Dokumentarfilm über eine vietnamesische Familie, die in der Halong-Bucht im Norden des Landes in einem schwimmenden Dorf auf dem Wasser lebt. Doch ein Umsiedlungsprojekt der Regierung setzt der seit Generationen bestehenden Daseinsweise auf dem Wasser ein vorzeitiges Ende. In ruhigen, unaufgeregten Bildern hält der Film den Umsiedlungsprozess wie auch den erzwungenen Neuanfang auf dem Festland fest.
- Ab 14.
Farewell Halong
Dokumentarfilm | Deutschland 2017 | 102 Minuten
Regie: Duc Ngo Ngoc
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2017
- Produktionsfirma
- 42film
- Regie
- Duc Ngo Ngoc
- Buch
- Duc Ngo Ngoc
- Kamera
- Pham Ngoc Lan · Nguyen Tien Dat
- Musik
- Martin Kohlstedt
- Schnitt
- Gudrun Steinbrück · Nguyen Tien Dat
- Länge
- 102 Minuten
- Kinostart
- 19.04.2018
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Ruhig beobachtender Dokumentarfilm über eine vietnamesische Familie, die von ihrem Haus in einem schwimmenden Dorf aufs Festland umgesiedelt wird.
Diskussion
Auf einem knatternden Motorboot werden die Einkäufe nach Hause gebracht: ein noch lebendes Huhn, Plastiktüten mit Gemüse, Dosenbier. Wie viele Familien, die schon seit Generationen auf Flößen in der Halong-Bucht leben, haben auch der 46-jährige Nguyen Van Cuong und seine Frau Luu ihren Wohnort in einer selbstgebauten Holzhütte, inmitten der so genannten schwimmenden Dörfer. Der begrenzte Raum ist effizient organisiert: ein kleiner Altar findet sich neben der Kochecke, zwei große Plastikfässer definieren den Waschplatz. Auf der zimmergroßen Veranda spielen die Kinder Fußball; wenn der Ball im Meer landet, wird er mit dem Kescher herausgefischt. Auch Luus Mutter und ihr Bruder Long leben in der Bucht. Ihre anderen vier Söhne hat sie im Krieg verloren.
Der Alltag auf den Flößen ist bescheiden, aber zum Leben reicht es. Long hat mit einem Touristenboot ein Auskommen gefunden und ist zufrieden, dass er während der Arbeit auch noch Ausflüge machen kann. Nguyen Van Cuong und seine Frau leben von der Fischzucht und verkaufen Essen und Getränke an Kajakfahrer. Ihr Sohn Quy besucht eine Schule auf dem Festland, eine Tochter ist im Alter von fünf Jahren ins Meer gefallen und ertrunken. Wenn Luu davon erzählt, hat sie Tränen in den Augen.
Im Jahr 2008 beschloss das Volkskomitee Vietnams die Umsiedlung der schwimmenden Dörfer. Ein Beamter für Einwohnerangelegenheiten, der die Verteilung in die neu gebauten Häuser koordiniert, argumentiert mit der hohen Umweltbelastung durch den Müll; sogar die Unesco schlage Alarm. Auch der Tourismus leide.
Der in Hanoi geborene Filmemacher Duc Ngo Ngoc dokumentiert in „Farewell Halong“ in ruhigen, unaufgeregten Bildern die Umsiedlung der Familie und den erzwungenen Neuanfang auf dem Festland. Die meisten Bewohner blicken mit Verunsicherung und Angst in eine ungewisse Zukunft. Nur wer einen Kredit aufnehmen kann, bekommt ein Haus auf dem Festland; die finanzielle Unterstützung durch die Regierung ist spärlich. Cuong, dessen Angehörige alle auf dem Friedhof der sieben schwimmenden Dörfer begraben sind, tut sich schwer, das Meer zu verlassen. Er sieht aber auch mit einer gewissen Offenheit den Vorzügen entgegen: fließend Wasser, Strom, ein Schutz vor Regen und Kälte.
Das neue Leben im Umsiedlungsgebiet Ha Phong hat wenig mit dem alten Dasein zu tun. Auf exemplarische Weise stellt der Film das gephotoshopte Hochzeitsfoto von Nguyen und Luu als Bild einer beginnenden Entfremdung in den Raum. Nur drei Monate nach der Umsiedlung gibt die Familie ein deprimierendes Bild ab. Die Kinder und Jugendlichen spielen auf den Straßen die Halbstarken, Quy bricht die Schule ab. Luu sieht sich mit der Arbeit und Erziehung alleine gelassen, ihr Mann hängt nur noch untätig vor dem Fernseher und ist immer häufiger betrunken. Ihr Bruder ist krank; eine Arbeit hat er bislang nicht gefunden. Die meisten Umsiedler sind hoch verschuldet.
Auch wenn es dem Film mitunter an Präzision und Unvoreingenommenheit mangelt, eröffnet die Inszenierung dennoch einen Blick auf eine kaum dokumentierte Existenzweise, die sich als erstaunlich beharrlich zeigt. Trotz des Umsiedlungsprojekts suchen die Menschen sich geradezu rhizomatisch ihren Raum. Inzwischen sind mehr als die Hälfte der Bewohner aufs Meer zurückgekehrt; da Flöße verboten sind, leben sie auf einfachen Fischerbooten. Teile der schwimmenden Dörfer sind heute ein Museum; Touristen zahlen Eintritt dafür.
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