Mit der Zeit scheinen die Payans auf Kriegsfuß zu stehen. So sehr die Familie auch hetzt: Das Leben scheint an ihr vorbei zu brausen. Das ist zumindest der Eindruck von Nicole Payan, als sie wieder einmal vergeblich Herrin über das Vier-Generationen-Chaos zu werden versucht: Ihr Sohn Vincent, der als einziger eigene Wege geht, startet als Mitglied einer U-Boot-Besatzung seinen ersten Tauchgang. Die Familie will ihn am Kai verabschieden, doch die Enkelin Zoé trödelt herum und will ihr Spider-Man-Kostüm nicht ausziehen; Nicoles alte Mutter gebärdet sich aufmüpfig und täuscht Geistesabwesenheit vor, Ehemann Jean-Pierre kommt verspätet und obendrein im Trainingsanzug; beim Anlassen des Wagens stößt er auch noch Tochter Arielle vom Motorroller. Als sie den Hafen endlich erreichen, ist Vincent bereits untergetaucht – und Nicole bleibt nur die resignierende Erkenntnis, im Leben ihres Sohns ein weiteres wichtiges Kapitel verpasst zu haben.
Mit diesem turbulenten Einstieg etabliert die französische Regisseurin Nadège Loiseau Typenarsenal und Tonfall ihres ersten Spielfilms. Die rundum chaotische, aber durchweg liebenswerte Familie ist offenkundig an den spleenigen Clans aus klassischen Screwball-Komödien wie „Mein Mann Godfrey“ (1936) oder „Die Nacht vor der Hochzeit“ (fd 768) geschult, aber auch an jüngeren Beispielen wie „Little Miss Sunshine“
(fd 37 908). Im Umgang miteinander wird eine Exzentrik gepflegt, mit der die Payans auch vor sich selbst kaschieren, dass sie einige ernste Probleme umtreiben: Jean-Pierre ist bereits seit zwei Jahren arbeitslos und hängt noch immer dem Traum seiner lange beendeten Sportlerkarriere nach, Arielle gibt mit Mitte 20 weiterhin den ungezwungenen Teenager und überlässt ihre Tochter Zoé ganz Nicole, die zudem noch ihre zusehends gebrechliche Mutter versorgen muss.
Und dann kommt zu all dem noch der im französischen Originaltitel benannte „kleine Mieter“ hinzu, den die deutsche Fassung eher unpräzise zum „unerwarteten Glück“ umdeutet: Mit 49 Jahren wird Nicole noch einmal schwanger, was gemischte Gefühle auslöst. Wie soll sie in ihrer Situation auch noch ein Kind aufziehen?
Nadège Loiseau beantwortet diese Frage recht vorhersehbar, aber mit vielen amüsanten Sequenzen: Jean-Pierre packt gutmütig, aber ungeschickt mit im Haushalt an, Arielle versucht, ihren Bruder unter Wasser anzufunken, was diesen in Teufels Küche bringt, weil er sich auf den schwesterlichen Code keinen Reim machen kann, die Oma bietet noch einmal ihre Energie zur Unterstützung ihrer Tochter auf. Massenhaft guter Wille also, der aber nicht verhindern kann, dass es Rückschläge gibt, die Nicoles Stresspegel in die Höhe treiben und einen piependen Blutdruckmesser zum besten Running Gag des Films machen.
Mit schnell geschnittenen Szenen und einem beherzt aufspielenden Ensemble rund um die verlässlich großartige Karin Viard gelingt eine streckenweise sehr unterhaltsame Komödie, die sich allerdings nie tiefer auf die angestoßenen Aspekte einlässt. Die speziellen Belastungen einer Spätschwangerschaft bis hin zur Frage nach einem Abbruch, aber auch die generelle Überforderung einer berufstätigen Allround-Mutti wie Nicole, Langzeitarbeitslosigkeit, Peter-Pan-Syndrom und sich selbst überlassene Kinder sind hier nur oberflächlich abgehandelte Beigaben, die ohne übermäßigen Aufwand weggebügelt werden.
Zusammen mit einigen rasch versandenden Nebensträngen deuten sie an, dass Nadège Loiseau sich nicht leichtgetan hat, ihren Kurzfilm „Le locataire“ (2013) auf Spielfilmlänge auszuweiten. Ihr beachtliches komödiantisches Talent ist dennoch unübersehbar. Der Verzicht auf Klamauk zugunsten von rasanten Dialogen kündet sogar von einer erfrischenden neuen Stimme im französischen Komödien-Kino.