Nicht einmal in Ruhe auf den Tod vorbereiten kann man sich in diesem Hotel. Arthur war extra von Wien nach Amsterdam geflogen, um hier die gesetzlich erlaubte Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen. Er ist unheilbar an Lungenkrebs erkrankt und möchte sich das Leiden ersparen. Doch als er am Vorabend des geplanten Suizids im Hotel bei einem Glas Rotwein Abschiedsbriefe schreiben will, wird er durch laute Heavy-Metal-Musik gestört. Aufgebracht klopft Arthur an die Tür des Nachbarzimmers – und begegnet der völlig aufgelösten Claire, einer attraktiven Holländerin Anfang Dreißig. Irgendetwas stimmt hier nicht: Die Badewanne läuft über, ein Gläschen Schlaftabletten fällt um.
Offenbar begegnen sich hier zwei Menschen, die mit dem Leben abgeschlossen haben. Trotz ihrer Lebensmüdigkeit und ihrer Charakterunterschiede raufen sich Mann und Frau zusammen und ziehen durch das nächtliche Amsterdam, vom überfüllten Lokal in einen Coffeeshop, vom Tanzclub in eine Bar. Die anfängliche Abneigung weicht Interesse, die angespannte Stimmung des Beginns wandelt sich in Vertrautheit. Arthur erzählt von seinem entfremdeten Sohn und über die kuriose Begebenheit, die zum Zerwürfnis führte, Claire von ihrer fünfjährigen Tochter und dem Trauma, das sie miteinander verbindet. Plötzlich ist es Morgen, und Arthur muss entscheiden, ob es nicht doch einen Grund gibt, vielleicht ein bisschen länger zu leben.
Das ist auch schon alles, was in diesem Film passiert, der lose auf dem gleichnamigen Theaterstück von Stefan Vögel beruht. Die Handlung war darin auf einen einzigen Ort, nämlich das Hotelzimmer, beschränkt. Regisseur Miguel Alexandre, der gemeinsam mit dem Hauptdarsteller Josef Hader auch das Drehbuch schrieb, hat diese Grenze gesprengt und ist nach draußen gegangen, in die nächtliche Stadt mit ihren Versprechungen von Romantik und Abenteuer, aber auch mit deren Dekonstruktion durch die Bilder schmuckloser Industriegebiete. Das gibt dem Film etwas Leichtfüßig-flanierendes.
„Ein Mensch, der Angst vor dem Tod hat, trifft auf einen Menschen, der sich vor dem Leben fürchtet“, beschreibt Alexandre die Prämisse des Films. Es geht um die Angst vor dem Sterben, um Schuld, die einen am Leben hindert, aber auch um den Willen, der Tragik etwas Positives entgegenzusetzen, um Hoffnung also. Die Inszenierung fängt das gewichtige Todesthema immer wieder durch Ironie und schwarzen Humor auf. Vor allem Josef Hader steuert dazu viele lakonische Sprüche bei. „Einfach in fremde Zimmer gehen – machen die Deutschen das immer noch so?“, fragt Claire provozierend bei der ersten Begegnung. „Ich bin Österreicher.“ „Noch schlimmer.“ So viel Selbstironie muss man erst einmal aufbringen.
Die dramaturgische Reibung entsteht vor allem durch die Gegensätzlichkeit der Charaktere. Hader spielt den verklemmten Grantler, der nur allzu gern seinem Entrüstungsbedürfnis nachgibt. Nicht einmal im Coffeeshop fühlt er sich wohl: „Beim Entspannen habe ich Versagensängste.“ Hannah Hoekstra verkörpert hingegen glaubwürdig die temperamentvolle Claire, die zwischen Lebenswillen und Lebensmüdigkeit gefangen ist. Ein Spannungsfeld, das sich in gelegentlichen Wutausbrüchen entlädt. Auch für den Schluss findet der Film den richtigen Ton. Und wer immer schon mal wissen wollte, was das schwierigste Wort im Niederländischen ist, erfährt es hier: „schip beschuit“, zu Deutsch: „Schiffszwieback“.