Es ist schon verrückt mit diesen Flüchen. Da treibt man lediglich einen vermeintlich harmlosen Schabernack mit einer x-beliebigen Landhexe – und schon hat man es sich mit einer mächtigen Fee verscherzt. Dass diese mit einem schrecklichen Zauberfluch reagiert, ist eigentlich nur konsequent. Und schwuppdiwupp sind der selbstverliebte Merlin und seine sechs feschen Buddys kleine grüne Ungetüme, die zu ihrer attraktiven Pracht nur dann wieder heranwachsen können, wenn sie von einer schönen Frau aus reiner Liebe und Zuneigung geküsst werden.
Was eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit ist. Doch just während das eine Unglück im Königreich seinen Lauf nimmt, borgt sich andernorts Schneewittchen die gerade am Zauberbaum gewachsenen Schuhe und verwandelt sich ungewollt vom stattlichen Pummelchen in eine grazile Prinzessinnen-Schönheit. Das zieht ihr den Ärger der bösen Stiefmutter-Königin zu, die ihre schwindende Attraktivität just mit diesem Paar Schuhe zu erhalten hoffte.
Eine vertrackte Lage
Die Waffen der Königin sind pure Boshaftigkeit, gepaart mit Rache, der Macht der Flüche sowie einem Zauberspiegel. Und so steht Schneewittchen aka Rotschühchen plötzlich ohne ihren Vater plus Anverwandte da. Auf der Suche nach ihnen flüchtet sie vom Schloss, wird von der königlichen Garde gejagt und stößt dabei auf die verzauberte Truppe ehemaliger Schönlinge.
Es könnte so schnell gehen mit der Liebe. Doch obwohl sich Rotschühchen und Merlin ganz gut ergänzen und sich gegenseitig aus mancher vermeintlich unentrinnbaren Patsche retten, will es zwischen beiden nicht so recht funken. Die eine glaubt, dass sie in Wahrheit gar keine begehrenswerte Schönheit ist, und der andere denkt, dass er selbst augenblicklich so gar nichts hermache. Eine vertrackte Lage, denn so kommt es aus entgegengesetzten Gründen nicht zum ersehnten Kuss. Und selbst dann würde der ja nichts nützen, weil Rotschühchen nicht die Kriterien der hässlichen Fee erfüllt, denn im Kern ist Schneewittchen nun mal keine Schönheit.
Es geht ums Miteinander von Männern und Frauen
Es ist schon verrückt mit diesen Flüchen, müssen sie im Märchenfilm doch binnen Filmes Frist gebannt werden, damit das Happy End seine Wirkung entfalten kann. Doch „Rotschühchen und die sieben Zwerge“ gehört nicht zu der Art von Filmen, die es den Charakteren und dem Publikum einfach machen würden. Der koreanische Animationsfilm von Sung-ho Hong verlässt für eine spitze Pointe schon mal die Komfortzone der Vorhersagbarkeit. Das macht auch älteren Zuschauern Spaß, da es der Film nicht allein auf Action, Slapstick und anzügliche Pointen abgesehen hat.
Auch wenn man „Rotschühchen und die sieben Zwerge“ nicht ganz als „sophisticated comedy“ adeln will, arbeiten die Charaktere doch gekonnt gegen die vorherrschenden (Gender-)Stereotypen an, wie der Film generell durch sein gekonntes Timing aus Dialog und Action für sich einnimmt, weshalb hinter dem unterhaltsamen Märchenplot fundamentale Fragen des Miteinanders von Männern und Frauen sichtbar werden.
Schönheit ist relativ, und innere Werte sind (zum Überleben) mitunter viel wichtiger. Das sind zwar gängige Postulate, die im wahren (Beziehungs-)Leben oft eine nachgeordnete Rolle spielen; doch selten hat man sie unverkrampfter und amüsanter präsentiert bekommen als in dieser kurzweiligen Produktion.
Der visuell mit US-amerikanischen Major-Produktionen wie „Küss den Frosch“ oder „Shrek“ konkurrierende CGI-Trickfilm kann insbesondere in den Actionsequenzen nicht ganz so furios auftrumpfen, hält sonst aber wacker mit. „Rotschühchen und die sieben Zwerge“ ist zwar kein emotionales oder gestalterisches Trickfilmwunder wie etwa die jüngsten Animes aus dem Hause Ghibli („Die rote Schildkröte“) oder Toho („Your Name“), hinterlässt aber dennoch das wohlige Gefühl, weit über Niveau unterhalten worden zu sein.