Der Countdown läuft. Samstagnacht in New York, die Zeiger der Uhr bewegen sich erbarmungslos auf die Deadline 23:30 Uhr zu. Dann geht „Saturday Night Live“ zum ersten Mal On Air, und Lorne Michaels (Gabriel LaBelle) ist mit den Nerven am Ende. Wie ein Wahnsinniger klebt er winzige Zettel auf einem übergroßen Zeitplan um, der aus allen Nähten platzt. Der Ablauf steht nicht komplett fest, die Gäste kommen zu spät, im Umkleideraum prügelt sich John Belushi mit Chevy Chase; Jim Henson sorgt sich um seine Muppets. Und niemand, inklusive Lorne, hat eine Ahnung, worum es in der Show eigentlich geht.
Kreatives Chaos
Hinter den Kulissen herrscht eine manische Hektik. Jede Lösung bringt zwei neue Probleme mit sich. Die Kamera sprintet in dem Film über die Genese der berühmten Show, die am 11. Oktober 1975 Premiere hatte, mit den gestressten Comedians durch die Flure und schwenkt wild umher, um jedes Fitzelchen einzufangen.
Das Ensemble, das Regisseur Jason Reitman dabei in den Blick nimmt, ist unübersichtlich groß. Neben Michaels, der als Bezugsperson dient, ist auch seine Frau Rosie Shuster (Rachel Sennott) sowie die Stammbesetzung der Show dabei, die Gaststars, Techniker, Senderchefs, Investoren, Zensoren, Assistenten und einsame Schriftsteller, die in den Bars herumlungern. Dieses schier endlose Ensemble trägt zwar zur wuseligen Stimmung einer völlig überfrachteten, überambitionierten und chaotischen Sendung bei, macht es aber beinahe unmöglich, prominente Einzelmomente herauszuarbeiten. Alles gleicht einem Diorama, dessen Einzelteile besser funktionieren als das daraus entstehende Gesamtbild.
Reitman hat ein sicheres Händchen, wenn es um Timing und Details geht, doch die Inszenierung gerät aus dem Tritt, wenn aus den kleinen Momenten etwas Größeres entstehen soll. Insbesondere als die Vorbereitungen auf das Finale zusteuern, greift Reitman tief in die Hollywood-Klischeekiste, um das große Happy End auf die Beine zu stellen. Damit es endlich heißen kann: „Live from New York: It‘s Saturday Night!“.
Die Jungen, die Wilden, die Witzigen
Aus heutiger Sicht wirken viele Sketche von damals eher niedlich als revolutionär. Im ersten Gag der ersten Episode muss John Belushi mit dickem Akzent die Sätze eines Englischlehrers wiederholen, bis dieser einem Herzinfarkt erliegt. In „Saturday Night“ ist dieser harmlose Scherz, trotz fragwürdiger Stereotypen, der Beginn einer großen Bewegung. Es war der Versuch einer Generation, sich vom Humor ihrer Eltern zu befreien. Ein Haufen junger, unbekannter Comedians präsentierte über eine Stunde lang live eine Nummernrevue, bei der alles passieren konnte. Das fühlte sich neu und frisch an. Es war eine Kampfansage ans müde Altherren-Fernsehen der Vergangenheit. Diese Sichtweise auf die Show ist wie vieles in dem Film leicht verklärt und stark romantisiert. Aber sie gibt dem Setting einen thematischen Anker.
Die hier skizzierten Muster von Medien im Wandel und der schieren Verständnislosigkeit einer älteren Generation wiederholen sich ja ständig neu. Die Grenzen, die die Saturday-Night-Show damals sprengte, werden heute von TikTok gezogen und verändern sich wahrscheinlich demnächst wieder. Der Unterschied zur digitalen Welt der Gegenwart, den der Film eindrucksvoll festhält, besteht darin, dass das Fernsehen damals eine Teamleistung war. In jeder Minute des Filmes wird klar, dass der Zauber, den Reitman verspürte, der Grund, warum ihm dieser Stoff etwas bedeutete, darin begründet ist, dass die Show ein unglaubliches Zusammentreffen unterschiedlichster Talente vor und hinter der Kamera war. Das Erfolgsrezept bestand darin, alle diese gegensätzlichen Kräfte genau zu dem Zeitpunkt zu bündeln, in dem die Sendung live geht.
Verbeugung vor Comedy-Ikonen
Der kometenhafte Aufstieg von Saturday Night Live war zu großen Teilen eine einmalige Kombination der richtigen Leute zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Deshalb entschied sich Reitman auch für eine Hommage, in der Rekreation und Imitation wichtiger sind als neue Impulse. Stets ist die beinahe bedingungslose Zuneigung zu spüren, die Reitman der Show entgegenbringt, und die Sorgfalt, mit der er einzelne Bilder nachstellt. Sein fiktionalisierter Ausflug in die Fernsehgeschichte ist häufig spritzig, humorvoll und charmant – allerdings nur, wenn man „in on the joke“ ist. Wer in der US-Comedy der damaligen Zeit zuhause ist, darf sich wie im Finale einer Superhelden-Filmreihe fühlen, in dem sich die größten Stars miteinander verbünden. Bekannte Namen lauern hinter jeder Ecke, und die quirligen Eigenheiten der schillernden Persönlichkeiten werden häufig präzise auf den Punkt gebracht. Wer allerdings nie von Komikern wie George Carlin und Andy Kaufman gehört hat, dem wird es wie den älteren Herren im Senderrat ergehen, die verwirrt und verständnislos auf eine Sketchrevue starren, deren Komik sich ihnen nicht erschließt, weil der Humor zu einer anderen Generation gehört.