Flitzen sei eine Sportart wie jede andere, erklärt Fritzlis Bruder einmal dem Lehrer Balz Näf. Man müsse hart trainieren, fit und superschnell sein, den Einsatz genau planen und eine Strategie haben. Darauf muss man erst einmal kommen, denn selbstverständlich bedeutet „Flitzen“ im Volksverständnis nicht „sich sehr rasch (mit einem Fahrzeug) fortbewegen“, wie der Duden es definiert, sondern unverhofft im Adamskostüm an einem öffentlichen Ort, etwa einer (Sport-)Veranstaltung, aufzutauchen. Oft assoziiert man dies auch mit Protest, doch Peter Luisi nimmt es in „Flitzer“ eher von der herzhaft humorvollen Seite. In der Tat ist es ja durchaus komisch, wenn immer mal wieder Nackedeis während eines Fußball-Spiels über den Rasen stürmen; die Fans haben ihre Gaudi, das Publikum auch. Entsprechend erwähnt der Film im Nachspann so viele Fußball-Clubs wie in keinem anderen Schweizer Film. Der Lehrer Balz Näf in „Flitzer“ wird vom Schweizer Komiker, Kabarettisten, Schauspieler und Autor Beat Schlatter gespielt, der schon vor einigen Jahren erstaunlich viel Sportgeist bewies, als er sich für einen „Dokumentarfilm“ von This Lüscher („Hoselupf – Oder wie man ein Böser wird“) als engagierter Moderator unerschrocken in den Schwinger-Sand wagte. Nunmehr ausgestattet mit einem herrlichen Vollbart, erzählt er die Geschichte, wie ein biederer Schulmeister eines Tages zum Flitzer wird. Auch die Flitzer-Idee, sagt Peter Luisi, stamme von Schlatter. Die beiden kennen sich seit Jahren, Schlatter hat in Luisis Kurzfilm „Die Praktikantin“ sowie in der Komödie „Ein Sommersandtraum“ mitgespielt. Nun hat er Luisi die Flitzer-Geschichte erzählt, und Luisi hat ihm die Figur Näf auf den Leib geschrieben: einen braven Schulmeister, der in der idyllischen Kleinstadt Baden unweit von Zürich Deutsch unterrichtet. Näf ist verwitwet, hat eine pubertierende Tochter, die zu ihrem Leidwesen unter ihrem Vater die Schulbank drückt. Näf hat sehr viel weniger mit Sport als mehr mit Gottfried Keller am Hut. Der Zürcher Literat, zu dessen köstlichsten Seldwyla-Novellen „Kleider machen Leute“ zählt, ist sein Idol, und Näf träumt von einem „Gottfried Keller Museum“ in Zürich. Das wäre irgendwie „cool“ und würde vielleicht sogar seine Tochter beeindrucken. Nach einigen fleißigen Sammelaktionen hat Näf, der auch die Schulfinanzen betreut, das nötige Startkapital beisammen. Nur kann sich der Schulleiter überhaupt nicht erinnern, mit Näf je über ein Museum gesprochen, geschweige denn eines versprochen zu haben. Und das Lehrergremium entscheidet basisdemokratisch gegen das Museum und für einen Sportplatz mit FIFA-zertifiziertem Kunstrasen. Nun steht Näf, der das Museumsprojekt voreilig angeschoben hat, mit abgeschnittenen Hosen bzw. mit 741.000 Franken Schulden da. Eine unangenehme Situation, wie er seinem Friseur Kushtrim anvertraut. Der Exil-Albaner betreibt nebenher ein kleines Wettbüro, irgendwoher muss das Geld für Kunst an der Wand, Goldkettchen, teure Uhr und schicken Sportwagen kommen. Fußball-Wetten, sagt Kushtrim, könnten Näfs Problem lösen, und Näf greift in der Not zum Strohhalm. Doch dann bringt kurz vor Spielabpfiff Fritzlis Bruder den bestochenen Torwart derart aus dem Konzept, dass der erhoffte Geldsegen ausbleibt. Und Näf, inzwischen sozusagen doppelt verschuldet, wird erfinderisch. Danach geht es turbulent drunter und drüber. Nackt über Spielfelder stürmende Menschen spielen dabei ebenso eine Rolle wie Kushtrims bald munter überquellende Wettkasse. Die Polizei, die der frivolen Textilfreiheit mittels Untergrundmann den Riegel vorschieben will, verpasst der Komödie einen Hauch von Krimi, und dank der ermittelnden Kommissarin kommt auch die Romantik nicht zu kurz. Das Erzähltempo ist flott, die frech um die Ecke gedachte Story überrascht mit köstlichem Slapstick. Wie Beat Schlatter, mit Handschellen an eine Bettstatt gekettet, mitsamt dieser aus einem Fenster steigt, vergisst man so schnell nicht wieder. „Flitzer“ ist der seit Jahren frechste und lustigste Schweizerfilm.