Unberührte, ursprüngliche Natur, weite Sumpflandschaften, kaum Erwachsene, die störend eingegriffen hätten. Für Matias und Jeronimo waren die Tage in den Esteros del Iberá, dem Sumpfgebiet an der brasilianisch-argentinischen Grenze ein einziges Abenteuer. Zusammen in den modrigen Gewässern rumtollen, gemeinsam duschen, damit das Abendessen der Mutter nicht zu lange warten muss, das erschöpfte Einschlafen auf der viel zu kleinen Liege, ein verstohlener Kuss, weil die Gesichter aneinander liegen.
Wenn man noch ein Kind ist und der beste Freund gleichzeitig Raufkumpan und unschuldiger Seelentröster, spielt das Erwachen der Sexualität noch keine Rolle. Oder doch? Was Jeronimo damals vielleicht schon wusste, hat Matias all die Jahre verdrängt. Die Frage nach der Art ihrer Freundschaft stellte sich allerdings nicht wirklich, da Matias’ Eltern nach Brasilien auswanderten, womit es um den Kontakt der Jungen ohnehin geschehen war.
Erst ein Jahrzehnt später laufen sich die beiden wieder über den Weg. Jeronimo ist Künstler geworden und lebt offen schwul; Matias hat eine Freundin. Zum Karneval kehrt Matias erstmals wieder in seiner Heimat zurück. Der Zufall will es, dass er von Jeronimo geschminkt wird. Die ersten Berührungen nach so langer Zeit sind ähnlich befremdlich wie die ganze Situation. Matias zögert, einer Einladung Jeronimos zu folgen und ins Wochenendhaus der Eltern in die Esteros zu fahren.
Das Regiedebüt von Papu Curotto erzählt zwei Geschichten einer Freundschaft parallel. In Rückblenden taucht der Film immer wieder in die Kindheitserinnerungen ein. Die Inszenierung nimmt dabei keine singuläre Erzählperspektive eines der Protagonisten ein, um die Neutralität und die Spannung zu wahren. So partizipiert man am schwebenden Zustand einer Beziehung, die in den Esteros dann erneut zu mehr als einem bloßen Beisammensein zu werden verspricht.
Das klingt kitschiger als es der Film entfaltet, da sich der Regisseur und seine vier Hauptdarsteller (beide Figuren sind durch zwei jüngere und zwei ältere Schauspieler besetzt) mit emotionalen Gefühlsausbrüchen zurückhalten. Ihr „Spiel“ ist zu ernst, immerhin geht es um grundsätzliche Lebenskonzepte, die auf dem Prüfstand stehen.
Dass die Geschichte den Zustand des Schwebens nicht ewig aufrecht erhält, macht im Rahmen eines romantischen Dramas vielleicht Sinn, nimmt dem Film aber die Grundspannung, da mit der Auflösung auch das dramaturgische Agens allzu abrupt verpufft und neben Zufriedenheit zugleich das Gefühl allzu gängiger Konventionen hinterlässt. Dennoch ist „Esteros“ ein interessanter Film über das Entdecken der eigenen sexuellen Identität, durchaus auch für Jugendliche.