„Aus taktischen Gründen leisezutreten, hat sich immer noch als Fehler erwiesen“, ist so ein charakteristischer „Dohnal-Satz“. Klar, kompromisslos, auf den Punkt gebracht. Johanna Dohnal (1939-2010), die als Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen ihre politische Karriere begann und 1990 die erste Frauenministerin Österreichs wurde, ist auch von heute aus betrachtet eine beispiellose Figur. Eine Feministin in der Regierung hatte und hat es bisher weder in Österreich noch sonstwo gegeben. Ihr nachzufolgen, dafür bedarf es aber zunächst einmal des Wissens um ihre Existenz. Im Schulunterricht ist jedoch von Frauenpolitik nichts zu hören, und so ist Johanna Dohnal jüngeren Menschen kaum ein Begriff.
Sabine Derflingers Film „Die Dohnal – Frauenministerin/Feministin/Visionärin“ füllt diese Lücke in der Geschichtsschreibung, und er tut dies ganz im Sinne seiner Protagonistin mit dem Impetus des „Consciousness Raising“. Statt die Figur nur zu historisieren – und ihr damit museale Weihen zukommen zu lassen –, wird sie zum Gegenstand einer Gegenwartsdebatte. So hat Derflinger für ihren Film nicht nur Einzelinterviews mit Familienmitgliedern, ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitstreiterinnen wie auch Politikern geführt – darunter der Witwe, ihrer Tochter und Enkelin, ihrem Chauffeur, einer Pressefrau, aber auch mit dem damaligen Kanzler Franz Vranitzky – sondern auch verschiedene Gesprächsrunden initiiert, etwa mit Vertreterinnen der Sozialistischen Jugend Österreichs wie Julia Herr.
Frauenpolitik sei das „Bohren von extrem harten Brettern“, bemerkt die erste Frau an der Spitze der Organisation dazu treffend mit Blick auf das Jetzt. Es ist zu wünschen, dass „Die Dohnal“ auch hierzulande eine größere Öffentlichkeit findet. Man muss mit den Figuren des politischen Lebens Österreichs nicht bekannt sein, um seine Relevanz zu erkennen, das Thema ist universell und nach wie vor dringlich.
„Die Frauenfrage ist keine Frauenfrage“
Dass Dohnal 1979 von Bundeskanzler Bruno Kreisky zur Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen in die Bundesregierung berufen wurde, war eine europaweite Sensation. Widerstand gab es nicht nur außerparteilich, sondern auch in den eigenen Reihen. Mit ihren gerade mal vierzig Jahren stand Dohnal, die schon mit 17 in die SPÖ eingetreten und seitdem auf den verschiedensten Ebenen in der Gleichberechtigungspolitik aktiv war, auch für eine Generationenablöse. „Die Frauenfrage ist eine gesellschaftspolitische und nach meiner Auffassung keine Frauenfrage“, erklärte sie unmittelbar nach ihrer Ernennung. Mit dieser Überzeugung kämpfte sie im Gegenwind konservativer Kräfte für Gesetzesänderungen, die heute selbstverständlich sind.
Anfang der 1990er-Jahre wurden auf ihre Initiative elementare Frauenrechte wie die Beseitigung der Amtsvormundschaft bei ledigen Müttern, die strafrechtliche Gleichbehandlung von Vergewaltigungen in der Ehe wie außerhalb und das gesetzliche Verbot der sexuellen Belästigung gesetzlich festgeschrieben. Dohnal ging aber auch an die Fundamente der geschlechtlichen Sozialisation, wenn sie progressivere Darstellungen von Frauen und Männern in Kinderbüchern forderte – zum Beispiel Männer mit Schürze am Herd – oder sich dafür starkmachte, bei jungen Frauen für vermeintliche „Männerberufe“ zu werben. Im Zuge der konservativen Wende Mitte der 1990er-Jahre verlor ihre Position an Rückhalt. 1995 wurde sie von Franz Vranitzky gegen ihren Widerstand als Frauenministerin aus der Regierung entlassen. Sie zog sich aus der Berufspolitik zurück.
Blick auf das gesellschaftliche Klima der Zeit
Der Film erzählt Dohnals frauenpolitischen Kämpfe und die damit verbundenen Debatten zum großen Teil mit Bildern von TV-Sendungen wie „Club 2“ oder „Prisma“, ein TV-Magazin, das die Emanzipation der Frau thematisierte und wichtige Anstöße zur Frauenpolitik lieferte. Er wirft so einen Blick auf das gesellschaftliche Klima der Zeit und schreibt nebenbei auch ein Stück österreichische Fernsehgeschichte. An den Redebeiträgen der Talkshowgäste wie auch „normaler“ Menschen, die auf der Straße befragt werden, wird deutlich, in welch traditionelle Landschaft Dohnal ihre Überzeugungen hineintragen musste.
Traditionell war der Lebensweg der späteren Politikerin in seinen Anfangsjahren selbst. 1939 in bescheidene Verhältnisse hineingeboren und vaterlos aufgewachsen, begann sie eine Ausbildung zur Industriekauffrau und heiratete früh. Die Benachteiligungen als arbeitende Mutter erfuhr sie am eigenen Leib, nach dem zweiten Kind wurde ihr gekündigt. Ihre lesbische Identität lebte sie erst, als ihre Ehe am Ende war; dass sie mit der Parteigenossin Annemarie Aufreiter zusammen war, verbarg sie nicht, ein offenes Bekenntnis gab sie dennoch nie ab, was ihr von feministischer Seite verschiedentlich vorgeworfen wurde. Dohnal war trotz ihrer Radikalität immer auch Pragmatikerin. „Es war schlicht in der SPÖ nicht denkbar. Punkt“, meint dazu Aufreiter.
Dass Dohnal bei all ihrer Integrität und Glaubwürdigkeit natürlich auch immer eine Rolle spielen musste, zeigt auch ein tolles Foto, das die Fotografin Elfie Semotan von ihr gemacht hat. Die „private“ Person, die hier im Anzug und mit Zigarette im Mund zu sehen ist, strahlt eine Lässigkeit und Coolness aus, auch ein Sich-Wohlfühlen mit sich selbst, das in den öffentlichen Auftritten so nicht zu finden ist.