Ein Urlaub in Wales soll die brüchige Beziehung zwischen Theo (Kevin Bacon) und seiner deutlich jüngeren Freundin Susanna (Amanda Seyfried) wieder kitten. Schon seit einiger Zeit wird der Ex-Banker von äußerst realistischen Albträumen heimgesucht. Trotz guter Vorsätze lässt er sich immer wieder von seiner notorischen Eifersucht übermannen. Daneben plagt ihn aber auch noch ein Ereignis aus der Vergangenheit, von dem die gemeinsame Tochter Ella (Avery Essex) nichts wissen darf. Irgendwann ploppt im Internet ein verlockendes Angebot für ein abgelegenes Ferienhaus auf.
Das auf Daniel Kehlmanns gleichnamiger Erzählung basierende Horrordrama „Du hättest gehen sollen“ spielt offensiv damit, dass Theo eine dunkle Seite haben könnte. Meist wirkt er gestresst und versucht mäßig erfolgreich, sich mit einer Entspannungs-App oder selbsttherapeutischen Tagebuch-Einträgen zur Ruhe zu bringen. Was ihn verdächtig macht, ist seine kontrollierte und höfliche Art, hinter der sich Abgründe erahnen lassen. In seinen stechend blauen Augen funkelt etwas Unberechenbares.
Ähnlich verhält es sich auch mit dem Film von David Koepp, der bislang neben einigen Regiearbeiten vor allem mit seinen Drehbüchern zu Filmen wie „Panic Room“ und „Jurassic Park“ in Erscheinung getreten ist. Vieles kommt in „Du hättest gehen sollen“ leise und unscheinbar daher, beschwört tatsächlich aber effektiv eine unterschwellig beklemmende Stimmung herauf.
Ein modernistisches Gruselschloss
Schon bald zeichnet sich ab, dass sich in dem einsam auf einem Hügel thronenden Ferienhaus nicht die erwünschte Entspannung finden lässt, sondern das pure Gegenteil. Das dunkelgraue Gebäude, das aussieht, als hätte man mehrere Häuser mit Spitzdächern ineinandergeschoben, hat nicht nur optisch etwas Undurchdringliches. Koepp erweitert das bekannte Waliser „Life House“ des britischen Architekten John Pawson per CGI um ein weiteres Stockwerk und inszeniert es wie einen nach rätselhaften Gesetzen funktionierenden Organismus. Mit seinem kühlen, reduzierten Design und den schmalen, scheinbar endlosen Gängen wirkt es wie ein modernistisches Gruselschloss, dessen finstere Geheimnisse im labyrinthischen Keller schlummern.
Nach der Ankunft häufen sich seltsame Ereigniss. Die Familie wird von Albträumen geplagt, Zimmer und Türen tauchen ebenso plötzlich auf, wie sie wieder verschwinden, die Zeit vergeht mitunter ungewöhnlich schnell, und eines Tages entdeckt Theo, dass jemand in sein Tagebuch gekritzelt hat, um ihn aufzufordern, das Haus umgehend zu verlassen.
Auf schleichendes Unbehagen getrimmt
Der Film schöpft viel von seiner Faszination daraus, dass er lange im Unklaren lässt, worauf er eigentlich hinauswill. Vielleicht hat man es mit einem Familienvater am Limit wie in Stanley Kubricks „Shining“ zu tun, vielleicht mit einem Spukhaus? Oder ist alles nur ein perverses Spiel des mysteriösen, nie in Erscheinung tretenden Vermieters?
Auch wenn das Haus selbst immer stärker ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerät, bleibt seine wahre Natur nebulös. Koepp trimmt seine Inszenierung nicht auf polternde Effekte, sondern setzt auf ein schleichendes Unbehagen. Er erzählt klassisch, aber nicht standardisiert, gibt dem Publikum genug Informationen, um sich nicht verloren zu fühlen, und verrät doch nur so wenig, damit er die Wirkung der diffusen Bedrohung voll auskosten kann.
Es liegt in der Natur dieses Ansatzes, dass die Auflösung am Ende etwas enttäuschend gerät. Nicht, weil sie zu banal ist oder nicht konsequent genug wäre, sondern weil die Inszenierung viel Energie in Motive wie auf mysteriöse Weise auftauchende Polaroidbilder oder die verzwickte Zeitstruktur investiert, am Ende aber solche offenen Fragen mit einer archaischen Wendung vom Tisch fegt. Als subtiler, handwerklich gut gemachter Genrebeitrag ist „Du hättest gehen sollen“ aber trotzdem sehenswert. Dieses sehr besondere Geisterhaus wird man so schnell nicht vergessen.