Eine gebrochene Wirbelsäule auf Kollisionskurs mit mehreren Hundert Kilo Schlagkraft: Das ist der Stoff, aus dem Albträume gemacht sind, zumindest unter Sportmedizinern. Für Buchmacher und Autoren ist eine solche Story Gold wert – zumal wenn sie auf einer wahren Begebenheit beruht.
Vinny Pazienza heißt der US-Boxer italienischer Abstammung, der Ende der 1980er-Jahre nach einem Zusammenbruch wegen Dehydrierung den Trainer wechselte, zwei Gewichtsklassen übersprang und jede in ihn gelegte Hoffnung zu überflügeln schien – bis ihn ein schwerer Autounfall mit Genickbruch auf den Boden der Tatsachen holte.
Regisseur Ben Younger hat sein Schicksal verfilmt und in die klassische Geschichte einer Kämpfernatur verwandelt, als die sich Pazienza selbst am liebsten sah. Wehrlos fixiert in einer am Kopf verschraubten Halo-Konstruktion, weigerte sich der damals 28-Jährige, das Verdikt der Ärzte hinzunehmen, die anfangs noch nicht einmal wussten, ob ihr Patient jemals wieder laufen kann.
Im Keller der elterlichen Wohnung fing Pazienza, der den Spitznamen Pazmanian Devil nicht umsonst trug, trotz künstlich stabilisierter Wirbelsäule wieder zu trainieren an. Heimlich, um die Mutter nicht zu beunruhigen, die sich schon zuvor bei jedem Kampf vor ihren selbst gebauten Madonnen-Altar flüchtete, weil sie die Schläge auf ihr Kind im Fernsehen nicht ertragen konnte.
Für Pazienza trägt die Tortur jedoch ganz andere Früchte als blaue Flecken und Platzwunden: Ruhm und der Weltmeistertitel sind der Preis seines Fleißes. Die anfängliche Szene, in der Pazienza unter Hip-Hop-Klängen ungerührt zur Pressekonferenz schreitet, während seine Freundin auf hochhackigen Schuhen in Zeitlupe umknickt, täuscht; eine komödiantische Brechung der Boxfilm-Konventionen gib es nicht. Der Regisseur ist nicht in den Ring gestiegen, um ein Genre zu untergraben, das seit jeher von Entbehrung und Comeback erzählt. Das biografische Drama weiß den altbekannten Erzählmustern angesichts des realen Aufstiegmärchens nichts hinzuzufügen. Dafür aber besticht die Inszenierung durch eine Liebe zum Detail, die von der Besetzung über die ausladenden 1980er-Klamotten bis in die Raffinessen der Tonebene reicht.
Großartig ist schon der Einstieg, bei dem das Abtupfen des Schweißes und ein nervöses Husten die Stille der Pressekonferenz „Mayweather vs. Pazienza“ durchbricht. Gespannt wartet man auf Pazienza, der sich im Hotelzimmer auf seinem Fitnessrad, in Folie gewickelt, gerade die letzten Milligramm Wasser aus dem Körper schwitzt, um unter das geforderte (Superleicht-)Gewicht von 140 Pfund zu kommen.
Pazienza war ein Boxer am Rande seiner Gewichtsklasse, eigentlich zu Höherem beziehungsweise Schwererem berufen. Wenn er das unter Beweis stellt, überlagert der Jubel des Publikums das Klatschen der Schläge, bis nach einem schweren Treffer auch das Getöse vom Dauerpiepen in Pazienzas Ohr abgelöst wird.
Vor allem die Tonebene, die abrupt zwischen Stille und Lärm, Anspannung und Entladung wechselt, verleiht Pazienzas Kreuzweg einen akustischen Charakter. Die Besetzung mit Miles Teller geht mit dessen Paradeauftritt in „Whiplash“
(fd 42 916) Hand in Hand. Wie er sich dort als Schlagzeuger für einen sadistischen Dozenten die Hände blutig spielte, so schlägt er sich nun die Fäuste unter Anweisung des alkoholkranken Trainers (Aaron Eckhart mit Halbglatze) taub.
„Bleed for This“ verfügt über ein zugkräftiges Underdog-Gespann. Der Film spürt eindrücklich dem Gefühl der Leere nach, das einen befällt, wenn einem das Leben einen Streich spielt und zur Umkehr zwingt. Plötzlich gibt es keine Freude mehr in Pazienzas Leben, nicht bei den Casinobesuchen, nicht mit der Freundin, die keine Lust auf ein Metallgestänge im Kussbereich hat.
„Dass es nicht einfach ist.“ Das sei die größte Lüge gewesen, der er damals aufgesessen sei. Er hätte einfach nur sein Ding durchziehen müssen. So lautet Pazienzas Erkenntnis am Ende eines Films, der vor allem das manifestiert, woran schon „Whiplash“ nicht zu rütteln wagte: dass sich Aufopferung und Strapazen im Sport ebenso lohnen wie minutiöse, inszenatorische Sorgfalt beim Filmemachen. Wer will schon die Stimme erheben gegen all den Leistungswahn, gegen Aufopferung und fatale Fehlentscheidungen, wenn man eine so ausstattungsreiche Comeback-Story im Ärmel hat?