Marie Curie (1867-1934), die französische Chemikerin polnischer Herkunft, ist die einzige Frau, die zwei Nobelpreise erhalten hat. Und, zusammen mit Linus Carl Pauling, der einzige Mensch, der diesen Preis in unterschiedlichen Fachgebieten errang, nämlich in Physik und Chemie. Das sagt einiges über diese Frau, ihr Wissen und ihren Forschungsdrang, ihre Genialität und ihren Ehrgeiz, aber auch über ihre Stärke und Unnachgiebigkeit. Lauter Eigenschaften, die sie in der von Männern dominierten Welt der Naturwissenschaften dringend benötigte, um sich zu behaupten.
Natürlich aber war Marie Curie auch eine Frau, die sich verliebte, heiratete und Kinder hatte. Und genau darauf, auf das Privatleben einer öffentlichen Person, legt Regisseurin Marie Noelle das Hauptaugenmerk. Die erzählerische Klammer bilden die beiden Nobelpreise 1903 und 1911. Marie und Pierre Curie haben sich ganz der Erforschung der Uranstrahlung verschrieben. Anstatt zu schlafen, schleichen sie sich nachts aus der Wohnung ins Labor, um das blaue Licht des Radiums zu bestaunen. Eine emblematische Szene: Mann und Frau bilden beruflich und privat eine Einheit, Vernunft und Leidenschaft gehen eine einzigartige Verbindung ein, und so ist es nur folgerichtig, dass sie auch gemeinsam den Nobelpreis für Physik erhalten.
Doch plötzlich ist Pierre tot, überrollt von einem Pferdefuhrwerk. Marie, erst Mitte 30 und Mutter zweier Kinder, vergräbt sich in die Arbeit und forscht alleine weiter. Als erste Frau, noch dazu als Ausländerin, erhält sie einen Lehrstuhl an der Sorbonne – sehr zum Unwillen ihrer männlichen Kollegen, die ihr den Erfolg neiden. Fünf Jahre nach Pierres Tod verliebt sich Marie in den Wissenschaftler Pierre Langevin. Doch der ist verheiratet. Ein Skandal ohnegleichen. Die Boulevardpresse brandmarkt Curie als Ehebrecherin, ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als ihr der zweite Nobelpreis verliehen werden soll.
Marie Noelle, die auch am Drehbuch mitschrieb, stützt sich vor allem auf Curies Tagebücher und ihren Briefwechsel mit Langevin, aber auch auf zeitgenössische Zeitungsberichte. Der Film stellt so eine fast schon intime, irritierende Nähe zu einer Forscherin her, die man bislang primär durch ihre wissenschaftlichen Verdienste kannte. In der Darstellung durch Karolina Gruszka ist die Titelfigur vor allem eine schöne, bezaubernde Frau. Einmal zeichnet die Kamera die Konturen ihres Körpers nach, als sie nackt auf dem Bett liegt, ein anderes Mal sieht sie ihr dabei zu, wie sie in eine Badewanne steigt. Frühstück im Bett, Küsse im Gegenlicht – die Regisseurin betreibt eine fast schon mythische Überhöhung, um Curie zu einem erotisch aufgeladenen Wesen zu stilisieren, dem etwas Unwirkliches, Unerreichbares anhaftet.
Die zwischen Sinnlichkeit und Disziplin pendelnden Eigenschaften der Wissenschaftlerin sind häufig nur Behauptung, was in einigen Szenen noch symbolhaft verstärkt wird. Das steht im großen Widerspruch zum angestrebten Realismus des Films, der sich an der penibel recherchierten Ausstattung, etwa der Labore, und den perfekt ausgewählten zeitgenössischen Kostümen festmachen lässt.
Sehr viel interessanter ist „Marie Curie“ in der Beschreibung einer fast schon hermetisch abgeschlossenen Männerwelt, die Frauen den Zutritt verwehrt. Immer wieder zeigt der Film Wissenschaftler, die hinter Curies Rücken tuscheln, ihre Verdienste kleinreden oder ihr die private Unabhängigkeit absprechen. Wenn dann sogar der schwedische Botschafter von der Annahme des Nobelpreises abrät, ist der Gipfel männlicher Arroganz erreicht. Am Schluss verpflanzt der Film seine Protagonisten mit ihren alten Kostümen ins Paris von heute. Frauen ringen noch immer um Anerkennung, will die Regisseurin uns sagen. Noch so ein Bild, das viel zu stark geraten ist.