Nordamerikanische Kleinstädte, wie man sie aus dem Kino kennt, haben eine Main Street mit kleinen Läden und einen Diner, etwas außerhalb meist eine große Scheune, gelbe Schulbusse in den Straßen, manchmal einen Eiscremewagen und adrette Häuser mit weißen Lattenzäunen. Wenn man Pech hat, findet man hier abgeschnittene Ohren im Gras oder tote Teenager. Oft genug landen auch Außerirdische mit zweifelhaften Absichten in diesem vermeintlichen Idyll.
Doch die drei Aliens, die in einem dieser Städtchen bruchlanden, wollen weder einen Krieg der Welten noch Menschen in Gemüse verwandeln, sondern schlicht und einfach eine „Nubbi Dubbi Massagenmatratze“ kaufen, die sie beim Zappen durch die irdischen Fernsehverkaufskanäle entdeckt haben. Dass sie ausgerechnet dem 12-jährigen Halbwaisen Luis begegnen, entpuppt sich als großes Glück, auch wenn der Schrecken zunächst auf beiden Seiten groß ist: Schließlich haben Mog, Nag und Wabo noch nie einen „Erderling“, also einen Alien, gesehen. Und Luis erkennt in diesem Moment, dass sein Vater, ein selbsternannter Ufologe, tatsächlich recht hat mit seiner These von intelligentem Leben „irgendwo da draußen“. Als einsamer Außenseiter ist Luis dann auch schnell bereit, den drei putzigen Besuchern aus dem Weltall bei ihrer Mission zu helfen.
Dass es dabei turbulent zugeht, liegt auf der Hand. Nicht nur weil die drei grünen Aliens gummiartige Blobs sind, die sich in alles und in jeden verwandeln können, sondern auch weil das CGI-Animationsabenteuer als Film für die ganze Familie angelegt ist – und da muss es bekanntlich hoch hergehen. Das ist in diesem Fall tatsächlich lustig, weil der Film Maß hält und nicht hysterisch wird, sondern mit witzigem Slapstick und intelligenter Situationskomik aufwartet und erwachsene Begleitpersonen mit cineastischen Science-Fiction-Verweisen bei der Stange hält.
Dabei muss man mit einem Kind mitfühlen, das von seinem spleenigen Vater unwissentlich vernachlässigt wird, in der Schule nicht zu den Coolen zählt und den Attacken seiner Mitschüler hilflos ausgeliefert ist. Luis ist immer auf sich allein gestellt. Selbst den Schuldirektor und die spitznasige Miss Diekendaker, die mal an Cruella De Vil aus „101 Dalmatiner“ (fd 10 800) erinnert, mal an Frankensteins Braut, muss er anfangs noch alleine abwimmeln. Sie wollen ihn, das vernachlässigte Kind, in ein Internat stecken.
Alle diese Widersacher werden von den drei wandlungsfähigen Aliens schön an der Nase herumgeführt, die Luis aus der Patsche helfen. Als filmerfahrener Zuschauer sieht man das Happy End voraus, für Kinder bleibt es dagegen bis zur letzten Minute spannend. Allerdings dürfte der Film, der von der FSK ohne Altersbeschränkung freigegeben wurde, im Finale die Nerven der kleinen Zuschauer arg überspannen, denn Luis und seine außerirdischen Freunde müssen am Ende mit einer erschreckenden und lebensbedrohlichen Mutation zu kämpfen. An diesem Punkt haben die Filmemacher ihre primäre Zielgruppe etwas aus den Augen verloren.
Insgesamt lässt sich nicht viel aussetzen an „Luis und die Aliens“, der nebenbei für Zusammenhalt und Toleranz plädiert und mit einigen unerwarteten Wendungen überrascht. Schade nur, dass die Regisseure und Drehbuchautoren Wolfgang und Christoph Lauenstein, die 1990 mit ihrem minimalistischen Puppentrickfilm „Balance“ einen „Oscar“ gewonnen haben, bei ihrem ersten Langfilm auf Computeranimation setzen und sich ästhetisch am Stil von Pixar und anderen US-Studios orientieren. Man kennt diese Figuren mit ihren immer etwas überzeichneten und allzu glatt wirkenden Gesichter zur Genüge; schon bei den ersten Bildern denkt man an „Ich – Einfach unverbesserlich“ (fd 40 081), dessen Erzählweise nach Angaben der Regisseure tatsächlich ein Vorbild war. Keine Frage: „Luis und die Aliens“ ist ein großer Spaß mit dem richtigen Herzschlag, aber als Puppenfilm hätte er weit mehr Eigensinn besessen.