„My Daddy loves the country, my Daddy loves the Lord. My Daddy loves Mama and he prayed for a boy. One to ride him around in the sad of this world. But Daddy got no cowboy, he got a cowgirl.“ Diesen Song, eine Co-Produktion von Peta Devlin und Thomas Wenzel, gibt es zum Abspann des Films von Anna Koch und Julia Lemke zu hören. Mancher erinnert sich vielleicht noch daran, dass Devlin und Wenzel um die Jahrtausendwende Teil der Hamburger „Alternative Country“-Band „Cow“ waren, die ihrer Liebe zu dieser Musik ohne die übliche Portion Ironie als „The Real Thing“ frönten. Dieser Hinweis ist ganz hilfreich, denn auch „Glitzer & Staub“ könnte vorschnell dem Verdikt zum Opfer fallen, allzu willfährig eine ideologiekritische Haltung zum Gezeigten einzunehmen. Denn diese Reise in die US-amerikanische Provinz mutet dem Zuschauer einiges zu.
Es ist ein ziemlicher Zufall, dass „Glitzer & Staub“ gleichzeitig mit „The Booksellers“ in den Kinos startet, doch plastischer ließe sich die Differenz zwischen den ländlichen und den urbanen Milieus in den USA kaum visualisieren. Dort ein Leben in prall gefüllten Bibliotheken mit Cervantes und Shakespeare, hier ein Dasein mit Pferden, Rindern und dem Vertrauen darauf, dass man es mit Gottes Segen in dieser kleinen Welt bis ganz nach oben schaffen kann – wenn es nur gelingt, „alle anderen Hurensöhne auszustechen“.
Trainieren mangels Alternativen
Die Filmemacherinnen Anna Koch und Julia Lemke werten nicht, sondern sammeln Impressionen aus dem Leben von vier Cowgirls im Alter zwischen 9 und 17 Jahren, die zwar aus unterschiedlichen Milieus stammen, aber allesamt davon träumen, im Rodeo- oder Bullenreiten bis an die Spitze zu gelangen.
Von den Eltern und Geschwistern unterstützt, wird trainiert und trainiert, immer auf den nächsten Wettkampf hin. Wenn die Kamera über die Landschaft schwenkt, beschleicht einen bisweilen fast der Verdacht, dass man im ländlichen Texas oder im Navajo-Reservat auch kaum etwas anderes tun kann. Die nächsten Städte scheinen fern, locken aber auch nicht. Eine kräftig gebaute Mutter, die selbst einmal mit dem Lasso sehr erfolgreich war, vergleicht den Kick, wenn man vom Pferd aus ein Kalb mit dem Lasso fängt, einmal mit der Drogensucht, die sie nur vom Hörensagen kennt. Wenn sie der „Outlaw Countrymusic“ lauscht, rollt schon mal eine Träne, wobei die Tochter lachen muss, weil der mit reaktionären Slogans arbeitende Sänger wie ein „Hippie“ aussieht.
Die beiden Navajo-Mädchen erzählen davon, dass ihr Bruder, der fürs Rodeo schwärmte, von Hunden totgebissen wurde. Das Rodeo ist seit jeher eine Männerdomäne, die die traditionellen Fertigkeiten der Cowboys zu einem Sport umdefiniert hat, wobei das Bullenreiten wohl als Königsdisziplin gilt, obwohl man sich dabei lediglich ein paar Sekunden lang auf dem Rücken eines manipulierten Tieres halten muss. Das ist eigentlich eine ziemlich alberne Sache, bringt den Machismo des Mittleren Westens der USA aber prägnant auf den Punkt.
Der Vater eines der Cowgirls lehnt es ab, mittelmäßige Bullen auf mittelmäßige Reiter loszulassen. Seine Bullen sind in der Szene gefürchtet. Das Publikum wolle schließlich „krasse Bullen und krasse Typen“ sehen. Im Nebenprogramm gebe es dann die Mädchendisziplinen zu bestaunen: Slalomreiten und Kälberfangen im aufgebrezelten Country-Oufit. Hier tragen Männer wie Jungen Stetson-Hüte und ein Cowgirl einen Gürtel mit der Botschaft „Never scared“.
Outlaws, die auf Gottes Segen bauen
Die Wohnungseinrichtungen der porträtierten Familien sind so schlicht und pragmatisch wie die Gemüter. Einmal wünscht sich ein Cowgirl, nicht länger eine Schule besuchen zu müssen, weil sie dort als Landei verlacht werde. Wozu Schule denn überhaupt gut sei? Darauf antwortet die Mutter: „Für die Bildung!“ Der Tochter hingegen würde es genügen, mit Hundewelpen zu schmusen, während sie aufs nächste Kälberfangen wartet.
Nach „Glitzer & Staub“ wundert jedenfalls nicht mehr, dass die USA so sind, wie sie sich aus europäischer Perspektive aktuell präsentieren. Outlaws, die auf Gottes Segen bauen, während sie versuchen, mit harter Arbeit nach oben zu kommen. Dort angekommen, so heißt es einmal, müsse man aber immer auf der Hut sein, dass einem dieser Platz nicht streitig gemacht werde.
Der „krasseste Bulle“ von allen, der dieses Ethos verkörpert, hat es bis ins Weiße Haus geschafft.
So mustergültig wie erschreckend „Glitzer & Staub“ die Geschichte von vier Mädchen, die Teil dieser Welt werden wollen, auch erzählt, so sehr irritiert es, dass der Film statt auf Untertitel auf ein Voice-over setzt. Dadurch büßt der Film atmosphärisch einiges ein. Immerhin gibt es im Gegenzug eine Art Happy End, wenn ein Mädchen nach dem ersten Rodeo erkennt, dass sie sich ihr Selbstwertgefühl lieber jenseits des Bullenrückens holt.