Anima
Musikfilm | USA 2019 | 15 Minuten
Regie: Paul Thomas Anderson
Filmdaten
- Originaltitel
- ANIMA
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2019
- Produktionsfirma
- PASTEL
- Regie
- Paul Thomas Anderson
- Kamera
- Darius Khondji
- Musik
- Thom Yorke · Nigel Godrich
- Schnitt
- Andy Jurgensen
- Darsteller
- Thom Yorke · Dajana Roncione
- Länge
- 15 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Musikfilm
Kurzfilmprojekt des US-Regisseurs Paul Thomas Anderson und des „Radiohead“-Sängers Thom Yorke anlässlich der Veröffentlichung von Yorkes gleichnamigem Soloalbum.
Der Musiker Thom Yorke und der Filmemacher Paul Thomas Anderson haben ein Gespür für die Vereinsamung und Verwirrung, die Menschen befallen kann. Davon zeugen Yorkes Gesang im sphärisch-düsteren Werk der britischen Prog-Rock-Band Radiohead, aber auch die Filme des US-Regisseurs, allesamt erschütternde Porträts gequälter Seelen. Radiohead-Gitarrist Johnny Greenwood hat Andersons Filme „There Will be Blood“, „The Master“ und „Der seidene Faden“ mit beunruhigenden Gitarrenriffs und unheimlichen Streicherklängen unterlegt. Jetzt ist es an Thom Yorke, den „short musical film“ „Anima“ mit den Klängen seines zeitgleich erscheinenden Albums zu füllen, das als „dystopisch“ angekündigt ist.
Dazu passt, dass Radiohead kürzlich eine Reihe alter Demo-Bändern aus der Zeit ihres Studioalbums „OK Computer“ (1997) zum Verkauf gestellt haben, als diese geklaut und veröffentlicht wurden. Der Erlös soll den Klimaaktivisten von „Extinction Rebellion“ (XR) zu Gute kommen, die gegen das politische Verstummen angesichts von Artensterben und Klimakatastrophe kämpfen.
„Who are these people?“
Der „Anima“-Titel des gemeinsam mit Anderson entwickelten 15-minütigen „One-reelers“ (ein Film, der auf eine Filmrolle passt und in der Stummfilmzeit beliebt war) und des gleichnamigen Albums verwundert deshalb wenig: menschliche Seele, Atem, Lebenskraft, Geist – was von fern jene Stimmung des Untergangs und der Technik-Angst anklingen lässt, die in beider Werk schon immer mitschwangen und jetzt unübersehbar und vor allem unüberhörbar wird.
„Anima“ beginnt ganz technokratisch im Tunnel einer U-Bahn, in der die schlafenden Reisenden in gewebten Blaumänner-Uniformen hin und her wogen. In rasanter Taktung des Songs „Not the News“ wechseln sie abrupt die Kopf-Hand-Schlafpositionen zu den elektronisch verzerrten Synthesizer-Klängen. „Who are these people?“, singt Yorke, die jeder für sich und doch in erdrückender Konformität einer tiefen Erschöpfung preisgegeben scheinen. Ein Blickkontakt des Sängers mit einer dunkelhaarigen Schönen (Dajana Roncione) durchbricht die Anonymität. Ein kleiner schwarzer Koffer reißt ihn aus dem Alltagstrott, der die abgehackt-aggressive Unruhe einer Zombie-Horde ausstrahlt.
Traum-Romanze im (Alp-)Traum-Gefühl
Yorke wirft, kämpft, arbeitet sich gegen den Strom eines an Pina Bausch erinnernden Tanztheaters, um der unbekannten Frau zu folgen. Und wird immer wieder zum Rädchen der treibenden Choreografie: ein wie eine Maschine ratterndes Kollektiv, das sich auf abgeschrägten Böden, durch beige-monumentale Untergrund-Bauten und die Gassen von Prag und Les Baux-de-Provence in Südfrankreich windet.
Bis auf die zwei malerischen Drehorte sind die Kulissen handgemacht. Die nächtlichen Bühnen gewinnen mit ihrem Spiel aus Licht, Schatten und Hintergrundprojektionen eine eigentümliche Anziehungskraft – und strahlen auch sehr viel Romantik aus. Denn die Möglichkeit des Ausscherens, von Individualität und inneren Ruhe, ist nur in der Zweisamkeit zu finden, und das auch nur kurz.
„Anima“ findet inmitten verfremdeter Keyboard-Klänge des Tracks „Dawn Chorus“ zu einer so tröstlichen wie berührenden Traum-Romanze im (Alp-)Traum-Gefühl – irgendwo zwischen Erwachen, Resignation und Aufstand. Andersons Bilder-Visionen gehen Hand in Hand mit dem traurig verlorenen Gesang von Yorke. Und bilden damit eine beschwörende Symbiose von Bild, Ton und Tanz, die dem Kurzfilm eine Seele einzuhauchen vermag.