The Marvelous Mrs. Maisel

Komödie | USA 2017 | 416 (Staffel 1, 8 Folgen) 524 (Staffel 2, 10 Folgen) 466 Staffel 3, 8 Folgen) 457 (Staffel 4, 8 Folgen) Minuten

Regie: Amy Sherman-Palladino

Im New York der späten 1950er-Jahre geht eine junge Frau in ihrer Rolle als perfekte jüdische Hausfrau und Mutter der Upper Class auf, während es ihren Mann aus seinem langweiligen Bürojob weg auf die Comedy-Bühnen von Greenwich Village zieht. Als er sie verlässt, betritt sie ihrerseits als Stand-up-Komikerin berufliches Neuland, was sie an der Seite einer energischen Managerin, wenn die beiden ab Staffel 2 auf Tour gehen, bald weit über New York hinaus führt. Freilich reibt sich diese Karriere immer wieder mit familiären und gesellschaftlichen Erwartungen an das, was sie als Frau zu tun und zu lassen hat. Die Comedy-Serie begeistert durch gepfefferten Wortwitz und exzentrische Charaktere. Die Verortung in der Mid-Century-Ära ist Anlass für eine knallbunte Ausstattungsorgie, bietet aber auch den Rahmen für eine Auseinandersetzung mit Gender-Klischees und ihrer Überwindung. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE MARVELOUS MRS. MAISEL
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Picrow/Amazon
Regie
Amy Sherman-Palladino · Daniel Palladino · Scott Ellis · Jamie Babbit · Daniel Attias
Buch
Amy Sherman-Palladino · Daniel Palladino · Sheila R. Lawrence
Kamera
Eric Moynier · M. David Mullen · Jeffrey Jur · Alex Nepomniaschy
Musik
Eric Gorfain · Sam Phillips
Schnitt
Kate Sanford · Tim Streeto · Brian A. Kates · Andrew Mondshein
Darsteller
Rachel Brosnahan (Miriam "Midge" Maisel) · Michael Zegen (Joel Maisel) · Alex Borstein (Susie Myerson) · Marin Hinkle (Rose Weissman) · Tony Shalhoub (Abe Weissman)
Länge
416 (Staffel 1, 8 Folgen) 524 (Staffel 2, 10 Folgen) 466 Staffel 3, 8 Folgen) 457 (Staffel 4, 8 Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Komödie | Serie
Externe Links
IMDb

Erfolgsserie um eine Jüdin aus der New Yorker High Society, die sich eine Karriere als Stand-up-Comedienne aufbaut, begeistert nicht nur wegen ihrer mitreißenden Hauptfigur, sondern nicht zuletzt auch dank Nebenfiguren, die deren Perspektive immer wieder erweitern und konterkarieren.

Diskussion

Staffel 1

Es ist eine ganz wortwörtliche Befreiung aus dem Korsett der klassischen Rollenbilder, die Miriam Maisel (Rachel Brosnahan)eines Nachts in einem Kellerklub in Greenwich Village hinlegt: Auf der Bühne entblößt sie ihre Brüste, als Teil eines spontanen, von zu viel Alkohol befeuerten Comedy-Auftritts, bei dem sie dem Frust über ihren untreuen Ehemann Luft macht. Im New York des Jahres 1958 ein skandalöser Akt, der prompt zur Verhaftung führt. Aber auch der Auftakt einer für ihre Zeit ungewöhnlichen Künstler-Karriere.

Dabei ist es in der neuen Comedy-Serie von Amy Sherman-Palladino zunächst Joel Maisel, der davon träumt, als Stand-up-Comedian berühmt zu werden. Wenn er seinen einträglichen, aber öden Bürojob hinter sich gebracht hat, tauschen er und Miriam ihre schicke Upper-Class-Garderobe gegen Bohème-taugliche Klamotten und fahren von der Upper West Side nach Greenwich Village, dort, wie sich die hippe Künstler-Szene der Stadt trifft. Joel erprobt sich auf der Bühne, während Miriam noch ganz aufgeht in ihrer Performance als perfekte jüdische Hausfrau: ihr Brisket ist exzellent, die Wohnung adrett, die Kinder vielleicht nicht ganz so hübsch wie die Mutter, ansonsten aber wohlgeraten, und um ihrem Ehemann den Anblick ihres ungeschminkten Selbst zu ersparen, wäscht sich Miriam abends erst dann das Make-up weg, wenn ihr Mann schon eingeschlafen ist, und steht pünktlich auf, um sich schön zu machen, bevor er beim Weckerklingeln die Augen aufschlägt. Man ahnt früh, dass diese Rollenverteilung nicht lange gutgehen wird.

