4K UHD | Italien/Frankreich/Großbritannien 2019 | 120 Minuten

Regie: Matteo Garrone

Neuverfilmung der Geschichte vom hölzernen Jungen, der in seiner Unkenntnis der Welt auf diverse Schwindler und Versuchungen reinfällt, bis er sich im selbstlosen Einsatz für seinen „Vater“, den Tischler Geppetto, bewährt. Die Adaption spielt in einem surrealen Italien der Vergangenheit, in dem märchenhafte Elemente inmitten einer von dunklen Mächten beherrschten Gesellschaft existieren. Fantasie und einige betont kindliche Einfälle stehen dabei neben naturalistischen Szenen von Elend, Gewalt und Gefahr, die den Film für jüngere Kinder unpassend machen. Faszinierend sind die Effekte, die poetische Bildsprache und das einnehmende Spiel von Geppetto-Darsteller Roberto Benigni. - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
PINOCCHIO
Produktionsland
Italien/Frankreich/Großbritannien
Produktionsjahr
2019
Produktionsfirma
Archimede/Rai Cinema/Le Pacte/RPC
Regie
Matteo Garrone
Buch
Matteo Garrone · Massimo Ceccherini
Kamera
Nicolai Brüel
Musik
Dario Marianelli
Schnitt
Marco Spoletini
Darsteller
Federico Ielapi (Pinocchio) · Roberto Benigni (Geppetto) · Rocco Papaleo (Katze) · Massimo Ceccherini (Fuchs) · Marine Vacth (Kleine Fee (erwachsen))
Länge
120 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
4K UHD | Familienfilm | Fantasy | Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Die Mediabooks enthalten ein 60-seitiges Booklet mit Texten zum Film, Artworks, Designs und Gemälden.

Verleih DVD
Capelight (16:9, 2.35:1, DD5.1 ital./dt.)
Verleih Blu-ray
Capelight (16:9, 2.35:1, dts-HDMA ital./dt.)
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Carlo Collodis Kinderbuch-Klassiker um die Abenteuer einer Holzpuppe, die ein echter Junge werden will, in einer bildgewaltigen, eng an der Vorlage bleibenden Neuverfilmung durch Regisseur Matteo Garrone.

Diskussion

Skeptiker sollen gleich beruhigt sein: Matteo Garrones erster wahrhaftiger Familienfilm mag manchmal an Tim Burton erinnern, ist aber in keiner Sekunde so einfallslos wie dessen jüngere Filme. Nein, die Puppen erwachen zum Leben. Sie durchtrennen ihre Fäden, springen von der Bühne, beginnen zu sprechen, und ihre Augen sehnen sich nach dem Menschsein. Garrone, der trotz seines Images als harter Realist in Wahrheit schon immer eine Nähe zu Märchen gesucht hat (man denke nur an die Eröffnungssequenz von „Reality“), taucht in seinem „Pinocchio“ mit großer Liebe in die von Carlo Collodi im späteren 19. Jahrhundert entwickelte Welt rund um die titelgebende Holzfigur ein.

Da sich die Bilder Walt Disneys längst über die fantasievollen und bizarren Welten der Literaturvorlage gestülpt haben (die zwitschernden Vögel auf der länger werdenden Nase des lügenden Jungen haben Generationen geprägt), ist Garrones relative Treue zu dieser Vorlage nicht nur Ausdruck einer großen Liebe zu deren unverkennbar italienischer Note, sondern auch eine Möglichkeit, die dunkleren Töne des Märchens zu erforschen. Zwar verkneift sich der Filmemacher Kommentare zur italienischen Gegenwartspolitik, dennoch verortet er sein Märchen solide auf italienischem Boden, in italienischen Landschaften. Und er hält beinahe stoisch an konservativen Familien- und Erziehungsformen fest, die man eben aus einer 1881 veröffentlichten, pädagogisch motivierten Geschichte erwarten kann.

Das Potenzial für Träume und Albträume

Einige recht heftige Szenen und die von einem liebevollen, aber durchaus merkwürdig anmutenden Triumvirat aus Maske, Kostüm und Computereffekten erschaffenen Gestalten rund um die sprechende Grille, Kater und Fuchs oder Meister Geppetto geben dem Film gleichermaßen das Potenzial für Träume und Albträume. Da in naher Zukunft Adaptionen des Stoffes von Guillermo del Toro und Robert Zemeckis geplant sind, wird es spannend sein, wie sich Garrones Ansatz im Vergleich behauptet.

