Drei Menschen schauen abwechselnd in die Kamera und antworten in langen, starren Einstellungen einer unsichtbaren Person. Ist dies ein normales Gespräch? Oder eine Beichte? Vielleicht sogar ein Verhör? Als Zuschauer muss man von letzterem ausgehen, zumal die Frau und die beiden Männer über ihr Verhalten und den Fortgang des Geschehens Auskunft geben. Noch ist nicht klar, wie die Gespräche in Zusammenhang mit der Handlung stehen und wann sie stattfanden. Nach der noch zu erzählenden Geschichte? Währenddessen? Und wer hat sie aufgenommen? Durch das Ruckeln der Bilder und kleinere Schäden entsteht die Illusion, dass es sich um auf Zelluloid festgehaltenes Archivmaterial handelt, was den dokumentarisch anmutenden Charakter der Szenen zusätzlich verstärkt. Von nun an werden die Verhöre die Handlung immer wieder unterbrechen, auf Russisch, Deutsch und Französisch; die Verhörten entpuppen sich als die drei Hauptfiguren des Films.
Frankreich während des Zweiten Weltkriegs. Die adlige Exilrussin Olga, Mode-Redakteurin bei Vogue, arbeitet für die Resistance. In ihrer Wohnung hat sie zwei jüdische Kinder vor den Nazis versteckt. Doch nach einer Razzia wird Olga verhaftet. Für ihren Fall ist der biedere Polizist und Familienvater Jules zuständig, ein französischer Kollaborateur, der im Auftrag der Nazis Juden verhört und sie nach Gutdünken abtransportieren lässt. Schließlich tut er nur seine Pflicht. Olga gefällt ihm; sie ist bereit, für eine mildere Strafe alles zu tun.
Doch plötzlich ist Jules tot, erschossen von Widerstandskämpfern. Von einem Moment auf den anderen hat Olga keinen Fürsprecher mehr und landet umgehend im Konzentrationslager. Hier trifft sie einen Bekannten: den SS-Offizier Helmut, der in dem KZ nach dem Rechten sehen soll. Nun springt der Film zurück in die Zeit vor dem Krieg, als Helmut sich in der Toskana in einer hochherrschaftlichen Villa am Meer unglücklich in Olga verliebte. Kann er, in der Hölle des Lagers, die Beziehung wieder aufnehmen?
Die Erinnerung an einen schönen Sommer in Friedenszeiten steht im eigentümlichen Kontrast zur eigentlichen Handlung. Bis dahin hatte sich der russische Regisseur Andrei Konchalovsky mit einem Leinwandformat von 4:3 und strengem Schwarz-weiß große Beschränkungen auferlegt, die den Folgen eines grausamen Krieges und vor allem der Klaustrophobie im überfüllten Todeslager nachempfunden sind. Doch plötzlich scheint sich das Bild zu öffnen; die Kompositionen vom Kameramann Alexander Simonov werden noch ausgefeilter, das Chiaroscuro noch kontrastreicher. Eine Idylle, die nur Erinnerung ist und nicht mehr wiederkommt.
Das Drehbuch von Konchalovsky, das in Zusammenarbeit mit Elena Kiseleva entstand, verbindet geschickt die unterschiedlichen Zeitebenen und lässt die Verhöre mit Jules, Olga und Helmut organisch in den Film einfließen. Durch die Gespräche schaut der Zuschauer mit Distanz auf die Charaktere, ihre Gefühle und ihr Milieu, wird dann aber umso heftiger von ihrer schicksalhaften Verflochtenheit berührt.
Die Hauptlast des Films tragen die Schauspieler. Christian Clauß als realitätsferner, idealistischer Nazi, der Hitler glühend verehrt und alles dazu beitragen will, dessen Vision vom „deutschen Paradies“ zu verwirklichen. Julia Vysotskaya ist perfekt in ihrer Mischung aus Pragmatismus, stiller Verzweiflung und selbstlosem Opfer. Ein überragender, anrührender Film über Leben und Tod, Liebe und Verlust, gewagt konzipiert und technisch brillant inszeniert.