Freiheit (2017)
Drama | Deutschland/Slowakei 2017 | 103 Minuten
Regie: Jan Speckenbach
Filmdaten
- Originaltitel
- SLOBODA
- Produktionsland
- Deutschland/Slowakei
- Produktionsjahr
- 2017
- Produktionsfirma
- One Two Films/Bfilm/ZAK Film Prod.
- Regie
- Jan Speckenbach
- Buch
- Jan Speckenbach · Andreas Deinert
- Kamera
- Tilo Hauke
- Schnitt
- Jan Speckenbach
- Darsteller
- Johanna Wokalek (Nora) · Hans-Jochen Wagner (Philip) · Inga Birkenfeld (Monika) · Andrea Szabová (Etela) · Ondrej Koval (Tamás)
- Länge
- 103 Minuten
- Kinostart
- 08.02.2018
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Drama
- Externe Links
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Heimkino
Drama über eine Anwältin, die Mann und ihre beiden Kinder verlässt und nach einem ungebundene Leben sucht. Spiegelbildlich lotet der Film aber auch die Schwierigkeiten des nun allein erziehenden Vaters aus.
Einmal fährt Nora mit dem Bus ziellos durch Wien. Bevor sich die Kamera ins Innere begibt, sieht man, wie sich der Stadtraum in der glatten Oberfläche des Fahrzeugs spiegelt. Die Welt kippt, sie teilt sich in zwei Sphären. Später bleibt Nora einfach sitzen, fährt bis zur Endstation und schaut teilnahmslos einem Überfall auf die Kasse des Busses zu. Immer wieder setzt Regisseur Jan Speckenbach die Abgetrenntheit der Protagonistin prägnant ins Bild. Auch in einer Gruppenführung im Kunsthistorischen Museum schert Nora irgendwann aus. Alles sagt: Diese Frau gehört nicht mehr dazu, sie will nicht dazugehören, sie gehört nur sich selbst.
Nora, eine moderne Wiedergängerin von Ibsens gleichnamiger Heldin „Nora oder Ein Puppenheim“, hat Mann und Kinder in Berlin verlassen. Ganz im Stillen, ohne Erklärung, scheinbar ohne jede Vorwarnung. Die Szene, in der sich diese Entscheidung anbahnt und schließlich vollzieht, verschiebt der Film klugerweise ans Ende. So lernt man Nora, die sich mal Petra, mal Christine nennt und sich mit wechselnden Erzählungen ausstattet, als Drifterin kennen. Wobei sich nie wirklich sagen lässt, ob sie flieht, sucht oder schon gefunden hat beziehungsweise welches Mischverhältnis gerade vorherrschend ist.
Der Film folgt Nora von Wien, wo sie mit einem anonymen jungen Mann Sex hat, nach Bratislava. Dort wirft sie die Reste ihrer bürgerlichen Existenz ab, legt sich mit einem asymmetrischen Haarschnitt und einem glitzernd-langen Ohrring eine kantigere Oberfläche zu. Nachdem ihre Kontakte zunächst flüchtig sind, freundet sie sich mit einer Sexarbeiterin an, deren Mann ihr einen Job als Zimmermädchen in einem noblen Hotel vermittelt. Am Ende sitzt Nora als Fremde bei einer Kleinfamilie am Tisch und spürt auf schmerzhafte Weise das Echo ihrer eigenen Vergangenheit. „Bevor die Seelen der Verstorbenen wiedergeborenen werden, müssen sie aus dem Fluss Lethe trinken, um ihre Vergangenheit zu vergessen“, heißt es prophetisch auf einer einleitenden Schrifttafel.
Auf der anderen, spiegelbildlichen Seite kämpft Noras Mann Philip mit seiner Rolle als allein erziehender Vater und verlassener Ehemann. Die Parallelerzählung wirkt eigenartig uneben. So zeichnet der Film einerseits die gelegentlich ins Aggressive ausbrechende Lähmung des Mannes in den eher erwartbaren Mustern einer Krisenerzählung aus der Mittelschicht. Andererseits arbeitet die Inszenierung einige Subplots ein, die auf holprige Weise aus dem Erzählrahmen ausbrechen. So bekommt Philip, der wie seine Frau als Anwalt arbeitet, die Pflichtverteidigung für einen jugendlichen Straftäter übertragen, der einen afrikanischen Flüchtling ins Koma geprügelt hat. Der regungslos im Krankenhausbett liegende Mann wird für Philip zum gesprächstherapeutischen Gegenüber; hier kann er sich aussprechen. In einer anderen Szene wird ein dunkelhäutiger Tennislehrer in Dienst genommen, um Noras Suche auf ziemlich hingeworfene Weise durch identitätspolitische Fragen zu erweitern – eine schwierige Verquickung.
Die Freiheit, die der Titel als Frage an die Figur aufdrängt, bleibt ein nie ganz einzulösendes Versprechen. Am ehesten scheint sie sich im Spiel von Johanna Wokalek einzulösen, die ihre Nora mit einer schönen Mischung aus Durchlässigkeit, Neugierde und leicht distanziertem Bei-Sich-Sein verkörpert. Ihre Präsenz steht allerdings immer wieder der Hang der Inszenierung entgegen, die als offen behauptete Erzählung mit allerhand Gewichten zu beschweren: durch Verweise auf die griechische Mythologie oder mit dem Turmbau zu Babel auch auf die biblische Geschichte. Dazu kommt noch Musik von Henry Purcell aus „Dido und Aeneas“. In einem so wuchtigen Rahmen muss jede Drifterin unweigerlich an Grenzen stoßen.