Manchmal ist der Hintergrund eines Films spannender und ergreifender als der Film selbst. So verhält es sich auch beim neuen Film mit Liam Neeson, der hier - zum zweiten Mal nach „Hard Powder“ - gemeinsam mit seinem Sohn Micheál Richardson auf der Leinwand zu sehen ist. In dem Regiedebüt von James D’Arcy, den man bislang vor allem als Schauspieler kennt, spielen die beiden Vater und Sohn, die sich Jahre nach dem Unfalltod von Ehefrau und Mutter annähern und einander öffnen müssen, um ihre Trauer zu bewältigen. Natasha Richardson, Neesons Ehefrau und Micheál Richardsons Mutter, starb 2009 bei einem Skiunfall. Die Parallele ist frappant. Man hat sie ständig im Hinterkopf und fragt sich, wie viel sich aus dem Zusammenspiel der Darsteller wohl für ihre persönliche Tragödie ableiten lässt, warum sie sich auf dieses Projekt eingelassen haben, obwohl es alte Wunden aufreißt. Vielleicht aber führt dieser Gedanke auf eine falsche Fährte: Zum Beruf eines Schauspielers gehört es ja, in andere Rollen zu schlüpfen, nicht sich selbst darzustellen.
Haus und Beziehung müssen erneuert werden
Im Mittelpunkt steht Jack, der mit seiner Frau in London eine erfolgreiche Galerie aufgebaut hat. Doch nun steht die Ehe vor dem Aus; seine Frau will die Galerie verkaufen. Jack hat nicht das Geld, ihr ihre Anteile auszubezahlen. Da kommt der junge Mann auf die Idee, die Ferienvilla seiner Eltern in der Toskana zu veräußern. Dazu müsste er allerdings mit seinem Vater Robert reden, zu dem er seit dem Unfalltod seiner Mutter vor 15 Jahren kaum noch Kontakt hat.
Robert war einmal ein vielversprechender Künstler, davon zeugen zahlreiche Zeitungsausschnitte. Doch seit dem Tod seiner Frau gefällt er sich in der Rolle des Bohemiens und Schürzenjägers. Trotzdem fliegen Vater und Sohn gemeinsam nach Italien. Doch welche Enttäuschung: Das Haus sieht verheerend aus und muss von Grund auf renoviert werden. Auf Anraten einer ungnädigen englischen Maklerin heuern sie örtliche Handwerker an und machen sich ans Werk.
Das nahe Städtchen könnte idyllischer nicht sein, hier kennt jeder jeden, gemeinsam trinkt man abends Rotwein und schaut sich unter sternenbeleuchtetem Himmel alte Schwarz-weiß-Filme an. Und weil der Film, der hier auf eine provisorisch aufgebaute Leinwand projiziert wird, „Die Basilisken“, das Regiedebüt von Lina Wertmüller, ist, kann man dieser Anhäufung von Klischees nicht böse sein. Es gibt dann noch eine junge Italienerin, die nicht nur schön und charmant ist, sondern auch kochen kann und mit dieser unschlagbaren Mischung Jack den Kopf verdreht. Die spröde Maklerin hingegen entdeckt ihr Faible für Robert, und so langsam ahnt man, dass Vater und Sohn dieses Paradies nicht mehr verlassen wollen.
Große Gesten, wohlklingende Worte
Italien, Du hast es besser. Regisseur James D’Arcy schiebt immer wieder Bilder der sonnendurchtränkten Toskana in die Erzählung, er zeigt hohe, schlanke Pinien auf sanften Hügeln, während die Sonne langsam untergeht, er präsentiert Klischees von italienischer Lebensfreude und Stereotypen herzlicher Menschen. Irgendwie lässt es sich hier sogar leichter trauern; zwischen Vater und Sohn kommt es zur lange überfälligen Aussprache, es wird umarmt und geweint.
„Made in Italy“ ist ein Film der großen Gesten und der großen Worte. Abgegriffene Weisheiten sollen die Dramatik noch verschärfen, ein wehmütiger Score spielt dazu. Es ist ärgerlich, wie offensichtlich-aufdringlich man als Zuschauer hier emotional manipuliert wird. Gelegentlich aufblitzende Anflüge von Humor sollen dem Film Leichtigkeit verleihen, wirken aber eigentümlich deplatziert. Erschwerend kommt hinzu, dass Richardson als Schauspieler seinem Vater noch nicht das Wasser reichen kann. Allerdings wird ihm auch nicht viel abverlangt. Dafür ist seine Figur des erfolgreichen Galeristen viel zu oberflächlich umschrieben. Stetes Zeichen von Roberts Trauer ist ein riesiges, tiefrotes, von Wut und Zorn zeugendes Gemälde an einer Wand in der Villa. Robert hat es gleich nach dem Tod seiner Frau gemalt; nun ist es ein Beweis, was dieser Film auch hätte sein können: eine anspruchsvolle Auseinandersetzung mit Verlust und Schuld, Trauer und Vergebung. Das Wissen um die persönliche Betroffenheit der beiden Hauptdarsteller verstärkt dieses Manko noch.