Es gibt eine schöne Szene in diesem Film, die nach einer wahnwitzigen Verfolgungsjagd durch Paris zu einer kurzen Verschnaufpause einlädt. Ethan Hunt und seine Männer wollen nach geglückter Flucht mit einem bereitgestellten Wagen aus einer Garage fahren. Zufällig kommt eine Polizistin vorbei, der das Ganze, nicht zuletzt wegen eines maskierten Gefangenen, nicht geheuer ist. Sie zieht ihre Pistole, Hunt will sie noch bitten, einfach weiterzugehen. Doch schon eilen vier Verfolger herbei und schießen die Polizistin nieder. Hunt macht mit den Schurken kurzen Prozess, und wie er dann zur Polizistin geht, ihre Blutung stoppt und sich in aller Form bei ihr entschuldigt – das zeugt von Herz und Größe.
Eine Menschlichkeit, die Ethan Hunt zu Beginn des Films zum Verhängnis wird. Die Impossible Mission Force, kurz IMF genannt, ist nach ihrer Auflösung in Teil 5 rehabilitiert worden. Und sie wird dringend gebraucht. Ein Terroristennetz namens „Die Apostel“ will auf dem Schwarzmarkt drei Plutonium-Kapseln erwerben, um an verschiedenen Orten der Welt möglichst viele Menschen zu töten. „Kein Frieden ohne Opfer“, so lautet ihr zynisches Motto. IMF-Chef Alan Hunley beauftragt in Belfast Hunt und seine Kollegen Benji Dunn und Luther Stickell, den Aposteln, die von einem gewissen John Lark angeführt werden, zuvorzukommen und das Plutonium selbst zu kaufen. Hunt schlüpft in die Rolle von Lark, von dem niemand weißt, wie er aussieht. So kann er zunächst die schöne Waffenhändlerin namens „Die weiße Witwe“ täuschen. Doch bei der Übergabe in Berlin passt Hunt einen Moment nicht auf, weil er den bedrohten Luther schützen will; die drei Plutonium-Kapseln sind weg. Erica Sloan, Chefin der CIA, ist dementsprechend sauer und stellt der IMF einen Wachhund an die Seite: August Walker. Doch der treibt ein doppeltes Spiel.
Von nun an setzt der Film, wie schon der Vorgänger „Mission Impossible – Rogue Nation“
(fd 43 244), zu einem Wettlauf rund um den Globus an, von Berlin geht es nach Paris und London, von dort nach Ramstein und Kaschmir. Regisseur Christopher McQuarrie, der schon den Vorgänger inszenierte, nimmt dabei die Versatzstücke der Serie, um sie geschickt zu variieren. Insbesondere dem Thema „Verfolgungsjagd“ gewinnt er immer wieder neue Facetten ab. Ganz egal, ob im freien Fall nach dem Sprung aus einem Flugzeug oder zu Fuß über die Dächer Londons, bei dem Hunt via Ohrstöpsel von Benji geleitet wird – McQuarrie findet immer intelligente, manchmal humorvolle, stets aber aufregende und originelle Lösungen, die der Topographie des Ortes gerecht werden. Schon im letzten Teil war Tom Cruises Vorliebe für rasante Motorradfahrten evident. Doch wie er hier, verfolgt von einer (noch) unbekannten Attentäterin, durch die engen Straßen von Paris rast, dabei Gegenverkehr, Ampeln und Kreuzungen missachtend, ist schlichtweg spektakulär. Dabei kommt auch der Humor nicht zu kurz, etwa wenn Benji (wieder gespielt von Simon Pegg) sein Notebook mit dem Stadtplan Londons falsch herum hält und darum rechts und links verwechselt oder vergisst, dass sich Jäger und Gejagter auf unterschiedlichen Höhenebenen bewegen.
Wie schon der Vorgänger ist dies auch wieder ein Film über brüchige Allianzen und falsche Partner, über Vertrauen und Loyalität. Für wen arbeitet Walker wirklich? Warum hat die Attentäterin Hunt verschont? Welches Spiel treibt Erica Sloan? Das Drehbuch zieht dabei noch mehrere doppelte Böden ein, bis man den Überblick zu verlieren droht. Doch irgendwann finden die losen Enden zusammen, und McQuarrie kann sich auf den Showdown in Kaschmir konzentrieren, der an Spannung und Aufregung nicht mehr zu überbieten ist. Nur so viel sei darüber verraten: Tom Cruise findet wieder Gelegenheit, eine steile Wand hochzuklettern. Und das ist das eigentlich Beruhigende am „Mission: Impossible“-Universum: Von allen Blockbuster-Serien ist sie erzählerisch die geschlossenste, weil die Helden (und manchmal ihre Widersacher) dieselben sind und vertraute Motive (Stichwort: Gesichtsmasken) wieder aufgenommen werden. Sogar das Tonband gibt es noch, dass sich nach Abhören der Nachricht in Rauch auflöst. In Zeiten von E-Mail, Facebook und Twitter ist das angenehm „old school“.