Dokumentarisches Porträt der mexikanischen Sängerin Chavela Vargas (1919-2013), die sich als erste Frau im traditionell Männern vorbehaltenen Lied-Genre der Rancheras behauptete und mit ihrem maskulinen Stil und ihrer Homosexualität gegen den gesellschaftlichen Machismo aufbegehrte. Während sich die erste Hälfte der Künstlerin auf faszinierende Weise mit seltenem Archivmaterial nähert, gerät der zweite Teil über ihre Altersjahre allzu ausschweifend. Gleichwohl ein eindrucksvoller Film, der auch die schwierigen Seiten der Ikone nicht ausspart.
- Ab 16.
Chavela
Dokumentarfilm | USA/Mexiko/Spanien 2017 | 93 Minuten
Regie: Catherine Gund
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Filmdaten
- Originaltitel
- CHAVELA
- Produktionsland
- USA/Mexiko/Spanien
- Produktionsjahr
- 2017
- Produktionsfirma
- Aubin Pic.
- Regie
- Catherine Gund · Daresha Kyi
- Buch
- Catherine Gund · Daresha Kyi
- Kamera
- Catherine Gund · Natalia Cuevas · Paula Gutiérrez Orio
- Musik
- Gil Talmi
- Schnitt
- Carla Gutierrez
- Länge
- 93 Minuten
- Kinostart
- 17.08.2017
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Dokumentarfilm | Künstlerporträt
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Dokumentarisches Porträt der mexikanischen Sängerin Chavela Vargas mit faszinierendem Archivmaterial
Diskussion
Sie sang noch auf der Bühne über Einsamkeit und das Ende der Liebe als andere längst ein tristes Wartezeitdasein in einem Altersheim fristeten. Chavela Vargas ist 93 Jahre alt geworden und ihr traurig berauschendes Leben gibt Stoff für gleich mehrere Melodramen, vorausgesetzt man akzeptiert eine Zigarren und Pistolen liebende, Männerkleider tragende, Tequila literweise trinkende Heldin, die als erste Mexikanerin in ihren Rancheras, einem ausschließlich den Männern vorbehaltenen Schmachtgenre, schmerzerfüllt und mit großer Expressivität über ihre Frauenaffären Auskunft gab.
Schon als Kind fiel sie mit ihrem geschlechtlich uneindeutigen Aussehen und Verhalten auf. Gleichaltrige mieden sie. Ein Priester befahl sogar, das jungenhafte Mädchen aus der Messe zu entfernen. Nicht nur diese Kränkung prägte ihr Selbstverständnis. Ihre Eltern ließen sich früh scheiden und zeigten ihr gegenüber keinerlei Zuneigung. Aufgewachsen ist sie bei Onkeln und Tanten. Eigentlich ein Wunder, dass sie noch als Teenager den Weg von Costa Rica nach Mexiko fand und seitdem ihren Lebensunterhalt professionell mit Singen verdiente.
Ihre Präsenz war so gewaltig, dass sie selbst von José Alfredo Jiménez, dem stilbildenden Sänger und Komponisten, als Bühnenpartnerin akzeptiert wurde, wenn auch nur im Vorprogramm. Was auch daran liegen mag, dass sie in jungen Jahren ihre feminine Seite durchaus auszuspielen wusste. Als elegante Schönheit mit nach hinten gekämmten langen Haaren eroberte sie etwa das Herz einer Frida Kahlo, mit der sie eine einjährige Beziehung verband. In der ohnehin vor faszinierenden Archivaufnahmen überquellenden ersten Hälfte des Filmporträts wird diese Begegnung entlang von selten gesehenen Fotos und Kurzfilmen der Malerin geschildert und den abgeklärten Kommentaren Chavelas, die sich offenbar schon früh bewusst war, dass ihre Affären nicht von langer Dauer sein konnten. Dafür war der Druck der misogynen Macho-Gesellschaft zu groß und ein Flirt mit einer Lesbe nur als kurze Episode akzeptierbar. „Wir müssen alle in der Gegenwart leben“, sagt sie später rückblickend einmal mit regungslosen Gesicht. „An ewige Liebe glaube ich nicht. Liebe ist flüchtig und kurz. Sie zu vergessen dauert länger.“
In den 1950ern durchlebte sie in Acapulco zwischen eigenen Auftritten und nicht abreißenden Partys ihre schillerndste Zeit. Hollywood-Stars wie Elisabeth Taylor, Rock Hudson, Lana Turner oder Clark Gable verunsicherten hier die teuren Hotelanlagen und nach manch einer durchzechten Nacht wachte Chavela nach eigenen Angaben neben Ava Gardner auf. Die Gattinnen von Politikern und Intellektuellen rissen sich nach einem Seitensprung mit ihr. Es blieb jedoch stets bei den diskreten Blitz-Eroberungen, denn an die Öffentlichkeit durfte keine der Amouren kommen.
Es dauerte Jahrzehnte, bis Chavela erst im hohen Alter das Wörtchen lesbisch oder homosexuell vor Kameras in den Mund nehmen konnte. Da hatte sie bereits nach langer Auszeit, finanziellen Abstürzen und überwundener Alkoholabhängigkeit ihr Comeback gefeiert und vor allem in Madrid dank der Verehrung durch Pedro Almodóvar eine veritable Fan-Gemeinde bekommen. Die zweite Hälfte erlahmt leider etwas und beschränkt sich auf einen ausufernden Mix aus Bühnenaufnahmen und Interviews mit der alternden, zunehmend maskuliner erscheinenden Chavela und ihrem trotz bösartiger zwischenmenschlicher Entgleisungen stets treu bleibenden Umfeld, das immer wieder betont, wie wichtig sie für die lesbische Community Mexikos war und immer noch ist.
Eigentlich schade, dass ihre Filmauftritte in Werner Herzogs „Schrei aus Stein“ (fd 29 184) oder „Frida“ (fd 35 833) ausgespart bleiben. Dafür darf Pedro Almodóvar ausführlich die Soundtrack-Lieferantin seiner Filme mit Bewunderungsoden über ihre Kunst überschütten. Das schadet der Dokumentation keineswegs, denn die Schilderung von Chavelas schwierigen Seiten kommt nicht gerade zu kurz. Eine ausgewogene, alle Facetten ausleuchtende Annäherung an eine Ikone, die nicht zuletzt auch in ein von westlichen Bohemiens ersehntes vergangenes Mexico entführt, das es so nicht mehr gibt.
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