Drama | Kosovo/Deutschland 2016 | 93 Minuten

Regie: Dren Zharka

Zwei Eltern ringen mit Einsamkeit und der Trauer um ihre verstorbenen Söhne. Eine Deutsche versucht über Rituale ihren Weg zurück in den Alltag zu finden, während ein Mann in Pristina seinen letzten Lebensmut dahinziehen lässt. Der meditative Film vereint die beiden Erzählebenen eher konzeptionell als erzählerisch zu einem Trauerdrama, das wie ein Stillleben präzise kadriert und symbolisch aufgeladen ist, seine Figuren dabei aber zu leblosen Körpern dieses Arrangements macht. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
EHO
Produktionsland
Kosovo/Deutschland
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Magusfilms/Asha
Regie
Dren Zharka
Buch
Dren Zharka
Kamera
Alex Bloom
Musik
Inma Galiot
Schnitt
Alex Töchterle
Darsteller
Klara Höfels (Hanna) · Selman Jusufi (Ismet)
Länge
93 Minuten
Kinostart
06.09.2018
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Meditatives, symbolisch aufgeladenes Drama über zwei einsame, um ihre verstorbenen Söhne trauernde Menschen in Deutschland und dem Kosovo.

Diskussion
Der leblose Körper eines jungen Mannes liegt in einer Leichenhalle. Hanna betrachtet die Leiche, nickt dem Arzt zu und verlässt die Klinik. Sie betritt ein Bestattungsinstitut, wählt einen Sarg, einen Grabstein und die Blumen für die Ruhestätte. Sie geht in eine Kirche, zündet eine Kerze an. Zuhause empfängt sie zwei christliche Missionare und hört aufmerksam zu, während diese die Briefe des Paulus an die Korinther zitieren. Mit jedem dieser Rituale versucht Hanna Abschied zu nehmen, auch wenn sie den Mann, der für sie in der Klinik aufgebahrt wurde, gar nicht kennt. Es ist ein Autounfall, der ihr Schicksal mit dem des jungen Mannes verknüpft und ihr nun die Möglichkeit gibt, zu handeln. Doch die Rituale, zu denen schließlich auch die Suche nach den Hinterbliebenen des jungen Kosovaren gehört, sind nicht nur der Versuch einer Aufarbeitung des Geschehenen; es ist der Versuch, den Tod des eigenen Sohns zu verarbeiten. Der Tod eines Fremden scheint wie ein Echo jenes Verlusts, der noch immer ihr Leben bestimmt. Ein Echo, das bis in den Kosovo hallt. Hier erfährt Ismet, der Vater des toten Kosovaren, dass sein Sohn in Deutschland verstorben ist. Regisseur Dren Zharka verknüpft in „Eho“ die Schicksale zweier trauernder Eltern, ohne dass die sich je begegnen. Die Lebensentwürfe der von der Trauer völlig vereinnahmten Figuren verlaufen fast diametral. Während sich Hanna in einen hoffnungslosen Aktionismus verstrickt, scheint Ismet von der Katatonie des Schmerzes wie eingeschlossen zu sein. In diesem Zustand wirft er die Tonbänder, auf denen er einst die Stimme seines Sohns aufgezeichnet hat, durch den Innenhof, wo sie sich in den Wäscheleinen verfangen und zu braunen Ranken aus Kunststoff verflechten. Ismets Leben hat sich in diesem Wald verheddert, ist stillgestellt im überwältigenden Geflecht der Stimmen, die nur noch auf den Bändern existieren. Die Trauer hat das Leben angehalten. Die Briefe stapeln sich ungeöffnet im Hauseingang, der Regen tropft durch die Decke, die Schachfiguren liegen umgeworfen neben dem Brett. Ismet spielt nur noch gegen sich selbst – jeder Zug ist eine Qual. Wie die Mahlzeiten, die er fast widerwillig mit zittriger Hand zum Mund führt, bevor diese an einer Zigarette wieder Halt findet. Die Selbstzerstörung scheint ohnehin das Einzige zu sein, was den völligen Stillstand Ismets noch in Bewegung versetzen kann. Seine Schmerzmittel nimmt der alte Schriftsteller ohnehin nicht mehr. Der Schmerz ist eine fast willkommene Ablenkung vom Verlust des Sohns. Die Hustenkrämpfe, die seinen gebrechlichen Rumpf schütteln und ihn blutgetränkte Brocken auswerfen lassen, sind die letzten entschlossenen Regungen des Körpers, der fest in die braunen Lianen der Erinnerung eingesponnen ist. „Eho“ ist ein Film der erlahmten Bewegung, der genau dort zu sich findet, wo das Leben stillgestellt ist. Die langsame Selbstzerstörung, nur erhellt von den wenigen Sonnenstrahlen, die durch die Gardinen der Wohnung in Pristina dringen, schreitet fast ohne Worte und Bewegungen voran. Langsam lässt die Inszenierung das Leben in andächtigen Arrangements vergehen, deren Hintergrund gespickt ist mit Hinweisen auf Ismets Vergangenheit: Eine verwaiste Schreibmaschine, ein Brief vom Radio Pristina und ein gewaltiges, mit Staub bedecktes Bücherregal deuten auf das vergangene Leben als Intellektueller hin, ebenso wie die Ruinen vor seinem kleinen Haus noch deutlich als Narben des Kosovokriegs erkennbar sind. Wirkliche Vitalität strahlt Ismet nur noch in den großen symbolischen Gesten aus, die immer wieder in den Alltag des Vaters eingestreut sind. Im Einklang mit der ansonsten völlig abwesenden Filmmusik inszeniert Dren Zharka den Trauernden, wie er einen Vogel im letzten Grün begräbt, das in der zerbombten Nachbarschaft auffindbar ist, oder er lässt ihn schlicht in einem Windzug verharren, während seine Stimme aus dem Off ein Gedicht rezitiert. Diese geradezu abenteuerlich manierierten Szenen werden schließlich auf deutscher Seite gedoppelt, wo Hanna mit Tränen in den Augen einen Brief an ihren verstorbenen Sohn auf einen Bogen Pergamentpapier schreibt. Der fast meditative Charakter der Inszenierung, der den Film präzise durch die langen enigmatischen und fast dialogfreien Passagen des Trauerns trägt, spitzt sich sukzessive zum ärgerlichen Formalismus zu. So existieren die Figuren in „Eho“ letztlich nur als geometrische Größen, die von der Regie so formiert werden, dass sie jenen Widerhall erzeugen, der das formale Fundament des Films bildet. „Eho“ ist ein filmisches Stillleben, das präzise arrangiert und symbolisch aufgeladen eben doch nur leblose Körper abbildet.
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