Erst vor Publikum findet Mrs. Maisel richtig zu sich selbst

Joel gibt als Comedian eine ziemlich lahme Nummer ab, während man bereits in der ersten Sequenz der ersten Folge sieht, wenn Miriam bei ihrer Hochzeit die Gäste mit einer ebenso witzigen wie gewagten Rede unterhält, dass ihr Show-Talent wesentlich zündender ist als das ihres Gatten und dass sie erst vor Publikum so richtig zu sich selbst findet: paradoxerweise traut sie sich in der Rolle der Entertainerin, viel ehrlicher und „ungeschminkter“ zu sein als im normalen Leben. Entsprechend hält sich das Mitleid in Grenzen, als selbiger Gatte eines Tages beschließt, dass ihn das Leben mit Miriam zu arg einschränkt, und mit seiner Sekretärin durchbrennt: Miriam mag erstmal darunter leiden wie ein Hund, aber es ist abzusehen, dass letztlich sie diejenige sein wird, die in der neugewonnenen Freiheit aufblüht. Wozu auch die Tatsache beiträgt, dass sie in der ruppigen Suzie, in den dem Kellerclub in Greenwich Village arbeitet, eine Freundin findet, die ihr bei ihren künstlerischen Gehversuchen zur Seite steht.

Showrunner der Amazon-Eigenproduktion ist Amy Sherman-Palladino, die u.a. als Drehbuchautorin für die Comedyserie „Roseanne“ reüssierte und dann als Erfinderin der „Gilmore Girls“ Fernsehgeschichte schrieb. Ihr neues Projekt kreist erneut um eine starke, clevere Frauenfigur und begeistert nicht nur durch gepfefferte Dialoge und treffsichere Situationskomik, sondern auch als Zeitbild der späten 1950er: Einerseits kommt die Serie als lustvolle, knallbunte Kostüm- und Ausstattungsorgie daher, als Hommage ans alte New York, das jüdische Leben dort und die Bohème der Beat-Generation; andererseits gibt sie einen guten Rahmen ab, um sich an Geschlechterrollenbildern, ihrem mühsamen Aufbrechen und speziell am Thema „Frauen im Show-Biz“ zu reiben. So komisch „The Marvelous Mrs. Maisel“ mit der hinreißenden Hauptfigur und diversen exzentrischen Nebenfiguren auch ist, schafft es Sherman-Palladino, das Thema durchaus ernst zu nehmen: Bei Miriam Maisel, wenn sie auf der Bühne alles gibt und mit unkaputtbarem Optimismus ihre Frau steht, scheinen durchaus auch tragische Seiten durch. Wie es sich für eine Vorkämpferin gehört. Felicitas Kleiner

 

Zum Auftakt von Staffel 4

Comedy floriert im Unglück, das lernt die New Yorker Hausfrau und Dame der Gesellschaft Midge „Midge“ Maisel (Rachel Brosnahan) am eigenen Leib. Zugleich ist dies auch die Prämisse, die über allen bisher veröffentlichten Staffeln der nach ihrer Protagonistin benannten Serie schwebt. Bereits in der Pilotfolge zerplatzt Midges Traum vom perfekten Leben – Mann, Kinder, respektables Leben in der jüdischen Gemeinde an der New Yorker Upper Westside: Nach nur vier Jahren verlässt ihr Ehemann Joel (Michael Zegen) sie für seine Sekretärin und weil er sie innerlich auch irgendwie für seine eigenen zerplatzten Träume verantwortlich macht. Sein Versuch, das triste Büroleben durch eine Karriere als Stand-up-Comedian zu ersetzen, scheiterte an seinem mangelnden Talent, während Midge vor natürlichem Witz und Esprit geradezu sprüht. Der Grundstein für ihre eigene Comedy-Karriere ist gelegt, und fortan arbeitet sich die immer adrette Hausfrau auch auf der Bühne an den gesellschaftlichen Normen der USA in den späten 1950er-Jahren ab. In einer von Männern dominierten Welt und Branche ist sie die erste ernstzunehmende Stand-up-Comedienne, zudem alleinerziehende Mutter und trotzdem berufstätig.