Im Kern macht Garrone einen Kinderfilm und auch einen Film, der mit bedingungslosem Glauben an die Magie der Welt die Wahrnehmung von Kindern evoziert. Roberto Benigni, der nicht nur aus der gleichen Region wie Pinocchio stammt, sondern vor zwei Jahrzehnten in seinem eigenen, etwas hilflosen Film („Roberto Benignis Pinocchio“) als Holzpuppe vor der Kamera stand, gibt hier Geppetto in schrulliger, aber auch tragischer Kauzigkeit, und fast würde man sich eine freudianische Komödie wünschen über diesen armen und einsamen Mann, der sich einen Sohn aus Holz schnitzt.

Aber Pinocchio hat so viel mehr zu bieten, und Garrone findet begleitet von einem mal zauberhaften, mal nervtötenden Gedudel Dario Marianellis ansprechende Bilder aus dem Bauch eines Meeresungeheuers, auf dem Wunderfeld oder im Paradies der Nichtstuerei. Man denkt an den Baron Münchhausen in der Verfilmung durch Karel Zeman („Baron Münchhausen“, 1961) oder an „Freaks“ von Tod Browning. Und in seinen besten Augenblicken gelingt es Garrone, die Fantasie zurück ins Kino zu holen. Insbesondere die hochkomische Sequenz um den affenartigen Richter, der die Unschuldigen verurteilt, zeigt, wie gelungen die merkwürdigen Eingriffe digitaler Technik mit einer genuinen Einbildungskraft harmonieren können.

Das technisch Machbare und die Suche nach einer verlorenen Zeit des Kinos

Warum aber „Pinocchio” heute? Neben der persönlichen Motivation seiner eigenen Vaterrolle spricht Garrone in Interviews vor allem über technische Möglichkeiten: Es wäre ihm ein Anliegen gewesen, neue Seherfahrungen zu ermöglichen. Blickt man in das computergenerierte Holzgesicht des von Federico Ielapi dargestellten Titelhelden, kann man sich wie oft im zeitgenössischen Kino, von Al Pacinos verjüngtem Gesicht in „The Irishman“ über Carrie Fishers seltsame Wiedererweckung von den Toten im letzten „Star Wars“-Film („Der Aufstieg Skywalkers“) bis zum traurigen Höhepunkt in „Cats“ einer gewissen Entfremdung nicht erwehren. Wenn der Junge am Ende in Fleisch und Blut vor einem steht, ist man einfach nur erleichtert, dass man kein animiertes Holz mehr sieht.

Die universelle und eigentlich immer gültige Relevanz der Menschwerdung und des verantwortungsvollen Umgangs mit dem Leben kann eigentlich auch kein Grund für das plötzliche Aufkommen dieses schon mehr als 30 Mal verfilmten Stoffes sein. Vielmehr sucht Garrone nach einer verlorenen Zeit des Kinos, er möchte wieder träumen und träumen lassen.

Die Puppen und die, die sie machen

Dass dabei auch einiges verschenkt wird, zeigt ein Vergleich mit dem 2020 erschienenen und für den Deutschen Buchpreis nominierten Roman „Herzfaden. Roman der Augsburger Puppenkiste“ von Thomas Hettche. Auch dort erwachen die Holzfiguren zum Leben, aber im Gegensatz zu Garrone legt der Autor seinen Fokus gleichermaßen auf die Welt der Kinderträume und die Welt jener, die sie ermöglichen. Derart erzählt Hettche auch vom Verschwinden einer Welt, eines Handwerks und wie der nie gestillte Durst nach Geheimnissen, Gefahren und Abenteuern diese wieder zum Leben erwecken kann. In „Pinocchio“ wird nur die Puppe lebendig, aber eben nicht als das Handwerk, das sie laut Erzählung ist. Um dieses im Kino zu würdigen, seien zum Beispiel die Puppenfilme Jiří Trnkas ans Herz gelegt.

„Pinocchio“ bleibt ein gelungener, wenn auch konventioneller Versuch eines Autoren des modernen europäischen Films, einen Familienfilm in die Kinos zu bringen.

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