Patrick Melrose
Drama | USA 2018 | 300 (fünf Episoden) Minuten
Regie: Edward Berger
Filmdaten
- Originaltitel
- PATRICK MELROSE
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2018
- Produktionsfirma
- Showtime/Sky/Two Cities Television Ltd./Rachael Horovitz Productions
- Regie
- Edward Berger
- Buch
- David Nicholls
- Kamera
- James Friend
- Musik
- Volker Bertelmann
- Schnitt
- Tim Murrell · Luke Dunkley · Dan Roberts
- Darsteller
- Benedict Cumberbatch (Patrick Melrose als Erwachsener) · Sebastian Maltz (Patrick Melrose als Junge) · Jennifer Jason Leigh (Eleanor Melrose) · Hugo Weaving (David Melrose) · Jessica Raine (Julia)
- Länge
- 300 (fünf Episoden) Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Drama | Literaturverfilmung | Serie
- Externe Links
- TMDB
Zwischen Drogen und Filmen gibt es diverse Berührungspunkte. Da sind vor allem natürlich die Filme, in denen Drogen konsumiert werden, und solche, in denen mit Drogen gehandelt wird. Welche, die die Sucht kritisch darstellen, dokumentarisch oder poetisch. Die, die man nur genießen kann, wenn man selbst nicht ganz nüchtern ist, und schließlich noch bestimmte, bei denen man den begründeten Verdacht hegen mag, sie hätten überhaupt nur unter Drogeneinfluss entstehen können. Besonders Werke der 1990er- und 2000er Jahre haben sich da hervorgetan: „Trainspotting“ etwa oder der entspannte Dude „The Big Lebowski“, „Blow“ und „Das Kartell“. Ein diskutabler Höhe- und Wendepunkt dieser Entwicklung war sicherlich mit „Fear and Loathing in Las Vegas“ (Regie: Terry Gilliam, 1998) erreicht, der eine irgendwie belastbare Handlung suspendiert zugunsten eines Klang- und Farbenrausches und des zunehmend unverständlichen Sich-Artikulierens der beiden Hauptdarsteller – eines veritablen Trips eben. Kein filmisches Erzählen mehr von und über Drogen, sondern Kino als Versuch der Mimesis eines zweistündigen Highs. Die realistischeren dieser Werke führen zumindest in Ansätzen vor Augen, welche psychischen, aber auch welche körperlichen Verheerungen der Konsum über längere Zeit unweigerlich anrichtet.
Auch Patrick Melrose (Benedict Cumberbatch) nimmt Drogen, viele Drogen, das wird von Anfang an klar. Nie als Genussmittel, sondern um sich zu betäuben, aber schon die Auftaktepisode macht deutlich, dass es sich bei ihm um einen (noch) funktionalen Süchtigen handelt, der ohne ernst zu nehmende Selbstabschaffungsabsichten drückt und dessen äußere Form und Erscheinung zunächst erstaunlich intakt bleiben. Sein soziales Gefüge allerdings ist zu Beginn fundamental zerrüttet, am Nullpunkt sozusagen. Dann erhält er diesen Anruf … Ein alter Bekannter erreicht Patrick in London und teilt ihm unter massiven Störungen in der Leitung mit, dass Patricks Vater in Amerika verstorben sei. Seine Reaktion ist erstaunlich: Er fasst sich an den Kopf, krümmt sich wie unter Schmerzen und beugt sich zum Boden – nur um von dort eine gebrauchte Spritze aufzuklauben und sich den Rest als Schuss zu setzen. Dann geht’s ab nach New York.
