Der israelische Regisseur Samuel Maoz macht es dem Zuschauer nie leicht. In „Foxtrot“ setzt er den Schmerz als Thema gleich eingangs groß und unentrinnbar ins Bild. In den ersten beiden Minuten erfährt ein Ehepaar, dass ihr 18-jähriger Sohn Jonathan in der Nacht davor „im Einsatz gefallen“ sei. Dann sieht man, wie schnell oder wie langsam dieser Verlust von den beiden Elternteilen Besitz ergreift.
Maoz hat in „Lebanon“ bewiesen, wie sehr seine Bilder gleichzeitig Emotionen und einen pointierten Stilwillen transportieren können. Das wiederholt er in „Foxtrot“. Er zeigt, wie der Schmerz die Mutter physisch niederwirft, wie er sprachlos macht, aggressiv und hilflos gegenüber der Außenwelt mit ihrer übergriffigen Anteilnahme. Der Vater tritt den Hund, verbrüht sich vorsätzlich die Hand, will keine weinenden Verwandten um sich haben. Dazu stellt ihn der Film in Bilder von genau abgezirkelter Präzision, meist mittig zentriert; die Inszenierung will die Perspektive auf diesen Mann so weit verengen, bis man dessen Gefühlen keine Distanz mehr entgegensetzen kann.
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Gleichzeitig beobachtet Maoz die Überbringer der Nachricht, also die Soldaten, die das Ehepaar zuhause aufgesucht haben, um es vom Tod seines Sohnes in Kenntnis zu setzen. In der Wohnung kümmern sich die jungen Männer sofort um alles, sie reichen Wasser und die Nummer der Telefonseelsorge, sie sind die perfektionierte Bürokratie. Angesichts des Chaos, das ihre Todesbotschaft hervorruft, wirkt das trotzdem nicht wohltuend. Die Soldaten agieren in Wort und Tat so methodisch, bis die Situation ins Groteske kippt. Sie sind irritiert, dass der Vater trotz ihrer Mühe keine höfliche Unterhaltung führen will; der „Offizier für Bestattungen“ wirkt in seiner Sorge, das Reglement für die Beerdigung nachhaltig klarzustellen, geradezu beleidigend. Das Militär setzt auf präzise Abläufe, hinter deren Betriebsamkeit die Realität des Todes verschwinden soll.
Das gilt für den ersten Teil des streng strukturierten Films. „Foxtrot“ besteht aus drei Teilen; jeder ist von der Länge her ähnlich, in der Bildästhetik aber radikal unterschiedlich. Teil zwei zeigt das Leben des Toten, den Militärdienst an einem Grenzposten irgendwo in der Wüste. Dort ist Jonathan zusammen mit einigen anderen stationiert; alle sind an eine stete Ereignislosigkeit ausgeliefert. Der Name ihrer Einheit lautet Foxtrot; Höhepunkte einer Nachtwache ist Jonathans Interpretation des Foxtrott-Tanzes. Das Licht in der Wüste ist hellblau und rosa, die jungen Soldaten schlagen die Zeit ohne viel Geschwätz tot, manchmal machen sie gute Witze.
Demütigungen in träumerischer Schönheit
Der Stillstand wird nur dann von einer Aktion abgelöst, wenn ein Auto die Grenze passiert. Auf beiden Seiten des Schlagbaums sieht es gleich unwirtlich aus. Wer hier durchkommt, hat wahrscheinlich einen zwingenden Grund: Meistens handelt es sich um Palästinenser, die Familienangehörige im anderen Land besuchen möchten. In einem solchen Fall nehmen die Grenzer ihre Aufgabe ernst. Sie kontrollieren mit angelegten Schnellfeuerwaffen, obwohl die Passanten wenig gefährlich wirken. Die fürchten sich eher, und das durchaus zu Recht.
Maoz zeigt eine Reihe solcher Sequenzen am Schlagbaum in der Wüste, er inszeniert jede Demütigung, die die israelischen Soldaten standardmäßig bei den Kontrollen vornehmen, mit träumerischer Schönheit. Danach weiß man, was passiert, wenn man Teenager mit Gewehren ausrüstet und sie mit Macht und Angst alleine lässt.
„Foxtrot“ hat international schon eine Menge Preise gewonnen. In Israel aber kam der Film nicht überall gut an. Es gab harte Kritik von der Kultusministerin Miri Regev und Ärger beim Israelischen Filmfestival in Paris, so als würde plötzlich jetzt erst entdeckt, dass Samuel Maoz ein politischer Filmemacher ist. Dabei führt der Regisseur in „Foxtrot“ lediglich fort, was er mit „Lebanon“ begonnen hat. Maoz war Soldat. Das arbeitet er in seinen Filmen auf; die kritische Distanz zum israelischen Militär resultiert daraus. In „Foxtrot“ erzählt er erneut eine Geschichte mit einem militärischen Thema. Dabei geht es nicht nur um Leid, Gewalt oder Sinnlosigkeiten, sondern auch ums Soldat-Sein und welche Wunden das den Menschen zufügt. Es ist gerade diese politische Haltung, die aus „Foxtrot“ einen brillanten Film macht und nicht nur eine Abfolge brillanter Bilder, wie es vielen Filmemachern sonst oft ausreichend erscheint.