Als die gerade volljährige Tochter Anna verspätet und derangiert zur Beerdigung ihres Großvaters erscheint, merkt der vom Filmemacher Baltasar Kormákur selbst gespielte Vater Finnur, dass die junge Frau offenkundig in ernsten Schwierigkeiten steckt. Anna hat sich in den Drogendealer Óttar verliebt und ist selbst drogenabhängig. Finnur, ein anerkannter Herzchirurg, „Hobby“-Triathlet und attraktiver Familienvater mit einer weiteren Tochter aus zweiter Ehe, sucht zunächst das Gespräch, doch sowohl Anna als auch ihr Liebhaber reagieren bockig bis herablassend. Weil Anna volljährig ist, können auch die Behörden nicht helfen, zumal dem Dealer nichts nachzuweisen ist. Als Finnur daraufhin selbst initiativ wird, um Anna aus dem Schlamassel zu helfen, erfährt er schmerzhaft, was es heißt, mit einem Milieu jenseits der bürgerlichen Werteordnung zu konkurrieren. Er wird erpresst und seine Familie bedroht. Doch Finnur, so selbstbewusst wie rigoros, nimmt den Kampf auf und tritt in gutem Glauben, rechtschaffen zu handeln, eine Gewaltspirale los, die schnell außer Kontrolle gerät.
Kormákur, der nach ein paar künstlerisch wenig überzeugenden Jahren in Hollywood mit „Der Eid“ nach Island zurückkehrt, nutzt geschickt die Spannung zwischen Zivilisation und Wildnis, die der dünn besiedelten nordischen Insel eigen ist, und entwirft einen Handlungsraum, der einerseits mit allen Insignien des urban-modernistischen High-Tech-Daseins ausgestattet ist, andererseits aber hinter dem Firnis der Bürgerlichkeit eine überraschende Gewaltbereitschaft aufscheinen lässt.
Die Fertigkeiten und die Skrupellosigkeit, die Finnur in der Auseinandersetzung mit Óttar entwickelt, erinnern an die Filme Claude Chabrols, aber auch an die rüden Selbstjustiz-Thriller mit Charles Bronson. Dem Zuschauer wird einiges zugemutet, um die anfängliche Identifikation mit dem bürgerlichen Helden Finnur langsam, aber stetig zu hintertreiben, der als Vater so handelt, weil ihm selbst der Vater fehlte.
In einer entscheidenden Szene wirft der Film auch einen Blick auf die Beziehung zwischen Anna und Óttar, die so gar nicht zum Furor Finnurs zu passen scheint und die Auseinandersetzung um die Tochter auch als Klassenkampf lesbar macht. So ähnelt die Handlung des spannenden Dramas schließlich dem Film selbst: je perfekter und lückenloser die Konstruktion des Plans, desto mehr finden Zufälle und Unachtsamkeiten Einlass, die improvisierend „geregelt“ werden müssen.
Und dann gibt es ja auch noch Tochter Anna, die vielleicht ein wenig vom Wege abgekommen ist, aber durchaus zu einer Moral erzogen wurde, die sich irgendwann gegen ihren Retter richtet, der sich in ein Monster verwandelte, weil sie seine Hilfe ausschlug. Als sei es eine Novelle von Kleist.