Francisco Boix - Der Fotograf von Mauthausen
Biopic | Spanien 2018 | 110 Minuten
Regie: Mar Targarona
Filmdaten
- Originaltitel
- EL FOTÓGRAFO DE MAUTHAUSEN
- Produktionsland
- Spanien
- Produktionsjahr
- 2018
- Produktionsfirma
- FilmTeam/ICEC/ICAA/RTVE/Rodar y Rodar/Televisió de Catalunya/We Produce 2017
- Regie
- Mar Targarona
- Buch
- Roger Danès · Alfred Pérez Fargas
- Kamera
- Aitor Mantxola
- Musik
- Diego Navarro
- Schnitt
- José Luis Romeu
- Darsteller
- Mario Casas (Francesc Boix) · Richard van Weyden (Paul Ricken) · Alain Hernández (Valbuena) · Adrià Salazar (Anselmo) · Eduard Buch (Fonseca)
- Länge
- 110 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Biopic | Drama | Historienfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Biografischer Film über den Fotografen Francisco Boix (1920-1951), der bei den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen zum wichtigen Zeugen wurde, weil er Bildmaterial der SS über das Leben im KZ sicherstellte.
Neue Häftlinge wanken auf das schwere steinerne Tor zu, dessen oberes Teil der große Adler mit dem Hakenkreuz ziert. Ein Mann hinkt, er hat das halbe Bein verloren. Sein Sohn bleibt eng bei ihm, aber im Lager werden sie getrennt. Alltag in Mauthausen. Die Stimme eines jungen Mannes kommentiert aus dem Off: „In Mauthausen ist alles dafür gemacht, um uns zu beeindrucken...“ An der Spitze die Hauptakteure des Lagers, Franz Ziereis (Stefan Weinert), der Kommandant, und Paul Ricken (Richard van Weyden), der mit seiner Leica den Alltag im Lager dokumentiert. Dann gibt es die Kaste der brutalen Kapos und schließlich zahlreiche Spanier, unter ihnen der Erzähler: Francesc bzw. Francisco Boix (Mario Casas) aus Barcelona, aus der Hölle des Spanischen Bürgerkrieges in die Hölle des Exils geflüchtet und von den Nazis nach Oberösterreich ins KZ deportiert. Hier hat er eine privilegierte Position: Als „Franz der Spanier“ arbeitet er als Assistent für den Lagerfotografen.
Mar Targarona, eine spanische Produzentin und Regisseurin, greift in ihrem Film eine reale Geschichte auf: 7000 Spanier, die nach dem Sieg Francos ihre Heimat verließen und sich nach der Besetzung Frankreichs durch die Wehrmacht der Résistance angeschlossen hatten, kamen in das deutsche Konzentrationslager Mauthausen. Hier trugen sie den blauen Winkel der Staatenlosen mit einem aufgenähten „S“ für „Spanier“ – das faschistische Franco-Regime hatte ihnen die Staatsbürgerschaft entzogen. Im Zentrum des Films steht die Anpassungsfähigkeit von Francesc Boix, seine Fähigkeit, den Kopf immer wieder aus der Schlinge zu ziehen, seine ambivalente Beziehung zu Ricken, dem kulturbesessenen Nazi und Salon-Nihilisten. Dabei überrascht die Darstellungskraft von Hauptdarsteller Mario Casas, einem Star spanischer Teenager, der bisher durch Blockbuster und Fernsehserien populär wurde.
Dokumente des Terrors
Ricken fotografiert alles: die Toten im Stacheldraht, die Gräber und den Besuch hoher Naziführer wie Himmler und Kaltenbrunner. Als die Alliierten immer näher rücken, beschließt die SS, die Fotos zu vernichten. Aber Boix gelingt es, sie zu verstecken – als Beweismaterial für die NS-Verbrechen. Der Regisseurin gelingt eindrucksvoll die Inszenierung dieses brutalen Lageralltags mit seinen offenen und verdeckten Hierarchien, der Macht der Kapos, aber auch dem geheimen Widerstand der kommunistischen Partei, deren Vertreter in den Bürostuben unter Lebensgefahr Listen manipulieren, um ihren extrem gefährdeten Genossen die Identität von Toten zu geben. Ein gefährlicher und unberechenbarer Alltag, in dem sich stupide Routine mit grotesken und lebensgefährlichen Momenten vermischt: Wenn der Lagerleiter zu Ehren seines Sohnes einen großen Kindergeburtstag organisiert, dort einen großen Teil der Häftlinge als Kellner und Küchengehilfen arbeiten lässt – und dann das Geburtstagskind dazu bringt, einige von Ihnen zu erschießen. Oder wenn die Häftlinge eine burleske, fast surreale Travestie-Schau als Lagertheater in ihrer Häftlingsbaracke inszenieren, damit ein Mithäftling mit den Negativen flüchten kann.
Am Schluss bricht die perfekte Tötungsmaschine zusammen; beim ersten Versuch, einen flüchtigen Häftling zu erhängen, reißt der Strick. Auf den langen Reigen von Todesangst und endlosen Morden folgen emblematische Szenen der Befreiung, wenn die Häftlinge den Hakenkreuzadler vom Tor herunterreißen und ein Transparent in spanischer Sprache die Befreier begrüßt. Und vor allem, wenn Boix Ricken die Kamera wegnimmt, um nun selbst Fotos zu machen.
Ein Denkmal für die Vergessenen
Das Ereignis, für das Boix weltbekannt wurde, sein Auftritt bei den Nürnberger Prozessen, ist am Ende nur noch kurz in einer Wochenschauaufnahme zu sehen. Zum Nachspann werden dann noch einmal die Fotos gezeigt, für die er und andere ihr Leben riskierten, jene Fotos, die der „Fotograf von Mauthausen“ während der Befreiung des Lagers machte.
Mar Targarona geht also nicht wie Steven Spielberg am Schluss von „Schindlers Liste“ in die Gegenwart, sondern zeigt Schwarz-Weiß-Dokumente der Vergangenheit. Denn für Boix und viele andere Spanier war die Befreiung aus dem Lager kein Happy End: Der Fotograf starb sechs Jahre später, im Juli 1951, an den Folgen der Konzentrationslagerhaft in Paris. In Deutschland, Österreich und auch in Spanien ist die Geschichte der Franco-Gegner in den deutschen Lagern kaum bekannt, ihre Odyssee nach Kriegsende auch nicht. Taragonas Film ist ein Versuch, den Vergessenen ein Denkmal zu setzen.