So perfide kann nur ein Bildermedium wie das Kino sein. Noch im Hässlichsten, in den Gestalten eines Zombie-Thrillers, versteckt es das Niedliche und versüßt uns so die eigene Vernichtung. Es geht um Kinder wie die junge Melanie, scheinbar zart und freundlich und so offen neugierig gespielt von der Newcomerin Sennia Nanua. Melanie hat ihr ganzes Leben in einem Bunker verbracht, eingezwängt in orangefarbene Gefängnisschlabberkleidung. Ihre Zelle verlässt sie nur zum Unterricht. Dort fixieren die Militärs sie und ihre Mitschüler mit paranoider Akribie in Sicherheitsstühlen. Als Gemma Arterton in der Rolle der jungen Lehrerin Helen sich erdreistet, ihr übers Haar zu streichen, weil sie eine von Melanie geschriebene Geschichte so berührt hat, zeigt Sergeant Parks ihr, wie diese Kinder angeblich wirklich sind. Er hält seinen Arm ganz nah vor den Mund eines Knaben. Der wird nervös, wehrt sich gegen seinen Trieb, beginnt aber bald wie rasend mit den Zähnen zu klappern und ins Leere zu beißen. Die anderen tun es ihm nach in einem erschreckenden, beinahe unwirklichen und inszenatorisch sehr sorgfältig vorbereiteten Moment der kollektiven Entmenschlichung. Monster, Missgeburten sind sie alle, will Parks damit beweisen. Auch wenn sie sich so nach Geschichten sehnen. Was aber bleibt ihnen im Bunker außer ihren Geschichten? Im Breitwandformat drücken niedrige Betondecken alles Natürliche, Triebhafte, Gefühlte ohnehin nieder, die Gänge und Räume sind grau wie das kurze Strubbelhaar der von Glenn Close gespielten Anstaltsleiterin, die hin und wieder einen von Melanies Kameraden mitnimmt und für immer verschwinden lässt. So erschöpft, so vom Leben gehärtet, so uneitel ungeschminkt wie hier war Glenn Close selten und Gemma Arterton wohl noch nie zu sehen. Sie sind Repräsentantinnen einer untergegangenen Welt, die sich ans Überleben klammert. England gehört längst den „Hungries“, den Infizierten, die denselben Pilz in sich tragen wie die Kinder im Bunker. Doch auch die beklemmende, klaustrophobische Mini-Militärdiktatur explodiert. Nur eine kleine Gruppe überlebt, um sich bis zum letzten großen, bestimmt noch sicheren Stützpunkt durchzuschlagen. Unter ihnen ist auch Melanie, weil Caldwell sie für die Trägerin eines Impfstoffes gegen den Pilz hält. Während Melanie zum ersten Mal die Welt draußen wahrnimmt, verliert sich der Rest der Erzählung in den hinlänglich durchexerzierten Such- und Fluchtbewegungen des Subgenres. Es bleibt aber genügend Zeit, um wahrzunehmen, dass der Stoff, der ja den in der Kinogeschichte dominant verankerten Archetypen des Zombies variiert, eine bemerkenswerte Quelle nutzt: Vom Motiv der Pilzinfektion über das des jungen Mädchens als Hoffnungs- und Heilmittelträgerin bis hin zu den wunderschön morbiden Bildern einer wieder in der Natur versinkenden Stadtarchitektur greifen Regisseur Colm McCarthy und Drehbuchautor Mike Carey (der seinen eigenen Roman adaptiert) Motive des Videospiels „The Last of Us“ auf. Das Wunderschöne und das Morbide sind hier untrennbar ineinander verflochten. Doch bis in die wabernde, sphärische Sentimentalität von Cristobal Tapia de Veers Musik und bis in die letzte Einstellung auf Melanies einladend fröhliches Gesicht hinein wollen die Filmemacher an ihre Heldin und deren Reise binden – eine Identifikation, die kein Bild von klappernden Zähnen auslöschen kann und keine hungergetriebene Entgleisung Melanies ins Tierische. Wo Melanie barbarisch zuschlägt, bleiben die Folgen ihrer Raserei außerhalb des Bildraums. Und die schönsten Bilder des Films stehen am Ende für das denkbar Grausamste. Sie tragen längst keine Ambivalenz mehr in sich, sondern die Pracht und Herrlichkeit der Apokalypse, die eine Befreiung darstellen soll. „Alle Zeit der Welt“, heißt es, sei nun eröffnet – freilich nur für die, deren Welt nicht untergegangen ist.