In einer zukünftigen Gesellschaft sorgt ein Software-Programm für die Normierung der Menschen und verhindert Krankheiten und Verbrechen. Allgemeine Glückseligkeit hat sich dadurch trotzdem nicht eingestellt, wie eine Welle von Selbstmorden zeigt. Als eine Inspektorin der Weltgesundheitsorganisation die Gründe dafür erforschen soll, stößt sie auf Spuren eines Hackerangriffs, an dem auch eine totgeglaubte Freundin beteiligt zu sein sind. Ebenso fesselnder wie inhaltlich anspruchsvoller Science-Fiction-Animationsfilm, der ein beklemmendes Szenario entfaltet. Auch formal ambitioniert, wird die Handlung in kryptische Bilder umgesetzt.
- Sehenswert ab 16.
Harmony
Animation | Japan 2015 | 119 Minuten
Regie: Michael Arias
Kommentieren
Filmdaten
- Originaltitel
- HĀMONĪ
- Produktionsland
- Japan
- Produktionsjahr
- 2015
- Produktionsfirma
- Studio 4°C/Aniplex/Dentsu/Fuji TV/Toho/Sony Music Ent./Fuji Pacific Music Publ./Kyoraku Industrial Holdings/Kansai Telecasting/Beyond C.
- Regie
- Michael Arias · Takashi Nakamura
- Buch
- Kouji Yamamoto
- Musik
- Yoshihiro Ike
- Schnitt
- Kengo Shigemura
- Länge
- 119 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 16
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Animation | Drama | Science-Fiction
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Die Menschheit ist gerettet! Was keinesfalls selbstverständlich ist, nachdem die Zeit des Maelstroms mit seinen globalen Unruhen millionenfachen Tod und (soziale) Verwüstung auf der Erde hinterlassen hat. Dank einer genialen Medizin ist die Welt aber nun geheilt: Ein Nanobot namens „Watch Me“, sorgt, einmal injiziert, mit seiner Software dafür, dass der Mensch nicht mehr auf die schiefe Bahn gelangt, keine Krankheiten ausbrütet und keine Drogen konsumiert, keine Kohlehydratdepots um Bauch und Beine anlegt, aber auch keine von der sexuellen Norm abweichenden Gelüste entwickelt. Die Kontrolle ist total.
Diskussion
Die Menschheit ist gerettet! Was keinesfalls selbstverständlich ist, nachdem die Zeit des Maelstroms mit seinen globalen Unruhen millionenfachen Tod und (soziale) Verwüstung auf der Erde hinterlassen hat. Dank einer genialen Medizin ist die Welt aber nun geheilt: Ein Nanobot namens „Watch Me“, sorgt, einmal injiziert, mit seiner Software dafür, dass der Mensch nicht mehr auf die schiefe Bahn gelangt, keine Krankheiten ausbrütet und keine Drogen konsumiert, keine Kohlehydratdepots um Bauch und Beine anlegt, aber auch keine von der sexuellen Norm abweichenden Gelüste entwickelt. Die Kontrolle ist total. Die Menschen sind gesund und glücklich, heißt es. Warum aber gibt es dann diese Welle an Selbstmorden?
Miach Mihie gehört zu jenen, die sich gegen die Aktivierung von „Watch Me“ wehrten und sich am Ende ihrer Kindheit durch Selbstmord „befreiten“. Ihre Freundin Tuan Kirie hat es nie überwunden, nicht mit ihr gegangen zu sein. Sie hat die Liebe ihres Lebens „ziehen lassen“ und ist darüber verbittert. Als Helix-Inspektorin arbeitet sie nun für die Weltgesundheitsorganisation und spürt Genmanipulationen auf, die dem Volksbefinden gefährlich werden könnten. Zumindest oberflächlich gesehen tut sie das, in Wirklichkeit aber nutzt sie die Freiräume der hochgestellten Aufgabe, um sich in der Fremde vollends abzukapseln. Das ändert sich, als sie nach Japan zurückbeordert wird, um an der Seite der WHO die Selbstmord-Epidemie aufzuklären. Hacker scheinen „Watch Me“ sabotiert zu haben. Die glückliche Welt offenbart ihre grässliche Fratze. Hinter den Anschlägen scheinen Freundinnen von Tuan zu stehen; unter ihnen die, die doch eigentlich tot sein sollte: Miach Mihie.
Einmal heißt es im Film, dass die Menschheit vor einer grundlegenden Entscheidung stehe: „Wählt sie die Glückseligkeit, oder wählt sie die Wahrheit?“ In seinen mittlerweile allesamt als Anime verfilmten Romanen „Empire of Corpses“, „Genocidal Organ“ und „Harmony“ stellt der Autor Satoshi Itō der Gesellschaft kein gutes Zeugnis aus. Er denkt die in ihren Problemlösungsstrukturen angelegten Perversionen konsequent zu Ende. In „Harmony“ wird der Wunsch nach der ultimativen Selbstoptimierung sowie nach einem durch und durch „gesunden“ Miteinander aufs Korn genommen, der als Kehrseite die totale Kontrolle und das Ausmerzen jeder Individualität als Kollateralschaden bedeutet. Eine groteske Vorstellung, die angesichts aktueller Probleme von Volkskrankheiten bis zum latenten Terrorismus gleichwohl gar nicht so abwegig erscheint. In „Harmony“ brauchen die Menschen noch den globalen Maelstrom, um solch radikale Lösungsstrategien wie den „Watch Me“-Bot mehrheitlich zu akzeptieren. Was würde in unserer realen Gesellschaft die Politiker dazu bewegen, so zu handeln wie die im Film? Wäre „Watch Me“ im Zeitalter von IS und Krebs nicht jetzt schon in der Diskussion, wenn wir bereits den wissenschaftlichen Fortschritt hätten, der in „Harmony“ prognostiziert wird?
Itō stellt ungeheuerliche, aber keineswegs abwegige Fragen. Takashi Nakamura und Michael Arias machen daraus einen ebenso fesselnden wie fordernden Animationsfilm, indem sie in eine Welt entführen, die abwegig scheint und doch durchaus ungeheuerliche Realität werden kann. Das liegt an der radikalen Genialität der Vorlage eines Autors, der die Chuzpe besitzt, in seine ohnehin schon komplexe Geschichte höchst reale Konflikte wie den Tschetschenien-Krieg einzubauen. Abenteuerliche Nebenhandlungen zu kreieren, ist ein Markenzeichen des mit 34 Jahren verstorbenen Autors, dessen als „Project Itoh“ bekannter Romanzyklus Kultstatus genießt. „Harmony“ ist auch formal ein ambitionierter Film, der die Handlung in kryptische Bilder übersetzt, die weit weg sind von der Niedlichkeit kindgerechter (Hollywood-)Animationen. Sein langsamer Erzählduktus lädt zum Verweilen und Reflektieren ein. Nicht das schlechteste Konzept für einen Film, der unbequeme Fragen stellt.
Kommentar verfassen