Die Miniserie „Patrick Melrose“ von David Nicholls (Drehbuch) und Edward Berger (Regie) ist die Verfilmung des auf fünf Teile angelegten, semiautobiografischen Romanzyklus von Edward St. Aubyn, erzählt in fünf je einstündigen Folgen. Kennt man die Bücher nicht oder nicht alle, wirkt der Einstieg in die Serie vor allem verstörend, nicht zuletzt weil Benedict Cumberbatch in der Rolle des Patrick alle Register seines stupenden schauspielerischen Könnens zieht, um seine Figur in ihrem Schmerz, ihrer unterdrückten Wut und ihrem durch die Droge verursachten Delirieren eindrücklich zu porträtieren. Beurteilt man seine Performance vor dem Hintergrund der Romanlektüre, so kommt zur Bewunderung für das schauspielerische Talent noch ein tieferes Verständnis für die Figur hinzu: Deren Vater, das sollte man wissen, ging gelinde gesagt nicht immer sehr nett mit dem jungen Patrick um, hat sich nicht besonders väterlich betragen. Deshalb trägt Patricks Trip (im doppelten Sinn) mit der Concorde in die USA auch so grimmig-burleske Züge, versucht er wieder und wieder, die Überreste seines Vaters zu zerstören, zu verlieren, zu vergessen – vergeblich.
Folge 1 fungiert wie Band 1 als epische Exposition, als Einstiegsdroge sozusagen in das kranke Universum des Patrick Melrose, seine Kreise und seinen Charakter. Die dunklen Geheimnisse seiner Herkunft und Familienverhältnisse enthüllen sich erst später, in der großen Rückblende, die Episode 2 darstellt. Patrick Melrose ist ein echter „Englishman“: stets perfekt gewandet, häufig in maßgeschneiderten Mänteln, die wie eine Panzerung wirken, und teils von einem schneidenden Spott anderen gegenüber, der nur verdecken soll, dass er das Eigentliche vor ihnen nicht aussagen kann. Umso schockierender zu sehen, wie er wieder und wieder die Fassung verliert auf der Suche nach sich selbst, weil er nicht loskommt vom Zentrum seiner peinvollen Existenz, vom übermächtigen Bild des Vaters und seiner Clique. Wie er in feinen New Yorker Etablissements buchstäblich auf allen vieren zur Toilette kriecht (wir schreiben 1982, heute wäre dergleichen dort unmöglich). Hier hätte man Cumberbatchs Darstellung allerdings eine Prise weniger „Sherlock“ on speed und dafür ein Gran mehr vom implodierenden Christopher Tietjens, den der Schauspieler in der Miniserie „Parade’s End“ verkörperte, gewünscht.
Jennifer Jason Leigh als Patricks amerikanische Mutter Eleanor in Folge 2 macht ihre Sache ebenfalls sehr gut und liefert ein erschütterndes Porträt im Szenario des großbürgerlichen Familienhorrors, der sich unter der milden Sonne Südfrankreichs ereignet. Man sieht es ihr an: Sie weiß alles, aber sie findet in sich nicht die Kraft aufzubegehren oder die Flucht zu ergreifen. Die Schuld an Patrick, die sie auf sich lädt, ist immens und zeigt sich deutlich in ihrem Spiel. Am überzeugendsten in dieser Episode erscheint hingegen das dunkle Zentrum des Geschehens, Patricks Vater David Melrose, verkörpert vom australischen Darsteller Hugo Weaving. Er gibt diesem verdammten Charakter die genau richtige Mischung aus lauernder Brutalität, Larmoyanz des gescheiterten Künstlers und offenkundigem Selbsthass, um zu überzeugen und auch die fatale Ausstrahlung glaubhaft zu machen, die seine Figur noch lange nach ihrem Verschwinden auf Patrick haben wird.
Nach all dieser Düsternis kann man die Bankettszene in Episode 3 als eine Art grimmes „Comic Relief“ betrachten: präsidiert von einer sadistisch-strengen Princess Margaret (gespielt von Harriet Walter), die alle Welt tyrannisiert, ohne dabei je in den perversen Genuss totaler Dominanz zu gelangen. Man merkt Patrick an, woran ihn das gemahnt. ‒ Am Ende sind alle erschöpft, Her Royal Highness inklusive. Was sie wohl geraucht haben mag, um all das zu ertragen? Wir wissen es nicht …