The Report
Drama | USA 2019 | 120 Minuten
Regie: Scott Z. Burns
Filmdaten
- Originaltitel
- THE REPORT
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2019
- Produktionsfirma
- Topic Studios/Margin of Error/Unbranded Pict./Vice Media
- Regie
- Scott Z. Burns
- Buch
- Scott Z. Burns
- Kamera
- Eigil Bryld
- Musik
- David Wingo
- Schnitt
- Greg O'Bryant
- Darsteller
- Adam Driver (Daniel J. Jones) · Annette Bening (Senator Dianne Feinstein) · Jon Hamm (Denis McDonough) · Jennifer Morrison (Caroline Krass) · Tim Blake Nelson (Raymond Nathan)
- Länge
- 120 Minuten
- Kinostart
- 07.11.2019
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Drama | Thriller
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Hochspannendes Doku-Drama um die Aufdeckung der illegalen Folterpraktiken des US-Geheimdienstes im Zuge der Anti-Terror-Politik nach den Anschlägen auf das World Trade Center, die ohne den Mut und die große Beharrlichkeit des ermittelnden US-Beamten Daniel J. Jones kaum möglich gewesen wäre.
Glaswände umfassen einen Raum, in dem ein Mann verhört und in die Enge getrieben wird. Es scheint für ihn keinerlei Rückzugsmöglichkeiten zu geben, auch wenn er seine Unschuld beteuert. Seit fünf Jahren ist er in etwas verstrickt, das ihm jede weitere Beziehung zur Welt unmöglich macht. Doch der junge Daniel J. Jones (Adam Driver) ist kein Häftling oder Krimineller, sondern ein Mitarbeiter des US-Senats, der für den Geheimdienstausschuss eine Untersuchung leitet. Er soll die Folterpraktiken der CIA nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in einem Bericht aufarbeiten. Sein Beharren auf der Wahrheit der Fakten, mit denen er konfrontiert war, könnte ihn jedoch selbst für über 20 Jahre ins Gefängnis bringen.
In den ersten Szenen des hochspannenden Doku-Dramas „The Report“ von Scott Z. Burns wird nicht nur deutlich, wie viel politisch auf dem Spiel steht, sondern auch, was die Folgen von Folter für eine Gesellschaft sind: Sie zerstört die Möglichkeit einer verbindlichen Wirklichkeit und verdreht die Beziehung zwischen Täter und Opfer.
Die Verbindlichkeit von Fakten
Im Zuge der präventiven Anti-Terror-Politik der US-Regierung unter George W. Bush wurden in geheimen Gefängnissen und in dem Lager Guantanamo Menschen gefoltert, die unter dem Verdacht standen, Anschläge gegen die USA geplant oder davon gewusst zu haben. Der Einsatz sogenannter „Enhanced Interrogation Techniques“ sollte rückwirkend durch die vermeintlichen Erfolge bei der Informationsgewinnung im Krieg gegen den Terror legitimiert werden. Doch seit dem Jones-Bericht, der im Jahr 2014 in gekürzter und großteils geschwärzter Fassung an die Öffentlichkeit gelangte, weiß man, dass dies Lügen sind. Keine einzige unter Folter erpresste Aussage hat zu einem investigativen Ergebnis für die CIA geführt. Es stellt sich also die Frage, warum diese Menschenrechtsverletzungen gebilligt wurden und bis heute zu keiner Verurteilung geführt haben.
„The Report“ setzt die Zuschauer über die komplexen politischen Zusammenhänge der USA nach „9/11“ ins Bild und greift dabei nicht auf die üblichen Methoden des Politthrillers zurück. Seine Spannung entwickelt der Film vielmehr aus der Aufrichtigkeit der Figuren, nicht aus Szenarien der Aufdeckung von Geheimnissen oder des Wettlaufs gegen die Zeit. Das besitzt überdies eine ethische Implikation, denn genau diese Thriller-Elemente spielen der Rechtfertigung von Folter in die Hände, wie sie etwa in den acht Staffeln der umstrittenen Fernsehserie „24“ (2001-2010) durchexerziert wurde.
Demokratische Dialoge
Adam Driver ist mit seinem zurückgenommenen, sensiblen Spiel ein Glücksfall für den Film. Seine Figur bringt etwas zum Ausdruck, das im aktuellen politischen Klima dringend notwendig wäre: Die Rückbesinnung auf die Verbindlichkeit von Fakten, die sich auch als moralische Verpflichtung gegenüber der Demokratie und zu gemeinsamen Werten versteht. Was sich Jones entgegenstellt, ist hingegen eine Skrupellosigkeit, die um des eigenen Vorteils willen immer wieder mit Wahrheitsverdrehung und psychischer Manipulation arbeitet.
Beide Haltungen werden in „The Report“ durch zwei kontrapunktische Zeitachsen verdeutlicht. Die erste beginnt mit Jones’ Bereitschaft, als Zeuge des staatlichen Unrechts aufzutreten. Die zweite folgt, ausgehend von den Anschlägen am 11. September 2001, dem Trauma und der Gewalt. Häufig werden Bild und Ton asynchron montiert, was den Zuschauer dazu anhält, sich darauf zu konzentrieren, wer gerade spricht. Über diese dialogische Ebene wird deutlich, was die Demokratie zerstört. Annette Bening kommt dabei als Senatorin Dianne Feinstein eine entscheidende Rolle zu. Als Vorgesetzte von Jones ist sie konstant im Gespräch mit ihm und verstärkt durch ihre Rückversicherung wie ein Echo seine Untersuchungsergebnisse. Feinsteins moralische Strenge ist durch ihre einflussreiche Position nicht ganz frei von den taktischen Notwendigkeiten der Politik. Aber sie findet im Laufe des Films immer wieder deutliche Worte, um ihre Kollegen mit dem zu konfrontieren, was auch für die Obama-Regierung nicht opportun ist.
