Ein Neurotiker kommt selten allein. In der neuen Komödie von Dani Levy hat man es allerdings gleich mit einem ganzen Panoptikum familiär vorbelasteter Extremfälle zu tun, die sich gegenseitig die Show stehlen. Katharina Schüttler als Mimi, die einzige unter den Wunderlichs, deren Sicherungen nicht gänzlich durchgebrannt sind, meistert den undankbaren Part, den Scherbenhaufen, der hinter ihr anwächst, mit Würde zu ertragen; sie kann aber auch anders, wenn die dysfunktionale Verwandtschaft zur Höchstform aufläuft. Dann brüllt sie ihre Wut hemmungslos heraus und geizt auch nicht mit unangenehmen Verbalwahrheiten.
Wenn die alleinerziehende Mutter ihren hyperaktiven Filius nicht gerade aus den Fängen der überforderten Lehrer rettet, verhindert sie im letzten Augenblick, dass ihr manisch-depressiver Vater sein ganzes Geld verspielt oder sich nach der x-ten Einlieferung aus der psychiatrischen Klinik dank begnadeter Schauspielkünste selbst entlässt. Kaum in der Freiheit, auch gegen den Willen der kurz vor dem Burnout stehenden Tochter, begeht er einen Selbstmordversuch nach dem anderen, nur um in einer manischer Phase Pläne zu schmieden, die seine Umgebung samt der ihm zufliegenden Zufallsaffären auf den Kopf stellen.
Mimis divenhafte Mutter schwankt zur Abwechslung zwischen Hypochondrie und übersteigertem Aufmerksamkeitsbedürfnis, während ihr Ex-Freund, ein gescheiterter Rocksänger mit einer Vorliebe für Keith Richards’ Ruinen-Outfit, im Suff versinkt und seine Miterziehungspflichten glamourös vernachlässigt.
Damit ist der Katastrophen-Reigen aber immer noch nicht zu Ende. Die ältere Schwester, eine ihre Erotik offensiv ausspielende Friseuse, versteckt hinter der abgeklärten Schale mütterliche Gefühle für Mimi und beauftragt ausgerechnet ihren sexsüchtigen Lover, der Jüngeren die Illusion einer Romanze vorzuspielen.
Woody Allen meets Pedro Almodóvar? Leider kommt auch Dani Levy mit ins Spiel, mit einem massenkompatiblen Rettungsversuch. Mimis Sohn schickt eine ihrer CDs, die im Indie-Folk-Fach anzusiedeln wäre, heimlich an die Schweizer Talentshow „Second Chance“. Dass die Sippe sogleich ein Terrain für ihre speziellen Auftritte wittert, passt noch ins dramaturgische Konzept. Dass aber Mimis Figur nichts dabei findet, vor Arabella Kiesbauer, Sabrina Setlur und Thomas Anders ihre Privatsphäre auszubreiten und auf möglichst viele Mainstream-Clicks hofft, nimmt sich wie ein Verrat an der bisherigen Identität aus. Zum Glück absolviert Katharina Schüttler ihren Auftritt mit Charme und Routine, nachdem sie das Erdbeben eines kollektiven Roadtrips nach Zürich überlebt hat.
Am Ende haben sich natürlich alle trotz aufgestauter Vorwürfe und nie verarbeiteter Verletzungen wieder lieb.
Was übrigbleibt von diesem schablonenhaften Psycho-Zirkus, ist ein höllisch gutes Defilee der in ihren Rollen aufgehenden Schauspieler wie Peter Simonischek, Hannelore Elsner, Christiane Paul, Martin Feifel und allen voran die wunderbare Katharina Schüttler. Sie geizen nicht mit Emotionen und gewinnen aus der Reibung mit den anderen einen ganz eigenen Klang. Diesen Unglückssound, ohne den es keine Schrecksekunde der Heilung gäbe, lässt man sich gerne gefallen.