Eine Frau, die um 1900 Künstlerin werden will, steckt in einem großen Dilemma: Die Gesellschaft traut ihr nicht zu, dass sie in diesem Beruf Genialisches leisten kann, weil sie in ihr immer nur eine dilettierende Freizeitmalerin sieht. Um finanziell auszukommen, müssen Frauen entweder heiraten oder Lehrerin werden.
Doch nichts kann die junge Paula Becker von ihrem Ziel abbringen. Sie hat aber auch das große Glück, eine Erbschaft zu machen. So geht sie nach Worpswede, wo sie bei Fritz Mackensen studiert, der dem Naturalismus verpflichtet ist. Fleißig zeichnet sie nach der Natur, beginnt ihren eigenen Malstil zu entwickeln, und sieht sich von gleichgesinnten Freunden unterstützt. Sie lernt die Bildhauerin Clara Westhoff, den Dichter Rainer Maria Rilke und den Maler Otto Modersohn kennen, den sie bald heiratet. Fünf Jahre später jedoch hat sie die Realität eingeholt. Während ihr Ehemann seine Bilder für gutes Geld verkaufen kann, wird ihr Stil als bizarr, eckig, sogar kantig abgetan. Ihre Kochkunst hingegen wird gelobt. Da ihre Ehe sexuell unbefriedigend ist, ihr Kinderwunsch sich nicht erfüllte, beschließt sie, an ihrem 30. Geburtstag nach Paris zu entschwinden. Dort wartet eine pulsierende Stadt auf sie.
Der biografische Film von Christian Schwochow will das Leben der Malerin Paula Modersohn-Becker vor allem in seinen Analogien zur Gegenwart verstanden wissen. Auch damals mussten zwei Menschen darum ringen, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse mit denen des Partners unter einen Hut zu bringen. Paula will nicht nur freie Künstlerin sein, sie sucht nicht nur die Anerkennung ihres Werkes, sondern sie ist eben auch Ehefrau, die von ihrem Mann Zuspruch, aber auch Unverständnis und Kritik erfährt und von ihm in ihren sinnlichen Bedürfnissen nicht ernst genommen wird.
Anfänglich glaubt die junge Frau mit ihrer Freundin Clara, naiv und von unermesslichem Tatendrang beseelt, dass ihnen die ganze Welt offen stünde. Doch beide werden mehr und mehr mit den Tatsachen konfrontiert. Dabei modelliert der Film Clara Rilke-Westhoff als Paulas Gegenbild, an der sie die Kehrseiten der Selbstständigkeit studieren kann. Nach ihrer Übersiedlung nach Paris hat die Bildhauerin den Dichter verlassen und muss sich jetzt ihr Geld mit Gipsanrühren in Rodins Atelier verdienen. Wie dort die Schaffenskraft von Frauen ausgebeutet wurde, erfährt man durch einen kurzen Auftritt von Camille Claudel. So erscheint es am Ende nachvollziehbar, dass Paula aus Einsicht und weil ihr ihr Mann endlich seine Anerkennung ausspricht, wieder zu ihm in das ländlich-stille Worpswede zurückkehrt.
Der Film fängt mit ästhetisch arrangierten Innenraumszenen und eindringlichen Totalen die poetische Schönheit des Kolonielebens, den Zauber der Landschaft ein, den die Künstler, auch wegen der Stimmung seiner Lichtverhältnisse schätzten. Das Bildnis von Paula Modersohn-Becker als einer „radikal modernen Frau“ ist jedoch getrübt, weil die Inszenierung deren Ziel, eine herausragende Künstlerin zu werden und ihren formalen Ausdruck durch eine emsig betriebene Weiterbildung eigenständig fortzuentwickeln, nicht genügend ernst nimmt. Das zeigt sich beispielsweise daran, wie die Reise nach Paris motiviert wird. Vier Aufenthalte in der Stadt werden zu einem einzigen verdichtet. Und der spielt sehr viel später als in der historischen Wirklichkeit. Ihre erste Reise unternahm Paula Becker bereits, bevor sie mit Modersohn verheiratet war. Den lud sie dorthin zu sich ein, weil sie dem Zauber dieser Stadt erlegen war. Im Film dagegen ist Paulas Reise lediglich von ihrer Enttäuschung motiviert, einer unbefriedigten Sinnlichkeit, welche sie nach einer Affäre mit dem Franzosen George den kunsthistorisch maßstabsetzenden Selbstakt „Selbstbildnis am 6. Hochzeitstag“ hervorbringen lässt. Sie strebt nicht aus intellektueller Neugier hinaus, aus Malleidenschaft und dem Wunsch, ihr Können weiter zu verbessern oder sich mit ihrem Selbstakt in eine von Albrecht Dürer begründete und bislang nur Männern vorbehaltene Tradition einzureihen.
Die reale Paula Becker kam nicht aus dem Nichts nach Worpswede. Zuvor hatte sie schon die Malschule des Vereins der Berliner Künstlerinnen und Kunstfreundinnen besucht, war in Berlin in Museen gegangen und hatte sich dort auch mit den alten Meistern beschäftigt. Paris wurde ihr Sehnsuchtsort. Sie entdeckte ihn, auch ohne der Initiation durch Männer zu bedürfen. Paula Becker besuchte seit ihrer ersten Reise Akt- und Anatomiekurse, ging ins Museum, setzte sich mit einzelnen Malern auseinander, tauchte aber auch in die Vergnügungsviertel der Stadt ein. Diese vibrierende, sinnlich und geistig stimulierende Atmosphäre einer Metropole, die Maler und Dichter aus aller Welt bevölkerten, sucht man in „Paula“ vergebens. Das künstlerische und intellektuelle Leben wirkt artifiziell, aufgesetzt und nicht weniger bieder als die malerische Enge in Worpswede.