Eine junge Frau steht neben einer großen Spulenkonstruktion und spricht den Zuschauer direkt an. Sie trägt ein historisches Kostüm, die Szene spielt Ende des 19. Jahrhunderts. Doch plötzlich zieht sie einen Laptop hervor, gibt bei Google einen Namen ein und klärt darüber auf, dass Nikola Tesla nur halb so viele Einträge bei der Suchmaschine hat wie Thomas Alva Edison. Der dramatische Konflikt ist damit gesetzt: Hier der geniale Erfinder Tesla, der sich nur schwer zu verkaufen wusste, dort der gerissene Geschäftsmann, dem es immer auch um den eigenen Wohlstand ging.
In „Tesla“ dreht sich alles um den Kampf um Strom – Wechselstrom gegen Gleichstrom. Tesla wird diesen Kampf gewinnen – und steht doch am Ende als Verlierer da. Doch noch etwas anderes macht diese Szene deutlich: Dies ist nicht die übliche Filmbiografie, die ein Leben von der Wiege bis zur Bahre nachzeichnet. Regisseur Michael Almereyda kümmert sich nicht um die Regeln eines historischen Films; er verweigert sich den Genrekonventionen und inszeniert nach seinen Vorstellungen. Manche Szenen spielen vor gemalten Sets, so als sei dies ein Minnelli-Musical, andere vor rückprojizierten übergroßen Fotos, etwa von den Niagarafällen. Bars und Bistros sind modern eingerichtet, einmal zieht Kyle MacLachlan als Thomas Alva Edison ein Smartphone aus der Tasche. Diese ungewöhnlichen Bildideen stehen im schönen Kontrast zum Konflikt des Films, zum wortreich ausgetragenen Duell zweier Konkurrenten.
Kleiner Dynamo, große Transformatoren
Die Erzählerin des Films ist Anne Morgan, die schöne, kokette Tochter des Bankiers J.P. Morgan. Sie wird noch öfter zum Laptop greifen und Bildergalerien zeigen, von wichtigen Menschen in Teslas Leben oder von seinen Erfindungen, vom kleinen Dynamo bis zu großen Transformatoren. Manchmal berichtigt sie ihre Geschichten und beginnt nochmal von vorn: „Dieses Treffen hat es nicht gegeben.“
Morgan hat ein Auge auf Nikola Tesla geworfen. Doch der ist kein einfacher Mann. Ethan Hawke spielt ihn mit hängendem Schnäuzer und kräftigem kroatischen Akzent sehr zurückgenommen, verschroben, wunderlich, steif, unnahbar. Tesla ist ein Genie auf dem Gebiet des Wechselstroms. Er weiß, dass dieser Strom nicht so gefährlich ist wie der Gleichstrom und auch sehr viel weiter geleitet werden kann. Edison hingegen kann in New York immer nur wenige Straßenzüge erleuchten und müsste darum die ganze Stadt mit Elektrizitätswerken überziehen.
Tesla heuert bei Edison an, um ihn von seinen Ideen zu überzeugen. 50.000 Dollar soll er bekommen. Doch nach einem halben Jahr kündigt er frustriert, weil er nur kleine Dynamos bauen durfte. Bezahlt wird er nicht. „Tesla, Sie verstehen den amerikanischen Humor nicht“, meint Edison süffisant. Kyle MacLachlan spielt ihn als hinterlistigen, arroganten Mistkerl, der bei missliebigen Diskussionen seine Schwerhörigkeit vorschiebt. Die Arbeit seines Konkurrenten wird er fortan diskreditieren oder sogar sabotieren. Bei der allerersten Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl benutzt Edison einfach den „sanften“ Wechselstrom – der Verurteilte stirbt qualvoll.
Der Erfinder zerreißt den Vertrag
Von nun an geht es darum, dass Tesla für die wirtschaftliche Nutzung seiner Experimente Investoren braucht. Er spricht mit George Westinghouse, der auch in „Edison“ auftaucht, er besucht J.P. Morgan, der ihm einfach einen Scheck über 100.000 Dollar ausstellt. Doch als Tesla ein Vertrag nicht gefällt, weil er an zu viele unakzeptable Bedingungen geknüpft ist, zerreißt der Erfinder ihn einfach, in der wohl beklemmendsten Szene des Films. Tesla verzichtet damit auf Tantiemen in Millionenhöhe. Er hätte einer der reichsten Männer der Welt werden können.
Dann sind da noch die Frauen. Anne Morgan, die ihm ins Gesicht sagt, dass er sie brauchen werde. Oder Sarah Bernhardt, jene berühmte Schauspielerin, deren Ausstrahlung Tesla sich nicht entziehen kann. „Es hat Folgen, wenn man mich so anstarrt“, sagt sie ihm einladend oder auch abwehrend. Doch Tesla lebt nur für seine Experimente, die er wortreich beschreibt: „Es ist, als wenn man den Ozean bitten würde, für ein Porträt zu sitzen“. Er ist von der Nützlichkeit seiner Erfindungen, die allen Menschen zukommen sollen, überzeugt: „Dieser Motor wird die Arbeit der Welt verrichten. Er wird die Menschen befreien.“ Das ist es, worum es Tesla im Gegensatz zu Edison geht: um das Wohl der Menschen, nicht um den eigenen Reichtum.
To Rule the World
Am Ende des Films singt Ethan Hawke, immer noch im Tesla-Kostüm, auf einer kahlen Bühne mit gebrochener Stimme „Everbody Wants to Rule the World“ von Tears for Fears. Der Erfinder als Popstar? In jedem Fall ist dies eine Filmbiografie wie keine zweite.