Musik spielt für die kulturelle Identität von Mali eine enorme Rolle: In ihr liegen die Wurzeln von Blues und Jazz begründet. Seit einigen Jahren wird die äußerst lebendige Musikkultur des afrikanischen Landes von radikalen Islamisten bedroht, die das Hören und Spielen von Musik im Namen der Scharia verbieten und jeden Regelverstoß hart bestrafen. Der Dokumentarfilm stellt vier Musiker vor, die in ihren Liedern gegen den islamistischen Terror und für Freiheit und Toleranz singen. Darüber hinaus eröffnet er Einblicke in die politisch-soziokulturellen Hintergründe des Landes, wenngleich die Musik und ihre Interpreten im Vordergrund stehen. (O.m.d.U.)
- Ab 14.
Mali Blues
Musikdokumentation | Deutschland 2016 | 99 Minuten
Regie: Lutz Gregor
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2016
- Produktionsfirma
- Gebrüder Beetz Filmprod./ZDF
- Regie
- Lutz Gregor
- Buch
- Lutz Gregor
- Kamera
- Axel Schneppat
- Schnitt
- Markus Schmidt · Michelle Barbin
- Länge
- 99 Minuten
- Kinostart
- 29.09.2016
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Musikdokumentation
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Doku über vier MusikerInnen, die sich gegen den islamistischen Terror im Norden von Mali zur Wehr setzen
Diskussion
„Ich bin gegangen, um meine eigene Geschichte zu schreiben. Mit meinem eigenen Stift“, sagt die Musikerin Fatoumata Diawara. Sie hat ihrer Familie und ihrer Tradition den Rücken gekehrt, als sie ins heiratsfähige Alter kam. Erst vor kurzem ist sie nach Mali zurückgezogen. In der Hauptstadt Bamako hat sie ein Haus gekauft, wo sie mit ihrem kleinen Sohn lebt. Ihre Lieder, die meist einen appellativen Charakter haben, handeln von Beschneidung, von Männern, die Frauen schlecht behandeln, und von der Schwierigkeit, in Armut alleine ein Kind aufzuziehen. Als sie am Ende des Films beim „Festival sur le Niger“ in Ségou ihr erstes Konzert in Mali gibt, wird sie vor allem von Frauen und jungen Mädchen euphorisch gefeiert.
Viele der Musikerinnen und Musiker, die auf dem Festival in Ségou, einer verschlafenen Stadt nordöstlich von Bamako auftreten, sind Exilanten. Das wichtigste Festival Malis, das „Festival au Désert“, fand bis 2012 in Timbuktu statt. Während der zehnmonatigen Herrschaft militanter Islamisten im Norden des Landes wurden dann aber weltliche Musik und Tanz verboten, die Instrumente zerstört, Musiker körperlich bedroht und verfolgt. Alles im Namen der Scharia. Seitdem lebt der Tuareg Ahmend Ag Kaedi in Bamako im Exil – wie so viele andere Musiker, die sich auch nach dem Sieg über die Dschihadisten in Städten wie Timbuktu und Gao im Norden nicht sicher fühlen.
Fatoumata Diawara und Ahmend Ag Kaedi gehören neben Bassekou Kouyaté und Master Soumy zu den Protagonisten von „Mali Blues“. Was die Musiker, allesamt Stars des Global Pop, bei allen Unterschieden in den musikalischen Genres, der Sprache oder ihrer ethnischen wie kulturellen Herkunft verbindet, ist die grundsätzliche Ausrichtung ihrer Lieder: Sie singen gegen den islamistischen Terror und für Freiheit und Toleranz. Der Glaube, mit Musik essentielle Veränderungen bewegen zu können, hat nicht zuletzt mit dem bedeutenden Einfluss der malischen Musik zu tun. In ihr liegen die Wurzeln des Blues und des Jazz, den die westafrikanischen Sklaven auf die Baumwollfelder Nordamerikas mitbrachten.
Die Idee für einen gemeinsamen Auftritt der Musiker, bei dem jeder in seiner eigenen Sprache singen soll, versteht sich als politisches Statement der Einheit in einem Land, dessen ethnische Vielfalt (es werden ungefähr 300 Ethnien gezählt) immer wieder Ursache schwerer Konflikte ist – „das wäre die Revanche der Musik“, so Ahmed Ag Kaedi. „Mali Blues“ ist dabei aber vor allem ein Musikfilm oder genauer: ein Musikkulturenfilm, auch wenn seine Stimmung von den politischen Umbrüchen im Zuge islamistischer Machtausbreitung geprägt ist (wobei er die anfängliche Kooperation der separatistischen Tuareg-Bewegung MNLA mit den islamistischen Milizen ausspart). Regisseur Lutz Gregor gibt den Protagonisten viel Zeit und Raum, ihre Musik und ihre musikalischen Traditionen vorzustellen; oft werden die Lieder mit langen Fahrten durch die Stadt oder am Flussufer entlang begleitet.
Bassekou Kouyaté, der die Wurzeln seiner Musikerfamilie bis zu den Leibmusikern des Königs zurückverfolgen kann, steht für die Wahrung der Griot-Tradition, des musikalischen Erzählens von Geschichten, in denen sich Unterhaltung, kulturelle Überlieferung und Belehrung verbinden. Master Soumy setzt sich mit seinen Rap-Songs vom Griot und dessen Lobliedern ab. Der selbsternannte „Advokat der Straße“ sieht sich eher in der Tradition der Protestsongs – „Erklär deinen Islam“, heißt eines seiner Stücke, das die Repressionen durch die Dschihadisten im Sprechgesang anprangert. Doch auch dem als „Wächter der Tradition“ auftretenden Kouyaté geht es darum, eine „eigene Geschichte zu schreiben“. So spielt er das Ngoni, ein bootsförmiges Lauteninstrument, aus dem sich das Banjo entwickelt hat, mit einem Verstärker – sein Vater, so erklärt er, hätte das nie im Leben getan.
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