch ihre Überlegungen, ihn wegen seines mangelnden Respekts für Gott loszuwerden, scheitern, weil die Schwestern angesichts seiner handwerklichen Fähigkeiten und seines guten Drahts zu den Dorfbewohnern von ihm abhängig sind.

Auf dem „Dach der Welt“

Die dänische Kamerafrau Charlotte Bruus Christensen muss sich in ihrer ersten langen Regiearbeit der Herausforderung stellen, einen außergewöhnlichen, aber sehr überschaubaren Handlungsort mit Leben zu füllen. Eine Grundspannung entsteht dabei schon allein durch das Paradoxe des Schauplatzes: Einerseits ist er komplett abgeschieden, andererseits eröffnet sich durch seine erhöhte Lage der Blick auf die ganze Welt. Es ist, als würden die majestätischen schneebedeckten Berge den Frauen bewusst machen, wie eng ihr eigenes Leben ist. Einmal eröffnet die Blumenliebhaberin Schwester Philippa (Karen Bryson) Clodagh, dass es die überwältigende Schönheit der Natur ist, die sie hier zunehmend vom Glauben abbringe.

Den alten Palast inszeniert „Black Narcissus“ zunächst wie ein knarzendes Spukschloss, das von einer dunklen Vergangenheit überschattet wird. Eine junge Frau hat sich hier einst von den Klippen gestürzt und sucht Schwester Ruth nun beharrlich in Visionen heim. Nachdem sich die Nonnen eingerichtet haben, wirkt das Setting von Verdrängung und Verzicht geprägt. Die erotischen Wandmalereien, die an die Vergangenheit dieses Ortes als Harem erinnern, werden hinter Vorhängen versteckt. Nur manchmal fallen ein paar Sonnenstrahlen durch farbiges Glas und gemahnen rot funkelnd daran, wie farblos die in blassen Grau- und Blautönen gehaltenen Zimmer eigentlich sind.

Ein anderer Ansatz als „Die schwarze Narzisse“

Obwohl Bruus Christensen dieselbe Geschichte erzählt wie das emotional und visuell überbordende Technicolor-Melodram „Die schwarze Narzisse“, das Michael Powell und Emeric Pressburger 1947 aus dem Roman schufen, ist der Geist der Neuverfilmung doch ein völlig anderer. Abgesehen von einigen Details wie Ruths Visionen und einem unheilvollen, rot gefärbten Himmel orientiert sich die Neuverfilmung ästhetisch stärker an der Selbstdisziplin der Protagonistinnen. Statt die Intensität von Gefühlen auszureizen, belässt es „Black Narcissus“ meist bei Andeutungen. Am besten funktioniert der Dreiteiler dabei als Kammerspiel, das über die von weißen Nonnengewändern gerahmten Gesichter der Darstellerinnen erzählt wird. Besonders bei Gemma Arterton zeichnet sich das innere Ringen zwischen Freiheitsdrang und eiserner Dogmatik eindrucksvoll im zunehmend verhärmten Antlitz ab.

Was in der gediegenen, sich durch ihre ausführliche Erzählweise gelegentlich selbst ausbremsenden Neuverfilmung jedoch auffällig abwesend bleibt, ist die titelgebende Sinnlichkeit. Man beobachtet zwar, wie der Glaube der Nonnen in schwindelerregender Höhe erschüttert wird, doch die Gründe dafür bleiben abstrakt. Vor allem die Charakterisierung von Mr. Dean, der mit seiner Anwesenheit unbeabsichtigt einen hässlichen Konkurrenzkampf zwischen Clodagh und Ruth auslöst, wirkt wie eine verschenkte Möglichkeit, der Verführungskraft ein Gesicht zu geben. Statt viriler Sexualität wie bei Powell/Pressburger verkörpert Dean hier einen abgeklärten Zynismus. Für Clodagh scheint er deshalb auch weniger Erinnerung an die Wonnen eines früheren Lebens zu sein als ein Leidensgenosse in einem von bitteren Kompromissen geprägten Leben.

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