Vorreiterin der modernen Stand-up-Comedy

Nun muss man zugeben, dass Midges Fallhöhe objektiv betrachtet eher nur Stolperniveau hat: Ja, sie ist geschieden und das ist Ende der 1950er-Jahre noch ein Makel, der wie ein Kaugummi an der Schuhsohle kleben bleibt. Ja, sie ist eine der ersten Frauen, die sich als Stand-up-Comedienne versuchen, zu einer Zeit, als Frauen, die gesellschaftlich etwas auf sich geben, öffentlich keine anzüglichen Witze machen, ihre Rolle als brave Ehefrauen anzweifeln oder gar Künstlerinnen sein dürfen.

Doch bei allem moralischen Scheitern und möglichem Statusverlust: Midge kommt aus gutem Hause, kann die Kinder jederzeit bei den Großeltern abladen und darf ihre Wohnung mit sechs Zimmern, zwei Bädern und Dienstmädchen behalten. Beim Betreten des recht großzügigen Domizils stellt ihre Managerin Susie (Alex Borstein), die zweite zentrale Frauenfigur der Serie, Vergleiche mit Versailles an: „Wer besitzt Besteck für 30 Personen, und wo ist dein Flugzeug? Im Badezimmer?“ Reales Vorbild für Midge war Joan Rivers, die sich als erste Frau in der amerikanischen Comedy-Szene behaupten konnte – bis zu ihrem Tod 2014 eine Ikone, die neben ihrem Vorbild Lenny Bruce mit ihrem persönlich-klatschhaften und satirischen Stil Vorreiterin der modernen Stand-up-Comedy wurde.

Die Serie antizipiert die „MeToo“-Bewegung

Die von „Gilmore Girls“-Erfinderin Amy Sherman-Palladino und ihrem Ehemann Daniel Palladino entwickelte Serie trifft den Nerv der Zeit: Die Pilotfolge wurde im März 2017 ausgestrahlt und antizipierte in ihrer Infragestellung von normierten Geschlechterrollen und der Herausforderung patriarchaler Strukturen die im darauffolgenden Herbst aufkeimende „MeToo“-Bewegung. Die als „Marvelous Mrs. Maisel“ auftretende Midge trifft mit ihren persönlichen Storys und teilweise derben Zuspitzungen des Hausfrauendaseins sowohl in ihren Shows als auch beim heutigen Serienpublikum ins Schwarze. Sie benennt willkürliche wie fragile Machtverhältnisse, auch wenn sie sie nicht im Alleingang zu durchbrechen vermag.

Die ersten beiden Staffeln begleiten Midge bei ihrem Versuch, eine eigene Künstlerkarriere aufzubauen und sich von der Erwartungshaltung ihrer anfänglich recht pikierten Familie freizuschwimmen. Sherman-Palladino gelingt es dabei vortrefflich, sie mit einem ganzen Strauß an Nebenschauplätzen in ihrer Zeit zu verankern: Vater Abe (Tony Shalhoub), ursprünglich Mathematikprofessor, bekennt sich mit der Zeit zu seinem Traum, Theaterkritiker zu werden, und gibt sich kurzfristig einem Leben in der New Yorker Bohème hin, während Mutter Rose (Marin Hinkle) ihre für die Ehe geopferte Liebe für die Kunstgeschichte wiederaufnimmt und nach Paris reist. Ex-Mann Joel eröffnet letztlich einen Nachtclub, wenn es schon mit der eigenen Comedy-Karriere nicht geklappt hat.

Die Serie entfernt sich bisweilen mäandernd von Midges Unternehmung, erzeugt so jedoch ein kurzweiliges und mitunter verschrobenes Bild der New Yorker Upper Class und zeigt: Während Midge trotz ihrer aufblühenden Karriere weiterhin in ihren alten Strukturen verhaftet ist, entwickelt sich eine andere Figur zum eigentlichen Star der Serie, nämlich ihre Managerin und Freundin Susie Myerson, herrlich raubeinig gespielt von Alex Borstein.

