Es ist ein ambitionierter Erzählansatz: Nichts weniger als der freie Wille steht auf dem Spiel, verkörpert im paradiesischen „Edenapfel“, der die Menschheit befähigt, selbstständig zu denken. Diese aufklärerische Umdeutung der biblischen Sündenfallgeschichte hat Regisseur Justin Kurzel aus der seit 2007 erscheinenden Computerspielreihe „Assassin’s Creed“ übernommen, in der die Figuren hinter dem „Edensplitter“ oder einem „Edenapfel“ her sind. Womit in den Spielen der McGuffin für zahllose faszinierende Abenteuer geliefert wird, die die Protagonisten quer durch Zeit und Raum an schauträchtige Stätten führen und sie mit historischen Gestalten zusammentreffen lassen – im Orient zur Zeit der Kreuzzüge (aus dem die Konfliktparteien des Spiels stammen, der Templerorden und die Assassinen), im Florenz der Medici-Zeit, im Konstantinopel der Osmanen. Ein tolles virtuelles Raumerlebnis, mit dem die Spielefirma Ubisoft Maßstäbe setzte. Offensichtlich hat dieses Raumerlebnis von „Assassin’s Creed“ den Regisseur am meisten fasziniert, dies allerdings zu dem Preis, dass sein Film erzählerisch hoffnungslos hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt.
Wie in den Spielen der Barkeeper Desmond Miles, gerät im Film Callum Lynch in die Hände von Abstergo Industries, einem modernen Arm des sinistren Templerordens, der seit Jahrhunderten den Plan verfolgt, die Menschheit ihres freien Willens zu berauben, woran er nur von den zu Freiheitskämpfern verklärten Assassinen gehindert wird. Mittels einer „Animus“-Maschine soll Callum die in seiner DNA verankerten Erinnerungen seines Assassinen-Vorfahren aus dem 15. Jahrhundert reaktivieren, der den Edenapfel vor der spanischen Inquisition und den Templern in Sicherheit brachte. Cal soll dessen Versteck für Abstergo aufspüren, was allerdings dazu führt, dass er den Assassinen in sich selbst entdeckt.
Für den freien Willen, sei es nun der von Cal oder allgemein, interessiert sich der Film letztlich ebenso wenig wie für seine Charaktere, die den hochkarätig besetzten Darstellern kaum Möglichkeiten bieten, moralische Konflikte auszuspielen oder interessante Beziehungen untereinander aufzubauen. Besonders schade ist das im Fall von Marion Cotillard, die als Abstergo-Wissenschaftlerin mit aufkeimenden Zweifeln an ihrer Arbeit die spannendste Figur darstellt. Stattdessen erschöpft sich der Film in einer Art 3D-Zirkeltraining, bei dem die Figuren in wilden Verfolgungsjagden und Kämpfen durchs Granada des 15. Jahrhunderts toben, was im Film wesentlich schneller langweilt als beim Spiel, wo man die Bewegungen durch die virtuelle Welt selbst bestimmt. Bei allem Aufwand besitzt die Action keine körperliche Wucht, wirkt vielmehr höchst steril. Ähnlich wie „World of Warcraft“ bekräftigt „Assassin’s Creed“, dass großes (Unterhaltungs-)Kino doch ganz anders funktioniert als große Games.