Wovon träumt das Internet?

Dokumentarfilm | USA 2016 | 98 Minuten

Regie: Werner Herzog

Eine eher beliebig anmutende, lässig flanierende Auswahl an Internet- und Künstliche-Intelligenz-Themen, zusammengehalten von der Voice-over-Präsenz des Regisseurs Werner Herzog. In zehn Kapiteln entfaltet die Sammlung eine schmucklose Galerie prominenter „redender Köpfe“, die über Geschichte, Gegenwart und Zukunft der digitalen Revolution Auskunft geben. Inszenatorisch waltet ein gewisser Unernst, da Herzog als nicht sichtbarer Gesprächspartner seine eigenwillige Mischung aus Ernsthaftigkeit und Selbstironie über Gebühr strapaziert. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
LO AND BEHOLD, REVERIES OF THE CONNECTED WORLD
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Saville Prod.
Regie
Werner Herzog
Buch
Werner Herzog
Kamera
Peter Zeitlinger
Musik
Mark De Gli Antoni · Sebastian Steinberg
Schnitt
Marco Capalbo
Länge
98 Minuten
Kinostart
24.11.2016
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Werner Herzog entfaltet die Geschichte des Internet in zehn Kapitel

Diskussion
„Herzogs Fiktion ist wie die von Münchhausen großzügig. Das heißt, die wirkliche Welt und ihre Widersprüche haben darin Platz, denn der Erzähler ist beweglich, und diese Beweglichkeit ,adelt‘ ihn. Er gewinnt gegenüber den Widrigkeiten des modernen Lebens also eine doppelte Souveränität zurück: indem er die Deutungshoheit behauptet und sie zugleich als Kunst markiert“, notierte Christoph Hochhäusler jüngst über Werner Herzog. Inzwischen scheint noch eine andere Option hinzugekommen zu sein: Der internationale Pop-Star Werner Herzog, der mit einer aufregenden Mischung aus Ernsthaftigkeit und Selbstironie als „Netz-Orakel“ zu allerlei Pop-Phänomenen wie Kanye West, Pokémon oder der Wahl Donald Trumps Stellung bezieht. Zu bewundern (auch) auf YouTube. Ist also der spezifische Werner-Herzog-Sound, der bislang zumeist im Sinne einer Vermittlung „ekstatischer“ Wahrheiten eingesetzt wurde, mittlerweile ins Stadium seiner industriellen Reproduzierbarkeit eingetreten? Und somit auf mehr oder weniger beliebige Themen ansetzbar? Mit „Lo and Behold, Reversies of the Connected World“, einer Produktion für Amazon Video, wendet sich Werner Herzog, der angeblich keinen Computer und kein Smartphone besitzt, nun dem Internet zu. Eingeteilt in zehn Kapitel mit Titeln wie „The Early Days“, „The Glory of the Net“, „The Dark Side“ oder „Internet On Mars“ bietet die Dokumentation eine eher schmucklose Galerie von Talking Heads, die Auskunft geben über die Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Internets, der Künstlichen Intelligenz, autonom fahrenden Autos oder auch der Roboter-Technik. Zusammengehalten wird die recht beliebig anmutende, lässig flanierende Auswahl von Themenkomplexen und Gesprächspartnern durch die mittlerweile zum Markenzeichen gewordene Präsenz von Werner Herzog, der zwar nicht als Person in Erscheinung tritt, aber dafür als Stimme anwesend ist. Geboten wird ein Kessel Buntes von Anekdoten über die erste gesendete Mail im Oktober 1969, Entzugskliniken für Computerspiel-Süchtige, technologische Zukunftsvisionen und kurze Begegnungen mit einschlägiger Prominenz wie Elon Musk, Sebastian Thrun, Bob Kahn oder Ted Nelson. Das Kapitel „The Dark Side“ widmet sich der Geschichte einer US-amerikanischen Familie, deren Tochter bei einem tödlichen Verkehrsunfall so entstellt wurde, dass die Angehörigen den Leichnam nicht zu Gesicht bekamen. Später zirkulierten jedoch Fotos des Unglücksortes im Anhang von Hass-Mails durchs Internet, was für die Familie, die das Internet längst für eine Manifestation des Antichristen hält, ernste psychische Konsequenzen nach sich zog. Herzog lässt dieses Statement unkommentiert, bedient sich aber eines inszenatorischen Tricks, den er schon in „Grizzly Man“ (2005) angewandt hat. Als es um die Fotos der toten Tochter geht, raunt er aus dem Off, dass es unmöglich sei, die Fotos, die er gesehen habe, zu zeigen. Und: „Einige der Hassmails waren so widerlich, dass wir sie hier nicht wiedergeben können!“ An anderer Stelle, als es um Pläne einer Besiedelung des Mars geht, mischt sich sein bekannter apokalyptischer Tonfall in den Kommentar, wenn er davon spricht, dass man nicht allzu viele Hoffnungen auf das „Rettungsboot Mars“ setzen sollte. Insgesamt dominiert ein gewisser Unernst. Herzog staunt und raunt, spart nicht mit Komplimenten und überrascht immer wieder mit gespielt(?) naiven Assoziationen, wenn er kundtut, dass er auch ohne Rückfahrkarte zum Mars reisen würde, wissen will, ob Fußball-Roboter in absehbarer Zeit auch ein Superteam wie Brasilien (?) mit Messi (?) schlagen könnten, oder zu bedenken gibt, dass sich Geschirrspülmaschinen ja irgendwann auch in Kühlschränke verlieben und dann ihre Arbeit vernachlässigen könnten.
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