Dunkle, fast verschüttete Erinnerungen an ein Kapitalverbrechen, das Mitte der 1980er-Jahre für Aufsehen sorgte: Zwei hochbegabte Studierende aus bestem Hause treffen in einer US-Universität in Virginia aufeinander, verlieben sich und planen die Ermordung ihrer gesellschaftlich hochangesehenen Eltern. Im Frühjahr 1985 gelingt dies, doch dem Verbrechen mangelt es an Perfektion. Das Paar flieht und wird fast ein Jahr später in England verhaftet, wegen Scheckbetrugs. Der Prozess, der das mörderische Pärchen trennt, wird ein Medienereignis mit Verzögerung, denn Jens Söring, Diplomatensohn und zur Tatzeit gerade mal 18 Jahre alt, wird erst in die USA ausgeliefert, als klargestellt ist, dass er nicht zum Tode verurteilt werden wird. Der Deal, den das Paar offenbar einging, war, dass der junge Mann von der diplomatischen Immunität des Vaters profitieren und in Deutschland nach Jugendstrafrecht verurteilt werden könne. In einer noblen Geste gesteht Söring den Mord, um seine Geliebte vor der Todesstrafe zu bewahren. Was nur teilweise aufgeht: Söring wird ausgeliefert und in einem Indizienprozess – längst haben er und Elisabeth Haysom ihre Geständnisse widerrufen – zu zweimal lebenslänglich verurteilt. Seither sitzen er und Elisabeth Haysom in zwei nicht weit voneinander entfernten Gefängnissen ihre Strafen ab.
Die Journalistin Karin Steinberger verfolgt seit 2006 den mysteriösen Fall, eine Mischung aus dunkler Obsession, vielleicht nur vorgespielter Liebe, Verrat, Naivität, einem mangelhaften Justizsystem und einem Politikum. Vor drei Jahren hatten sie und der Filmemacher Marcus Vetter die Idee, den Fall zum Gegenstand einer Dokumentation im Stil eines „True Crime“-Films zu machen – unter Mitwirkung von Söring, der mittlerweile einem Drehverbot unterliegt. Durch Zufall gelangte das Team an die Videoaufzeichnungen des Prozesses gegen Söring: brisantes Material über ein aus dem Ruder gelaufenes Verfahren voller Parteilichkeit und Fehler, mit einem Angeklagten, der mit seiner Arroganz provoziert. Hinzu kommen aus dem Off verlesene Briefe, die Söring und Haysom einander schrieben und die von dem Temperament und der Absolutheit ihrer Liebesgeschichte erzählen, die dann ihre Kehrseite offenbarte. So entstand „Das Versprechen“, der weit ausholend, materialreich, detailliert und sehr spannend ein wenig an Errol Morris’ „Der Fall Randall Adams“ (1988) erinnert – allerdings ohne Re-Enactments. Steinberger und Vetter erzählen von der ersten Begegnung zwischen Söring und Haysom, dokumentieren die Morde, die Flucht nach Asien und Europa, zeigen ausführlich den Prozess gegen Söring, der zudem in einem langen Interview seine Sicht der Dinge darlegen kann. Haysom hat ihre Mitwirkung an dem Film verweigert.
„Das Versprechen“ erzählt von Sörings Anstrengungen, in eigener Sache initiativ zu werden, von den Versuchen, ein Wiederaufnahmeverfahren zu initiieren oder zumindest eine Haftüberstellung nach Deutschland zu erreichen. 30 Jahre Haft hat er in US-Gefängnissen überlebt – kaum zu glauben, wenn man den schmächtigen Jungen beim Gerichtsverfahren erlebt. Im Lauf der Jahre haben sich zu den vielen Verfahrensfehlern im Prozess zahlreiche Indizien gesellt, die gegen eine Täterschaft Sörings sprechen. Aber auf jeden Hoffnungsschimmer folgte eine Enttäuschung.
Am Ende bleibt es dem Zuschauer überlassen, sich auf die Widersprüche und Ungereimtheiten des mysteriösen Kriminalfalls einen Reim zu machen. Sitzt Jens Söring seit 30 Jahren unschuldig ein? Gibt es Zweifel an seiner Schuld? Das Gerichtsverfahren gegen ihn und das Gebaren der US-amerikanischen Justiz in diesem Fall tragen Züge einer absurden Farce, gepaart mit alttestamentarischer Härte. Der Film beharrt auf „not proven guilty“ und ist selbst Teil einer Kampagne zur Unterstützung einer Petition, die auf der Basis neuester Faktenlage die bedingungslose Anerkennung der Unschuld Sörings fordert. Was am stärksten irritiert und verstört, ist der Auftritt Sörings selbst, für dessen Haltung zu seiner Biografie tatsächlich die Worte fehlen. Fast scheint es, als sei Verzweiflung in ein Gespür für absurde Komik umgeschlagen. Oder hält Söring, wider alle Vernunft, an einer Inszenierung fest?