Gewalt ist keine Lösung! Zumindest wenn es nach dem Duke of Oxford (Ralph Fiennes) geht, der sich eher für das Rote Kreuz engagiert als dem Empire kurz nach der Jahrhundertwende bei dessen Allmachtsfantasien im Burenkrieg mit Waffen unter die Arme zu greifen. Bis der gewaltsame Tod seiner Frau vor den Augen seines kleinen Sohnes Conrad in Südafrika seine Überzeugungen auf den Prüfstand stellt.
Zwölf Jahre droht der Erste Weltkrieg Tod und Verzweiflung über die Nationen zu bringen. Duke Orlando hat seit seinen traumatischen Kriegserfahrungen aus dem Leid gelernt und will zumindest hinter den Kulissen der machtbesessenen Politik und scheinheiligen Diplomatie seinen Einfluss geltend machen, um den Aggressoren Einhalt zu gebieten. Die Organisation, die ihm zu diesem Zwecke vorschwebt, versteht sich als eine Art „tatkräftige Lobbyarbeit“ für das Gute in der Welt. Kein Wunder, dass das Verlangen seines Sohnes Conrad (Harris Dickinson), in den Krieg zu ziehen, wie ein Schock in Glieder und Gemüt des kultivierten Vaters fährt, der lieber auf subtilem Weg den kaum noch zu verhindernden Krieg eindämmen möchte.
Doch weder kann er den Mord an Franz Ferdinand von Österreich in Sarajewo verhindern noch in Russland Zar Nikolaus und dessen teuflischen Berater Rasputin beschwichtigen, sodass der Schrecken des Krieges unweigerlich Gestalt annimmt; was vor allem an der verschwörerischen Macht einer Gruppierung liegt, die von einem mysteriösen Unbekannten namens „The Shepherd“ geleitet wird, der sich als einer der wahren Agitatoren des Krieges erweist.
Gewalt ist keine Lösung, außer es wird persönlich
Seine Organisation ist es, der unter allen Umständen Einhalt zu gebieten ist; für den Duke mehr als nur eine Frage der Ehre. Wie gesagt: Gewalt ist keine Lösung, es sei denn, es wird persönlich.
Wer ist der Shepherd (Hirte), der frei nach Mark Millars „Kingsman“-Comics der wahre Bösewicht ist, der hinter den in Europa initiierten Weltenbränden steht? Die Zuschauer mögen es vielleicht ahnen, doch zu sehen gibt es ihn erst im Finale des inzwischen dritten Teils von Matthew Vaughns Realfilmadaptionen. Zuvor und zuallererst stehen indes einmal mehr die gänzlich und genüsslich übertriebenen Action-Eskapaden des an sich so pazifistischen Duke of Oxford im Vordergrund, dessen „Kingsman“-Organisation der ersten beiden Teile sich in „The King’s Man: The Beginning“ (wie der Titel schon andeutet) erst konstituieren muss. Zum Glück hat Orlando bereits seine beiden „Bediensteten“ Polly Wilkins (Gemma Arterton) und Shola (Djimon Hounsou) mit an Bord, die im Zweifel lebensrettende Dienste leisten. Was das Schicksal seines immer noch behüteten Sohns Conrad betrifft, muss sich im Laufe des Prequels noch zeigen, denn immerhin hat der Duke einst seiner Frau versprochen, den Sohn vor gefährlichen Missionen zu bewahren.
Dass dann genau das Gegenteil passiert und dass die Action gar nichts mehr mit pazifistischen Gedankenspielen zu tun hat, ist angesichts der ersten beiden Teile der Reihe nicht weiter verwunderlich und vor allem dem Autor der Vorlage Mark Millar zu verdanken, der bereits für (ebenfalls verfilmte) Gewaltorgien wie „Kick-Ass“ verantwortlich zeichnet. Es ist der Kontrast zwischen elitären Upper-Class-Umgangsformen und krass-komischer Comic-Gewalt, die den „Charme“ zumindest des 2014 produzierten ersten Teils „Kingsman: The Secret Service“ ausmacht.
Das Originelle nutzt sich ab
Doch wie bei neuerlichen Variationen des Altbekannten fast schon unausweichlich, nutzt sich das Originelle auch hier im Serienformat merklich ab. Virtuos ist „The King’s Man: The Beginning“ allenfalls in der ebenso leichtfüßigen wie brutalen Kampfchoreografie am Hof des Zaren, wo es das Team des Duke mit dem köstlich chargierenden Rhys Ifans als Rasputin zu tun bekommt. Auch der Showdown auf einem an ein südamerikanisches Hochplateau erinnernden schottischen Schafsfelsen hat seine absurd-komischen Elemente. Der Rest vertändelt sich indes gerne in auf Länge getrimmter „Business as Usual“-Action mit bemüht distinguierten Pointen, in denen die Ernsthaftigkeit des Krieges genauso wie das berechtigte Anliegen einer pazifistischen Gegenbewegung allenfalls ornamentalen, wenn nicht sogar störenden Charakter bekommen.
Dass der Erste Weltkrieg nur Spielwiese strippenziehender Politikberater wie Erik Jan Hanussen, Rasputin und Mata Hari sowie schottischer Allmachtsfantasien war, ist ein interessanter, weil absurder Ansatz, wird aber auch nicht wirklich genüsslich ausgespielt, weil es eben andere Protagonisten sind, deren (banalere) Familienkabbeleien mehr Filmzeit in Anspruch nehmen müssen. Schließlich geht es hier nicht um die Absurdität von Weltpolitik, sondern um Popcornunterhaltung.
Die ist zumindest dahingehend bemerkenswert, dass es mit Ralph Fiennes ein inzwischen 59-jähriger Mime ist, dem man die tragende Rolle in einem harten Actionfilm zugesteht. Fiennes besteht die Prüfung nicht zuletzt aufgrund seines unverwüstlich scheinenden Charismas und der Aussicht, dass er im Falle weiterer Fortsetzungen nicht mehr wirklich ranmuss. Regisseur und Drehbuchautor Matthew Vaughn sollte sich indes ernsthaft fragen, wie oft er den Ruf seines beachtlichen ersten Teils noch mit weiterem schnell verkonsumiertem Franchise-Nachschub belasten will.