Das Salz der Tränen
Drama | Frankreich/Schweiz 2019 | 95 Minuten
Regie: Philippe Garrel
Filmdaten
- Originaltitel
- LE SEL DES LARMES
- Produktionsland
- Frankreich/Schweiz
- Produktionsjahr
- 2019
- Produktionsfirma
- Rectangle Productions
- Regie
- Philippe Garrel
- Buch
- Philippe Garrel · Jean-Claude Carrière · Arlette Langmann
- Kamera
- Renato Berta
- Musik
- Jean-Louis Aubert
- Schnitt
- François Gedigier
- Darsteller
- Logann Antuofermo (Luc) · Oulaya Amamra (Djemila) · André Wilms (Lucs Vater) · Louise Chevillotte (Geneviève) · Souheila Yacoub (Betsy)
- Länge
- 95 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Drama | Liebesfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
In Schwarz-weiß gefilmtes Drama über einen selbstbezogenen jungen Mann, der zwischen drei Frauen hin- und hertreibt.
Es beginnt wie eine Romanze, vielleicht im Stil von Eric Rohmer. Ein Mann (Logann Antuofermo) erblickt an einer Bushaltestelle eine schöne Frau (Oulaya Amamra). Er geht zu ihr hinüber, fragt sie nach dem Weg, versucht mit ihr zu flirten. Doch so richtig kommt die Unterhaltung nicht in Gang. Trotzdem verabreden sie sich für später. „Du bist süß“, sagt sie zu ihm, er möchte gern mit ihr schlafen, aber sie ist auf der Hut. „Am nächsten Morgen machte Luc die Aufnahmeprüfung“, informiert plötzlich ein irritierend sachlicher Off-Kommentar den Zuschauer. Luc, so der Name des jungen Mannes, ist Tischler und arbeitet in einer Kleinstadt im Betrieb seines Vaters (André Wilms). Er war nach Paris gekommen, um sich an der renommierten Ecole Boulle, einer Hochschule für angewandte Kunst und Kunsthandwerk, zu bewerben. „Ich vergesse dich nicht“, versichert er Djemila und kehrt nach der Prüfung in die Provinz zurück. Dort trifft er Geneviève (Louise Chevillotte) wieder, seine Jugendliebe.
Stürmisch beginnen sie eine Affäre. Spätestens jetzt ändert sich der Ton dieses Films von Philippe Garrel, die Leichtigkeit des Beginns ist verflogen, von Rohmer keine Spur mehr. Nicht nur, dass Djemila, die Luc in seiner Heimatstadt besuchen wollte, vergeblich in einem Hotelzimmer auf ihn wartet. Als Geneviève ihm mitteilt, dass sie schwanger sei, weist er sie brüsk zurück und macht ihr sogar Vorwürfe. Er lässt sie ohne Skrupel im Stich und geht nach Paris. Denn kurz zuvor hatte er erfahren, dass er an der Ecole Boulle aufgenommen wurde. Dort lernt er die Krankenschwester Betsy (Souheila Yacoub) kennen und zieht mit ihr zusammen: Doch Betsy bringt noch einen Nebenbuhler mit.
Die Unsicherheit der Liebe
Philippe Garrel war zuletzt 2016 mit „Im Schatten der Frauen“ im deutschen Kino zu sehen, während seine nachfolgenden Filme „Liebhaber für einen Tag“ und jetzt „Das Salz der Tränen“ nur auf arte liefen. Geschickt verhandelte der Regisseur, der seit den 1960er-Jahren mit seinen sehr persönlichen Arbeiten eine Nische im französischen Kino besetzt, in „Im Schatten der Frauen“ die Ungleichzeitigkeit der Gefühle und die Unsicherheit der Liebe. Mann und Frau blickten mit unterschiedlichen Erwartungen aufeinander und bewerteten die Dinge anders. Das war charmant anzuschauen, zumal die Figuren mit ihren Sehnsüchten und Fehlern so genau getroffen waren.
In „Das Salz der Tränen“ ist das anders. Garrel hat Luc überaus negativ und unsympathisch gezeichnet: feige und konfliktscheu im Umgang mit Djemila, verantwortungslos und niederträchtig im Umgang mit Geneviève, unentschieden und eifersüchtig im Umgang mit Betsy. Die Frauen sind dem Mann, wie schon bei „Im Schatten der Frauen“, überlegen, sowohl an Reife als auch an Integrität. Doch im Gegensatz zum Vorgänger versucht der Mann nicht, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen, im Gegenteil: Luc ist anmaßend und fordernd, selbstgefällig und gefühlskalt. Einmal verfolgt er wie ein Aufreißer auf der Straße eine Frau, bis sie sich belästigt fühlt und lautstark wehrt. Er ist ein Jäger, der die Verführung liebt, nicht die Liebe. Als Zuschauer fällt es einem immer schwerer, sich mit Luc zu identifizieren und sein Handeln gutzuheißen. Man kann eine Absicht dahinter vermuten, denn der Film entlarvt konsequent eine männlich-bevormundende Perspektive, die keine feste Bindung eingehen will und nur die eigene aktuelle Befindlichkeit für den Lebensweg gelten lässt. Und er zeigt, was solchen Männern am Ende bleibt: nichts.
Wie Nomaden
Lucs irritierendes Verhalten betrifft auch andere Dinge. So weigert er sich, seinem Vater, der zu Besuch nach Paris gekommen ist, die Tür zu öffnen. Dabei ist die Beziehung zum Vater einer der wichtigsten Aspekte des Films. Er ist ein alter Mann, der sich mit dem Tischlern von Särgen über Wasser halten muss. Die Menschen würden keine Möbel mehr kaufen, weil sie wie Nomaden lebten, sagt er einmal. Sein Sohn soll dem Tischlerberuf treu bleiben und einmal Karriere machen. Handwerk hat hier noch goldenen Boden, einmal zeigt der Film, wie Vater und Sohn gemeinsam einen Sarg zimmern und sich dabei näherkommen, ohne viele Worte.
Wie so oft hat Garrel in Schwarz-weiß gedreht, er zeigt ein Paris der Vorstädte, das man so noch nicht gesehen hat. Doch die Zärtlichkeit der Bilder, die „Im Schatten der Frauen“ prägten, will sich diesmal nicht mitteilen. Das Bedauern, dass Luc am Schluss überkommt, rührt den Zuschauer nicht mehr.