Un café sans musique c'est rare à Paris

Drama | Deutschland/Frankreich 2016 | 107 Minuten

Regie: Johanna Pauline Maier

Eine junge Frau strandet in Paris und wird binnen dreier Tage mit unterschiedlichsten Rollenanforderungen als Geliebte, Mutter, Tochter, Haushälterin und Repräsentantin ihrer Generation konfrontiert. Der ausgesprochen theaterhafte Film entwirft im Spiel mit widersprüchlich-widerstreitenden Erwartungen, Identitäten und Projektionen ein komplexes Gesellschaftspanorama, in dem sich die verschärfte Krisenerfahrung der Gegenwart spiegelt. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland/Frankreich
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Münchner Filmwerkstatt/Constellation Factory/HFF Hochschule für Fernsehen und Film München
Regie
Johanna Pauline Maier
Buch
Peter Jung · Johanna Pauline Maier
Kamera
Sarah Blum
Musik
Johanna Pauline Maier
Schnitt
Johanna Pauline Maier
Darsteller
Jutta Wernicke (Lotte) · Rainer Sievert (Walter) · Nirina Moinet-Sievert (Marie) · Pierre Mignard (Eric) · Claudie Decultis (Stéphanie)
Länge
107 Minuten
Kinostart
18.07.2019
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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Eine junge Frau strandet in Paris und wird binnen dreier Tage mit unterschiedlichsten Rollenanforderungen als Geliebte, Mutter, Tochter, Haushälterin und Repräsentantin ihrer Generation konfrontiert.

Diskussion

Anna hat sich verloren. Jetzt ist sie in Paris gelandet, wo Sartre einst „seine Happenings“ startete. Fürs Erste steigt sie in einem billigen Hotel ab, wo die Wände so dünn sind, dass für hinreichend Unterhaltung gesorgt ist. Vor dem Einschlafen blättert Anna nachdenklich in einem Kunstband und bleibt bei Watteaus Gemälde „Einschiffung nach Kythera“ hängen, bei dem nicht klar ist, ob es Aufbruch oder Abschied thematisiert.

Nach dem Aufwachen stellt sie fest, dass sie komplett ausgeraubt wurde. Sie kann sich zwar Kleider borgen, wird an der Rezeption des Hotels aber schlicht ignoriert. Dafür spricht sie auf der Straße ein deutsches Paar als „Hannah“ an, das mit ihr verabredet sein will und vorgibt, „alles“ von ihr zu wissen.

Annas Widerstand gegen diese Übergriffigkeit ist erstaunlich moderat. Als sie sich des permanent zankenden Paares endlich entledigt hat – zuvor wird ihr noch die Biografie der erfolgreichen, aber getrennt lebenden jungen Frau angehängt -, trifft sie in einer Bar Eric, einen zutiefst neurotischen Mann, mit dem sie dennoch die Nacht verbringt.

Ein freudloser One-Night-Stand

Was als freudloser One-Night-Stand beginnt, führt am folgenden Morgen zu der Überraschung, dass Anna und Eric offensichtlich nicht nur eine langjährige und mittlerweile krisenhafte Beziehung führen, sondern auch eine gemeinsame Tochter namens Marie haben. Mit der muss Anna nun den Tag verbringen und sich immer wieder verbitten, in die Mutterrolle gedrängt zu werden.

In der Abenddämmerung treffen Anna und Marie in einem Park auf ein älteres Paar, das die beiden schon erwartet hat. Der ältere Herr, der es sich in der Natur bequem gemacht hat, gibt sich als Annas Vater aus. Als Intellektueller alten Schlages fordert er von der jungen Generation die Revolte gegen die herrschenden neoliberalen Verhältnisse.

Vom Park geht es mit Marie in eine Wohnung, in der die beiden essen, Musik hören, fernsehen. Als Anna Marie ins Bett gebracht hat, wird sie im Wohnzimmer von Maries erschöpfter Mutter erwartet, die mit ihrem Schicksal als alleinerziehende Mutter hadert.

Das Gefühl, normal zu sein

Am Ende des dritten Tages landet Anna schließlich in der Wohnung einer älteren Dame, die, umgeben von Kunst, Büchern und Alkohol, gewissermaßen die hedonistische Gegenposition zum Intellektuellen im Park bezieht. Die Auseinandersetzung kreist darum, inwieweit man im Leben eine Wahl hat.

Nach dieser Begegnung endet das stark dialoglastige Stationendrama schließlich kaum überraschend mit einer Vervielfältigung der passiven Protagonistin und einer Verabredung mit einem flüchtigen Bekannten in einem Café, in dem keine Musik gespielt wird, was in Paris eher selten sei. Anna ist guter Dinge, denn sie hat zum ersten Mal das merkwürdige Gefühl, normal zu sein.

„Un café sans musique c’est rare á Paris“, der Abschlussfilm von Johanna Pauline Maier, verfügt über ausgesprochen theaterhafte Momente, die auch durch die surrealen Einschüsse der wechselnden Begegnungen nicht aufgebrochen werden. Abgesehen von der Schlusssequenz, in der sich mehrere Annas gegenübertreten, könnten die statischen Tableaus durchaus auch eine verfilmte Theaterinszenierung sein.

Das also bin ich?

Während Anna also mit unterschiedlichen Rollenanforderungen als erfolgreiche und emanzipierte Frau, als Geliebte, als Mutter, als Tochter, als Haushälterin und als Generationsrepräsentantin von einem jeweiligen Gegenüber konfrontiert wird, das seinerseits einen Fächer von Rollen verkörpert, endet diese Drift durch Paris mit der Einsicht: „Das also bin ich.“ Wobei es sich dabei auch nur um einen flüchtigen Eindruck handeln könnte.

In der Vielzahl unterschiedlicher und widersprüchlicher Rollen, Erwartungen und Projektionen entwirft der Low-Budget-Film ein durchaus komplexes Gesellschaftspanorama vor dem Hintergrund einer verschärften Krisenerfahrung, die den Film in der Form einer Teichoskopie atmosphärisch unterfüttert.

Während Anna und ihre Mit-Spieler sich auf das Identitäten-Karussell begeben, irrlichtern im Hintergrund Gerüchte von gewalttätigen Demonstrationen, „Kriegsgemetzeln“ und vielleicht sogar einer atomaren Katastrophe. Wer sich auf die spröde Erzählweise des Films einzulassen versteht, wird einiges entdecken können. Nur, wo das titelgebende Café zu finden ist, bleibt ein Geheimnis.

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