Yves' Versprechen
Dokumentarfilm | Deutschland 2017 | 82 Minuten
Regie: Melanie Gärtner
Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2017
- Produktionsfirma
- Stoked Film
- Regie
- Melanie Gärtner
- Buch
- Melanie Gärtner
- Kamera
- Pola Sell · Melanie Gärtner
- Musik
- Ludwig Kuckartz
- Schnitt
- Christine Niehoff · Mirja Gerle
- Länge
- 82 Minuten
- Kinostart
- 24.01.2019
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Ein Mann aus Kamerun will in Europa sein Glück versuchen, wird aber abgeschoben und hofft auf eine zweite Chance. Seine Angehörigen hören jahrelang nichts von ihm, bis die Dokumentaristin Melanie Gärtner Videobotschaften des Migranten in seine Heimat transportiert.
Jeder kennt die Bilder maroder Schiffe oder Schlauchboote, mit denen sich Menschen vom afrikanischen Kontinent aus auf die gefährliche Überfahrt nach Europa begeben. Bekannt sind auch die Aufnahmen von Asylsuchenden, die die Grenzzäune der spanischen Exklave Ceuta überwinden wollen. Es sind meist Gruppenbilder, Massenszenen, die, je nach politisch-moralischer Disposition, Mitgefühl, Solidarität, Hilfswillen oder auch Angst vor dem „Fremden“, Ablehnung und Hass auslösen. Seltener kommt es vor, dass Dokumentaristen aus den Gruppenbildern ein Einzelschicksal herausarbeiten, nach individuellen Motiven, Wegen und Irrwegen fragen und dem Menschen, der sich auf diese Odyssee gemacht hat, einen Namen und eine Geschichte geben.
Die Dokumentaristin Melanie Gärtner unternimmt in „Yves’ Versprechen“ einen solchen Versuch. Ihre Hauptfigur, ein junger Mann, hat vor acht Jahren sein Heimatland Kamerun verlassen. Seine Tochter war dort vergewaltigt worden, der Täter aber wurde nicht belangt, sondern hatte sich der korrupten Strukturen in der Justiz bedient und freigekauft. Yves dagegen, der sich wehrte, war seines Lebens nicht mehr sicher. Dies bewog ihn zum Aufbruch Richtung Europa, dem Kontinent der Hoffnung, von dem er und seine Großfamilie annahmen, dass es dort leichter sei, das Glück zu finden – und ein Auskommen, das den zurückgebliebenen Verwandten ein besseres Dasein ermöglichen würde.
Eine Brücke von Ceuta nach Kamerun
Europa aber hatte Yves ausgespuckt. Schon einmal ist er aus Spanien abgeschoben worden. Jetzt will er von Marokko aus einen zweiten Anlauf unternehmen.
In dieser Situation beginnt der Film, doch er verharrt nicht bei Yves und seiner neuerlichen Flucht ins gelobte Land, sondern er wechselt die Richtung. Gärtner will die seit langem abgerissene Verbindung zwischen Yves und seiner Familie in Kamerun wieder herstellen. Aus Scham, nicht erfolgreich zu sein, hat sich Yves dort nicht mehr gemeldet; wer es in der Fremde nicht schafft, setzt seine Angehörigen der Verachtung ihrer Umgebung aus: „Verlierer“ sind eine soziale Schande. Nun aber hinterlässt er Videobotschaften mit vagen Hoffnungszeichen an die Geschwister und den Vater. Von der Regisseurin werden sie nach Kamerun mitgenommen.
Für die deutsche Filmemacherin ist es ein Leichtes, sich auf dem afrikanischen Kontinent frei zu bewegen. Sie unternimmt jene Fahrt, die Yves verwehrt ist: einmal Kamerun und zurück. Diese Ungleichheit wird im Film allerdings nicht thematisiert. Überhaupt werden viele Chancen, die die Geschichte birgt, aufgrund der etwas schlichten dramaturgischen Anlage bestenfalls angerissen. Die Regisseurin besucht nacheinander Yves’ Familienmitglieder in ihrem jeweiligen Umfeld, führt ihnen die Videogrüße des Bruders oder Sohnes vor und nimmt deren Antworten an Yves auf. Eine Stationen-Dramaturgie, die zwar Auskünfte über Wohn- und Lebensumfelder in Kamerun vermittelt und emotionale Regungen, auch sentimentale Momente dokumentiert, der Komplexität der Vorgänge aber nur ansatzweise gerecht wird.
Die Regisseurin führt auch die Kamera
Um den existentiellen Druck, dem Yves durch seine eigene Familie ausgesetzt ist, deutlicher zu machen, hätte es intensiverer Nachfragen bedurft, vielleicht auch der Beschreibung von Beispielfällen aus der Umgebung. Empathie ist gut, aber kritische Empathie wäre hier dialektischer gewesen.
Gärtner hat gemeinsam mit Pola Sell die Kamera geführt; das mag aus logistischen, zeitlichen und finanziellen Gründen nicht anders möglich gewesen sein. Kamera und Montage lassen sich mitunter wenig Zeit, um auf Gesichtern, Augen, Händen zu verharren, wenn alle Worte gesagt sind. Mit mehr Mut zur Stille, zur Besinnung und Beobachtung hätte der Film an Eindrücklichkeit gewonnen.
Was bleibt, ist ein nachdenklicher, auch melancholischer Report über eine afrikanische Familie im Wartestand zwischen trügerischer Hoffnung und Enttäuschung. Auch über die Unmöglichkeit, dass diese Welt, so wie sie ist, jemals ihr inneres Gleichgewicht finden wird.