Wer die Performerin und Sängerin Grace Jones im Kontext ihres überraschenden Comeback-Albums „Hurricane“ (2008) einmal live erlebte, hat vielleicht bemerkt, wie sich in die verstörend-kalte Eleganz der Stilikone mit den Jahren eine unschöne Portion uneleganter Vulgarität gemischt hat. Was wohl mit dem Umstand zusammenhängt, dass eine Künstlerin, die ihr Repertoire von gut einem Dutzend seinerzeit großartiger Songs, von „La Vie En Rose“ bis „Slave to the Rhythm“, alternd durch die Jahrzehnte performt, mitunter leicht zur Bierzelt-Animateurin mutieren kann.
Von solchen „Entgleisungen“ ist in der Langzeitbeobachtung von Sophie Fiennes allerdings kaum etwas zu sehen. Dafür zeigt die britische Filmemacherin durchaus eindrucksvoll, wie viel Arbeit es bedarf, das „Gesamtkunstwerk“ Grace Jones auf und jenseits der Bühne zu behaupten. „Bloodlight and Bami“ ist keine gewöhnliche Musikdokumentation, die mit reichlich Archivmaterial und kommentierenden Zeitzeugen eine künstlerische Biografie affirmativ rekonstruiert, sondern eher eine respektvolle, aber kommentarlose Beobachtung des Status quo einer Künstlerin, die im Mai 2018 ihren 70. Geburtstag feiert, aber auf frappierende Weise deutlich jünger daherkommt.
Erstmals sind sich die Künstlerin und die Filmemacherin im Jahr 2002 begegnet, als Sophie Fiennes ein Porträt von Jones’ Bruder Noel drehte, einen Priester der City of Refuge Church in Kalifornien. In der Folgezeit begleitete das Filmteam den Popstar in bester „Fly on the wall“-Manier auf seinen Reisen zwischen „Bloodlight“ (Bühnenlicht) und „Bami“ (Maniokfladenbrot). Man erlebt Grace Jones in der Folge bei Konzertauftritten, in Fernsehstudios, im Gespräch mit Musikern, „privat“ in Hotelzimmern und bei Interviews, bei der Arbeit im Studio, auf Fototerminen und beim Besuch in ihrer Heimat Jamaika, wo sie 1948 in einer tiefreligiöse Familie geboren wurde, von der sie sich Mitte der 1960er-Jahre durch Flucht emanzipierte.
Auf Jamaika wird mit der Familie, Verwandten und Bekannten gescherzt; es werden Familiengeschichten und Anekdoten getauscht. Wenn die Rede auf ihren despotischen, gewalttätigen Stiefgroßvater kommt, deutet Jones an, dass ihre eigentümliche Star-Persona vielleicht dort ihren Ursprung hat: „Ich fantasiere Master P. Deshalb bin ich furchterregend. Ich werde zu einer männlich dominanten und furchterregenden Person.“ Doch solche Reflexionen auf die Genese der Kunstfigur sind eher selten. Um 1980 war aus einer Edel-Disco-Diva aus dem erweiterten Andy Warhol-Kreis des New Yorker „Studio 54“ eine Art androgyner Cyborg entstanden, die mit den Disco-Wave-Reggae-Dub-Sounds und ihrer „One Man Show“ inszenatorische Maßstäbe setzte und damit bis in den James-Bond-Kosmos vordrang.
Grace Jones behält auch in scheinbar privaten Zusammenhängen, etwa wenn sie in einem See ein Bad nimmt oder im Hotel aus der Dusche steigt, stets die Kontrolle über die Bilder. So trägt sie Warhol in Form von Accessoires gewissermaßen immer bei sich, bringt ihre aufregenden Designer-Hüte als „geniale“ Geschenke nach Jamaika mit und ist sich ihres Images stets bewusst. Dazu gehört auch, dass es mit ihr ziemlich ungemütlich werden kann, wenn man ihren Status als Diva oder Künstlerin in Frage stellt, wie es ihre langjährigen Musiker Sly Dunbar und Robbie Shakespeare oder auch ihr Management erfahren müssen. Zusammen mit den Live-Performances von Grace Jones ist der Film also eine ziemlich kurzweilige Angelegenheit, die nicht nur für Nostalgiker von Interesse ist.