Mit trockenem Humor und Straßenschläue

Die beiden Frauen könnten kaum aus konträreren Teilen der Gesellschaft kommen und brauchen einander vielleicht gerade deshalb gegenseitig. Während Midge nie über Geld nachdenken musste und sich deshalb auch nur in einem gewissen Maße aus ihrer Komfortzone herausbewegen muss, ist Susie in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen und mittlerweile gewöhnt, im Leben um alles kämpfen zu müssen. Ihre Souterrain-Wohnungstür geht nur auf, wenn das Schrankbett eingeklappt ist, und die Anschaffung eines Telefons ist ein Ereignis. Ihr Traum ist es, Künstlermanagerin zu werden, und in Midge sieht sie ihre große Chance. Susie, im besten Sinne ein Tomboy, widerspricht proaktiv sowohl äußerlich als auch im Umgang mit Männern dem gängigen Frauenbild und setzt sich dadurch auch bei harten Verhandlungen mit Schläue und Widerstandsfähigkeit durch. Ähnlich redegewandt wie Midge, aber im realen Leben verankert, hat sie es gelernt, sich mit trockenem Humor und Straßenschläue durchzuschlagen. Dabei ist sie sich ihrer Herkunft immer bewusst. Als ein Butler sie in besserer Gesellschaft nicht einlassen will und nach einem Ausweis fragt, stapft sie resolut an ihm vorbei und zeigt ihm den Stinkefinger. Pragmatisch und gewitzt laviert sie sich durchs Leben und fliegt dennoch oft unter dem Radar, weil sie als Frau eben unterschätzt wird und das für sich zu nutzen weiß.

Allerdings zerfließt ihr Geld immer zwischen den Fingern, weil sie es nicht gewohnt ist, damit umzugehen. Das wird vor allem Ende der dritten Staffel zum akuten Problem, da sie eigentlich Midges Gage einer mehrmonatigen Welttournee verwalten soll, diese aber verspielt. Um niemanden, an dem ihr etwas liegt, vor den Kopf zu stoßen, verstrickt sie sich in allerlei dubiose Geschäfte, um dieses Scheitern zu verschleiern. Was Midge sich mit Manieren und Dauerlächeln erarbeitet, macht Susie mit Herzlichkeit wett. Zwar ist sie angesichts ihrer Vorgeschichte grundsätzlich misstrauisch, doch hat sie jemanden einmal ins Herz geschlossen, ist sie loyal und betreibt für die Person auch einigen Aufwand, um zu helfen. Als die Maisels in ihren Augen viel zu lange zur Sommerfrische in den Catskills weilen, reist sie kurzerhand selbst an, um Midge abzuholen. Um nicht als Fremde im Ferienressort aufzufallen, läuft sie mehrere Tage mit einem Pümpel herum und gibt sich als Klempner aus – mit Erfolg, denn am Ende gilt sie als beliebteste Mitarbeiterin, obwohl sie gar nicht angestellt ist.

Gesellschaftspolitische Probleme über die Misogynie hinaus

Während die ersten beiden Staffeln Midge beim Versuch begleiten, eine eigene Karriere aufzubauen und sich langsam aus dem behüteten Nest in New York herauszubewegen, knüpft die dritte Staffel an einige weitere gesellschaftspolitische Probleme der USA an: Auf Tour mit dem afroamerikanischen Crooner Shy Baldwin (Leroy McClain) sieht Midge sich auch mit Rassismus und Homophobie konfrontiert und beweist ein beachtliches Maß an Naivität und mangelndem Feingefühl. Als sie Shy nach einem rassistischen Angriff verprügelt vorfindet, bietet sie an, ihn im Hotel zu schminken. „Ich kann nicht in eure Hotels spazieren, wir sind hier in Florida“, entgegnet der nur resigniert.

Als sie Shy in einer großen Show in New York beinahe auch noch outet – zur Erinnerung: ein afroamerikanischer Schwuler Anfang der 1960er-Jahre –, feuert dieser sie als Opening Act von der anstehenden Welttournee. Bei allen persönlichen Ambitionen und ehrlichen feministischen Schritten merkt Midge nicht, dass sie hier selbst grobschlächtig eine Grenze überschritten hat, die sie sonst von Männern gegenüber Frauen einfordert: Statt reflektierend einzusehen, dass sie sich übergriffig verhalten hat, sieht sie sich selbst wieder als Opfer eines Mannes, der über ihre Karriere entscheidet. Die vierte Staffel wird in dieser Hinsicht spannend werden, da Midge sich nun noch weiter außerhalb ihres geschützten Universums behaupten werden muss. Dafür wird es jedoch notwendig sein, einen Sinn für die reale Welt zu entwickeln – im besten Falle kann Susie ihr auch hierbei behilflich sein. Sofia Glasl

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