Soziale Netzwerke sind die neuen Infrastrukturen der Welt und formen gleichzeitig eine visuelle Kultur, deren Effekte auf unser Zusammenleben noch nicht abschätzbar sind. In ihrem bemerkenswerten und hochinformativen Debütfilm stellen Hans Block und Moritz Riesewick die latenten Mechanismen heraus, die Unternehmen wie Facebook, YouTube und Google einsetzen, um von Nutzern veröffentlichte Inhalte ihren Richtlinien entsprechend zu regulieren.
Die Konsequenzen daraus sind politisch brisanter als man vermuten könnte, auch wenn seit dem jüngsten Skandal um Cambridge Analytica vermehrt über den Umgang mit Daten und User Content diskutiert wird. Kaum bekannt ist dagegen die Arbeit der so genannten „Content Manager“ in den sozialen Netzwerken, die in minutiöser Arbeit bei jedem hochgeladenen Bild entscheiden müssen, ob es Teil der Öffentlichkeit werden darf oder gelöscht werden muss. Diese Arbeit könne nicht einfach von Algorithmen übernommen werden, erfährt man von einem der Angestellten. Doch es überrascht noch mehr zu sehen, dass diese Vorgänge keineswegs in Kalifornien ablaufen, sondern größtenteils auf den Philippinen, delegiert an Firmen, die für diese Arbeit von den großen US-Unternehmen bezahlt werden.
Stilistisch orientiert an Errol Morris und dessen investigativen Enthüllungsdokumentationen, präsentieren die beiden Filmemacher das Ergebnis ihrer Recherchen in Manila und stellen mit vielfältigen Interviewpartnern erstaunliche Bezüge her, die einen völlig neuen Diskurs um die gesellschaftspolitischen Konsequenzen der sozialen Medien eröffnen. Die Stärke des Films ist es, neue Sichtbarkeiten herzustellen, Fragen aufzuwerfen und allzu schnelle Antworten zu vermeiden.
Einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen vor allem die Gespräche mit den traumatisierten Arbeitskräften, die täglich über 25.000 Bilder sichten müssen, welche zumeist schwere Gewalt beinhalten. Im Alleingang müssen sie Entscheidungen treffen und können in Ermangelung des entsprechenden Wissens die Bilder oft nicht in einen Kontext stellen. Wann ist eine Karikatur so verletzend, dass sie gelöscht werden sollte? Ab wann ist das Bild eines toten Körpers gesellschaftlich und historisch zwingend relevant?
In klug gewählten Anschlüssen zeigen Block und Riesewick die Debatten um die pointierte Trump-Zeichnung mit kleinem Penis und lassen die von Facebook blockierte Künstlerin ebenso zu Wort kommen wie einen ebenfalls von Facebook zensierten syrischen Aktivisten und Künstler, der Fotografien von im Mittelmeer ertrunkenen Kindern veröffentlicht, um die grausame Wirklichkeit des Flüchtlingskrise aufzuzeigen. Doch die produktive Verstörung, die er anspricht und als Grundlage des kritischen Denkens in einer demokratischen Kultur versteht, wird immer mehr zurückgewiesen.
Dabei sind es gerade die sozialen Medien mit ihrer „Filter-Blase“, die eine Auseinandersetzung mit Fremdem oder Kontroversem zusehends verhindern. Stattdessen verstärken sie Affekte, die über eine schnelle Aufmerksamkeitsökonomie funktionieren. Dazu gehören vor allem Empörung und Hass. Dass dies nicht bloß die üblichen Internet-Trolle aus den Kommentarspalten betrifft, sondern Dynamiken hervorruft, die sogar Genozide auslösen können, führt der Film am aktuellen Beispiel der verfolgten Rohingya in Myanmar vor. Die Rolle, die der Sender RTLM beim Völkermord in Ruanda spielte, indem er zum Mord an den Tutsi aufrief, scheint hier von Facebook übernommen zu werden. Nur dass die Dynamik der Hetze noch komplexer und gleichzeitig diffuser geworden ist.
Sind es einerseits die Nutzer selbst, die in einem Schneeballeffekt neue identitäre Bewegungen hervorbringen, gibt es andererseits auch keine Neutralität der Technologie. Verborgene Regulatoren nehmen mit vollem Kalkül Einfluss auf entscheidende Faktoren, die eigentlich demokratisch verhandelt werden müssten. Dazu gehört auch der neokoloniale Zusammenhang, der sich über die Arbeitsbeziehungen zu Ländern wie den Philippinen fortschreibt. Dort hört man nicht nur die sprachliche Hybridität zwischen Spanisch, Filipino und Business-English, sondern sieht auch eine ganz eigene Form des Katholizismus, der heute wiederum bei einigen der philippinischen Arbeiter mit einem Missionsgedanken der Netzreinigung verbunden ist. Teilweise deckt sich dies mit den amerikanischen Zensurvorgaben zur Nacktheit, doch oft nimmt der Wunsch nach einer Tilgung der Sünde bizarre Ausmaße an, wie der Film anhand der politischen Lage in Manila zeigt. Denn der umstrittene Machthaber Duterte rechtfertigt mit ebensolchen Vorstellungen der Reinigung von dem Bösen seine organisierten Morde und nutzt die sozialen Medien ganz gezielt, auch in Umgehung der Presse.
Eine solche Politik als neues globales Phänomen herauszuarbeiten und dabei die widersprüchlichen Gleichzeitigkeiten stehen zu lassen, sie nicht vorschnell zu beantworten – das macht „The Cleaners“ zu einem wichtigen dokumentarischen Beitrag wie auch einem dringend benötigten demokratischen Impuls.