Die Jugendabenteuer des populären Comic-Hotelpagen Spirou als Realverfilmung mit schönen Details, Charme und tollen Schauspielern.
Comics aus Belgien und Frankreich besitzen nicht nur bei uns einen derart hohen Stellenwert, dass für sie der Begriff „franko-belgische Comics“ kreiert wurde. Aus ihrem Umfeld gingen zahlreiche internationale Bestseller hervor, etwa „Asterix“ von René Goscinny und Albert Uderzo, „Tim und Struppi“ von Hergé oder „Die Schlümpfe“ von Peyo. Sie alle dienten auch schon mehrfach als Vorlage für Leinwand-Adaptionen. Darunter finden sich sehr viele Animationen, aber auch Realverfilmungen wie zuletzt „Der kleine Nick“ und dessen Fortsetzung „Der kleine Nick macht Ferien“, die auf den Lausbubengeschichten von Sempé und Goscinny basieren.
Ähnlich viel Esprit und Originalität entwickelt nun auch „Der kleine Spirou“, dem die schon 80 Jahre alte Comic-Reihe „Spirou und Fantasio“ zugrunde liegt. Darin geht es um die Abenteuer eines etwas unkonventionellen Hotelpagen. Der aus Paris stammenden Regisseur Nicolas Bary nimmt sich in seiner Realverfilmung der Vergangenheit des kleinen Spirou an, zu der es seit den 1980er-Jahren eine eigene Reihe gibt: In Barys „Prequel“ ist der Titelheld gerade zwölf Jahre alt, und es geht ihm wunderbar.
Spirou liebt die Schule, er hat eine Handvoll bester Freunde und macht erste Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht. So versinkt er in Gedanken förmlich in dem großzügigen Dekolleté seiner attraktiven Mathematik-Lehrerin Mademoiselle Chiffre und beobachtet per Teleskop von seinem Zimmer die große Schwester seines engsten Kumpels beim Umkleiden. Sein Herz aber gehört der liebreizenden Klassenkameradin Suzette. Diese zarte Liaison droht allerdings zu zerbrechen, als Spirous Mutter ihrem Sohn eröffnet, dass er nach den Sommerferien auf die Pagenschule wechseln und dort jenen Beruf erlernen soll, den seine Vorfahren seit Generationen ausgeübt haben. Jetzt hat Spirou ein echtes Problem: Einerseits möchte er mit der Familientradition nicht brechen, andererseits wollte er doch Abenteurer werden.
Die besondere Kunst der Inszenierung von Nicolas Bary besteht darin, dass die Entwicklungsgeschichte zwar in erster Linie Kinder zwischen acht und zwölf Jahren anspricht, aber eine solche Fülle hübscher Details und absurder Situationen enthält, dass sich auch Erwachsene ihrer Faszination nicht entziehen können. Dies beginnt bei Figuren wie etwa Opa Pepe, einem rüstigen, lebenslustigen und auch etwas anarchischen alten Mann, den Pierre Richard mit weißem Rauschebart und der richtigen Mischung aus Verschmitztheit, Herzlichkeit und Weisheit ausstattet. Dazu gesellen sich François Damiens als grummeliger, sich selbst hoffnungslos überschätzender Turnlehrer Mégot, der aber, wenn es darauf ankommt, das Herz ebenso am rechten Fleck hat wie die Wahrsagerin aus dem Hippie-Wohnwagen, die mit Opa Pepe in verschiedener Hinsicht unter einer Decke steckt, vor allem auch, wenn es darum geht, dem zweifelnden Spirou den Beruf des Pagen schmackhaft zu machen.
Dazu kommt ein überzeugendes Kinderdarsteller-Ensemble, frische, auch in der deutschen Synchronisation pointierte Dialoge und in punkto Kostüme und Ausstattung eine nahezu überbordende Fantasie. Allein die ideenreiche Sequenz, in der Spirou mit Hilfe seiner Freunde und einfacher, aber probater Mittel wie einem Ventilator oder einem Werbeplakat Suzette auf eine Weltreise der anderen Art mitnimmt, macht den Film schon sehenswert. Da stört es auch nicht, dass die Szene, in der die beiden wie E.T. mit einem Spezialfahrrad durch die Lüfte gleiten, tricktechnisch nicht optimal gelöst ist. Denn der Moment entwickelt so viel Charme, dass Spezialeffekte hier keinerlei Relevanz besäßen. Weil sich Humor und Action, angenehme Unterhaltung und anregende Nachdenklichkeit wunderbar die Waage halten, kann man der zum Schluss angedeuteten Möglichkeit einer Fortsetzung nur beipflichten.