Rechtsfreie Räume
In einer eindringlichen Szene sieht man Jones nachts im Auto mit einem Journalisten der New York Times. Der erschreckende Gegenwind, dem er sich mit seinem fast 7000 Seiten langen Bericht intern ausgesetzt sieht, lässt ihn darüber nachdenken, zum Whistleblower zu werden. Nach schwierigem Abwägen entscheidet er sich schließlich dagegen. Er weiß, dass er damit den Glauben an die Verbindlichkeit des Rechts und die demokratischen Institutionen aufgeben würde. Seine Loyalität ist jedoch nie der Autorität als solcher verpflichtet, sondern dem sozialen Zusammenhang, für den das Gesetz einsteht.
Schon zu Beginn seiner Untersuchung bemerkt Jones gegenüber einem CIA-Mann, dass er Papier und Drucker brauche, was dieser ihm zunächst verweigert. Doch das Recht lässt sich ohne Dokumente nicht fixieren, und sein Beharren auf dem Büromaterial führt am Ende eine entscheidende Wendung herbei.
Die CIA-interne Vermeidung von Spuren durch Schriftverkehr steht ebenfalls im Zusammenhang mit der vom Geheimdienst praktizierten „sauberen Folter“. Mit Hilfe von Anwälten prüft die Behörde, wie man schwere Gewalt anwenden kann, ohne dafür haftbar gemacht zu werden.
Erlernte Hilflosigkeit
In den Rückblenden werden immer wieder Häftlinge gezeigt, die diesen menschenverachtenden „Enhanced Interrogation Techniques“ ausgesetzt waren. Entwickelt wurden sie von skrupellosen Verhaltenspsychologen mit dem Ziel, einen Menschen psychisch komplett zu brechen, indem man seine Wahrnehmung und sein Vertrauen in die Welt zerstört. Schlafentzug durch Dauerbeschallung mit aggressiver Musik oder das tagelange Verharren in körperlichen Stresspositionen hinterlässt keine sichtbaren Spuren am Körper, hat jedoch irreparable Folgen für die Psyche. Auch das berüchtigte „Waterboarding“, das einer anhaltenden Todeserfahrung durch Ertrinken nahekommt, zählt zu diesen „Techniken“.
In „The Report“ sieht man weibliche CIA-Agentinnen im Bann der von ihnen angeordneten Gewalt. Anders als in Kathryn Bigelows „Zero Dark Thirty“ wird durch die Montage der Folterszenen hier aber eine deutlich andere Haltung markiert. Während Jessica Chastain in der Rolle als Bin-Laden-Jägerin immer wieder in Großaufnahme zu sehen ist, wie sie in unheimlicher Faszination auf Bildschirme starrt, die grausame Verhöre zeigen, wird den Agentinnen in „The Report“ dieser Raum nicht gegeben. Man sieht sie von hinten im Zwielicht als Silhouetten auf das Geschehen blickend; die Großaufnahme ist denen vorbehalten, die Betroffenheit und Skrupel zum Ausdruck bringen.
Die Verhöre werden durch häufige Schnitte analytisch betrachtet und verlieren nie den Bezug auf einen Blick von außen, machen sich also nicht zum Komplizen der Gewalt. Während seiner Ermittlungen sieht Jones einmal sogar einen Filmtrailer des gerade in den Kinos anlaufenden „Zero Dark Thirty“ und wird so geradezu zum Antipoden der Hauptfigur in Bigelows Film. Die Kritik von Scott Z. Burns richtet sich dabei vor allem auf die erzählerische Form von „Zero Dark Thirty“, die ganz im Sinne der CIA eine direkte Verbindung zwischen vermeintlich effektiver Folter und der Ergreifung Bin Ladens behauptet.
Gegen eine Politik der Affekte
Adam Driver wird in seiner Rolle als Daniel Jones nicht über eine ausgestellte Männlichkeit zum Träger des Films, sondern durch eine sichtbare Betroffenheit. Seine Blicke auf die Bildschirme, die einen großen Teil des Films ausmachen, sind ein Ankerpunkt des ethischen Zweifels und der moralischen Integrität. Nur ein einziges Mal sieht man ihn von hinten im Halbdunkel, als er unter der Belastung seiner Auseinandersetzung mit der Folter selbst im Sog der Gewalt zu verschwinden droht. Doch „The Report“ versteht sich durchaus als didaktischer Film im besten Sinne, wenn er genau das nicht zulässt und Jones als eine Figur der Rechtschaffenheit zeichnet. Scott Z. Burns inszeniert nicht bloß eine kritische Rückschau, sondern fordert eine Revision des politischen Status quo. Nicht umsonst endet „The Report“ mit einem beachtenswerten Zitat von George Washington.
„Fake News“ und die zunehmende Privilegierung von Affekten gegenüber Reflexion und Dialog sind nicht erst seit der Präsidentschaft von Donald Trump eine Gefahr für die Demokratie. Das macht „The Report“ mehr als deutlich. Im Gegenzug formuliert der Film ein Plädoyer für eine neue Räson im Politischen, die ihre Verpflichtung gegenüber der Wahrheit nicht aufgibt.