La Casa Lobo (Das Wolfshaus)

Animation | Chile 2018 | 75 Minuten

Regie: Cristóbal León

In Anlehnung an die berüchtigte Colonia Dignidad in Chile entfaltet der hochartifizielle Puppenfilm eine mäandernde Traumerzählung über die Ängste einer jungen Frau, die verzweifelt versucht, einem unheimlichen Haus zu entkommen. Der Raum wie die Figuren unterliegen einer endlosen Abfolge von Verwandlungen, deren düstere Wucht und Rasanz einen enormen Sog entwickelt. Das schauerliche Animationsmärchen scheint sich mit seinen wundersamen Momenten des Unheimlichen einer horrorhaften Vergangenheit entäußern zu wollen, wobei eine allzu manifeste Ausdeutung wohltuend in der Schwebe bleibt. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
LA CASA LOBO
Produktionsland
Chile
Produktionsjahr
2018
Produktionsfirma
Diluvio/Globo Rojo Films
Regie
Cristóbal León · Joaquín Cociña
Buch
Cristóbal León · Joaquín Cociña · Alejandra Moffat
Kamera
Cristóbal León · Joaquín Cociña
Länge
75 Minuten
Kinostart
04.04.2019
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Animation | Drama | Experimentalfilm | Puppenanimation
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Hochartifizieller Puppenanimationsfilm, der in Anlehnung an die berüchtigte Colonia Dignidad eine mäandernde Traumerzählung über die Ängste einer jungen Frau entfaltet, die verzweifelt versucht, einem unheimlichen Haus zu entkommen.

Diskussion

Ein Reigen aus Geschichten, die aufeinander aufbauen, zugleich aber ineinander verschachtelt bleiben. Figuren, Objekte und Materialien befinden sich in einem permanenten Wandel, einer Puppe gleich, die aus ihrem Gehäuse schlüpft. Ein Puppenfilm, der wie ein Märchen beginnt, aber den Horror und Schrecken einer Sekte einzufangen versucht, und dabei einen Wirbel aus rastlosen Bildern entfaltet, deren Sogwirkung man sich kaum entziehen kann.

Statt einer rationalen Ergründung einer ebenso realen wie monströsen Episode aus der jüngeren Geschichte Chiles liefert der Film eine mäandernde Traumerzählung, die die Ängste einer jungen Frau in düster-märchenhafte Bildsequenzen umsetzt, deren Wucht und Rasanz den Zuschauer bis zum Ende nicht mehr loslassen.

Makabre Gerüchte über Menschenrechtsverletzungen

In dem schauerhaften Animationsmärchen „La casa lobo“ („Das Wolfshaus“) von Christóbal León und Joaquín Cociña geht es um eine Gemeinde frommer Deutscher im Süden von Chile, womit bewusst eine Referenz zu der berüchtigten Sekte Colonia Dignidad des Deutschen Paul Schäfer gelegt wird. Die streng von der Außenwelt abgeschottete Siedlerkolonie unterstützte in den 1970er-Jahren den Putsch des chilenischen Militärs gegen den Präsidenten Salvador Allende, war in illegalen Waffenhandel aus Deutschland verwickelt und diente als Operationsbasis wie als Folterzentrum des Geheimdienstes DINA während der Militärdiktatur.

Auch wenn die Landschaften Chiles und die Momentaufnahmen von dem Mustergut der Kolonie in den dokumentarischen Archivbildern in der Exposition noch so idyllisch wirken mögen, spielt der Erzähler im Voice Over selbst auf die makabren Gerüchte über Menschenrechtsverletzungen an, die in der realen Colonia Dignidad von körperlicher Züchtigung über Zwangsarbeit, medizinische Versuche bis zum sexuellen Kindesmissbrauch reichten.

Dann wird ein Text eingeblendet, der von Maria erzählt, einem Mädchen, das aus der Siedlung in den Wald geflohen ist, um einer Strafe zu entgehen, sowie von drei Schweinchen und einem bösen Wolf. In einer betörend-kunstvollen Stop-Motion-Animation schildert der Film, was Maria in dem Haus widerfährt, das sie im Wald entdeckt hat. Der Raum und die Figuren sind in steter Bewegung und unterliegen einer endlosen Abfolge von Metamorphosen: Bilder tänzeln über die Wände, Möbel tauchen auf und verschwinden, Zimmer dehnen sich aus und schrumpfen, Lampen flackern, mysteriöse Wesen bevölkern das Haus. Selbst das Mädchen und die Schweine verlieren ihre feste Gestalt und mutieren zu nicht näher identifizierbaren Gebilden.

Alles verwandelt sich in bewegte Bilder

Die Wandmalereien und Zeitungspapier-Skulpturen verwandeln sich buchstäblich in bewegte Bilder, um die geheimnisvolle Geschichte Marias zu erzählen, die verzweifelt versucht, ihre unheimliche Behausung zu verlassen. Ob auch das Haus, das sich um Maria ständig verändert und geradezu „häutet“, etwas loswerden möchte, eine horrorhafte Vergangenheit vielleicht, bleibt ein Geheimnis und ruft Assoziationen an die Arbeiten des Raumkünstlers Gregor Schneider hervor, der Goebbels’ Geburtshaus in Mönchengladbach zu einem begehbaren Kunstwerk machte.

Wie der Deutsche Schneider, der Häuser in beängstigende Skulpturen verwandelt, agieren die chilenischen Künstler Christobal León und Joaquin Cociña in der besten Tradition lateinamerikanischer Literatur und entwerfen einen wahren Albtraum, der mit wundersam schreckhaften Momenten des Unheimlichen beeindruckt.

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