Ein Handelsvertreter gerät bei der Arbeit in einer gesichtslosen Vorortsiedlung unvermittelt in eine Zeitschleife, die ihn immer wieder zur selben Zeit an eine bestimmte Stelle katapultiert und ihn daran hindert, den Vorort wieder zu verlassen. Von dieser kafkaesken Ausgangssituation eines Mannes in der Zeitfalle entwickelt sich der Film zu einer assoziativen, elliptischen Bilderkette, die sich durch Interviewschnipsel zum Thema Zeit zu einer Collage weitet. Als Reflexion über das moderne Welterleben besticht der Film durch seine vom Rhythmus der Musik getragene Montage und seine ästhetisch fotografierten Bilder, während eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit dem Thema vermieden wird.
- Ab 16.
8:30
Drama | Österreich 2017 | 70 Minuten
Regie: Laura Nasmyth
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Filmdaten
- Originaltitel
- 8:30
- Produktionsland
- Österreich
- Produktionsjahr
- 2017
- Produktionsfirma
- White Trash Prod./Filmagio Cine Prod.
- Regie
- Laura Nasmyth · Philip Leitner
- Buch
- Laura Nasmyth · Philip Leitner
- Kamera
- Mario Minichmayr
- Musik
- David Schweighart
- Schnitt
- Thomas Schneider · Laura Nasmyth
- Darsteller
- Florian Nolden (Isaak) · Doris Hess (Marianne) · Stefan Ried (Mike) · Patrick Topitschnig (Justin) · Angelica Castello (Angelica)
- Länge
- 70 Minuten
- Kinostart
- 02.08.2018
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Drama | Mystery
Ein Handelsvertreter gerät in eine Zeitschleife - der Ausgangspunkt für eine assoziative, ästhetisch ausgefeilte Reflexion über das moderne Welterleben, die allerdings tiefere Auseinandersetzungen vermeidet.
Diskussion
Eine Eisenbahn fährt aus dem Bahnhof hinaus, Züge auf den gegenüberliegenden Gleisen fliegen vorüber. Zunächst sind sie nur verschwommen zu sehen. Dann jedoch gewinnt ihr Bild an Schärfe. Die Musik imitiert das Gleiten des Zuges, das rhythmische Laufen der Maschine. Töne elektronischer Geräte mischen sich in den Klang ein. Er stammt von vier Außendienstmitarbeitern auf dem morgendlichen Weg zur Arbeit. Gleich wird sie der Zug an einem Vorstadtbahnhof mit der typischen Waschbetonarchitektur der 1970er-Jahre absetzen. In seelenlosen Reihenhaussiedlungen suchen die Klinkenputzer ihre Kunden, stoßen aber mitnichten auf offene Türen. Selbst die Kinder sind nicht gut auf die Menschen in den grauen Anzügen zu sprechen. Die nämlich okkupieren den Spielplatz zur Mittagszeit. Wichtigtuerisch machen sie sich auf dem einzigen Spielgerät breit, mit Handys und Sushi-Häppchen bewaffnet. Am Abend treten die Geschäftsleute wieder den Rückweg an. Doch welch Pech für einen der ihren. Der erreicht nicht rechtzeitig den Zug und muss die Nacht bei einer gastfreundlichen Kundin verbringen. Als er am Morgen nach Hause aufbricht, landet er aber Punkt 8.30 Uhr an seinem Ausgangspunkt vom Vortag. Er ist, wie eine Variante von Johnny Cashs „Ghost Riders in the Sky“ zu verstehen gibt, zu einem „Ghost Rider“ geworden, der nicht mehr wegkommt, so sehr er es auch versucht.
Laura Nasmyth und Philip Leitner haben mit „8:30“ eine ungewöhnliche, interpretationsoffene Variante des Zeitschleifen-Films geschaffen. Ihnen geht es nicht darum, wie im Urbild des Genres „Und täglich grüßt das Murmeltier“ (fd 30 169) einen ätzenden Protagonisten zu bessern. Stattdessen wollen sie mit ihren Bildern Merkmale des gegenwärtigen Welterlebens greifbar machen. Und das wird nicht nur von gleichförmigen und eintönigen Abläufen bestimmt, sondern ist auch vom „Rauschen“ der unterschiedlichsten Medien durchdrungen. Unentwegt transportieren sie Datenströme und tauchen ihren Empfänger, und damit auch die Zuschauer des Films, in andersartige, parallele Realitäten ein, tragen ihm Gedankenfragmente zu. Wenn beispielsweise der Protagonist in einem Schwimmbecken, geschmackvoll arrangiert in seinem Rettungsring, haltlos in die Tiefe abtaucht und plötzlich von Fischen umgeben ist – wiedergegeben in Bildern, die von der Realitätsebene zu Bildschirm-Bildern wechseln – gibt diese Szene nicht nur Ausdruck von dessen Gefühl, sondern macht auch das Prinzip der Immersion, des Eintauchens in Medien-Welten, höchst anschaulich. Für den Empfänger ist nicht immer leicht zu entscheiden: Auf welcher Realitätsebene bewegt er sich gerade? Um was für Informationen handelt es sich? Um Fiktion? Um Fakten? Kann man ihnen überhaupt trauen?
Passgenau für sein Anliegen benützt das Regie-Duo Verfremdungseffekte und nutzt eine collagenhafte Mischform. So verweben die beiden ihre kafkaeske Geschichte über den in der Zeitfalle sitzenden Mann mit dokumentarisch anmutenden Interviewszenen. In den rätselhaft wirkenden Bruchstücken spricht beispielsweise die Musikerin und Komponistin Angelica Castello darüber, dass sie in Zeitungen zumeist nur die Seiten mit den Todesanzeigen lese. Weil letztlich nur noch dieses Faktum ihr glaubwürdig erscheine. Oder die Dichterin Susanne Toth erzählt von einem Bekannten, der nach langem Aufenthalt auf der künstlich geschaffenen Welt einer Bohrinsel sozusagen wieder in die Zivilisation zurückkehrte.
Nasmyth und Leitner arbeiten assoziativ, mit großen Sprüngen, so dass es nicht zuletzt am Zuschauer ist, Zusammenhänge herzustellen und zu deuten. Dabei beeindruckt ihr Film durch das dynamische Zusammenspiel von rhythmischer Montage und treffend ausgesuchter Musik sowie durch die stilvoll fotografierte Architektur der sorgfältig ausgewählten Schauplätze – auch wenn er stellenweise dabei übers Ziel hinaus schießt und den Eindruck einer objektverliebten, gekünstelten Präsentation hinterlässt. Laura Nasmyth trat bisher besonders als Produktionsdesignerin hervor, während sich Philip Leitner als Musiker und Computer-Künstler hervortat. In der Auseinandersetzung mit dem wichtigen Thema würde man sich allerdings doch eine tiefer gehende Auslotung wünschen.
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