Sie rasiert sich die Beine, schminkt und frisiert sich; prüfend geht der Blick in den Spiegel. Was soll da an einem sonnigen Sonntag anderes folgen als ein Date, fragen sich die Eltern von Michelle. Doch die wehrt ab: Das sei nichts anderes als ein „Termin“ mit einem Kollegen aus der Kanzlei.
Mit „My First Lady“ hat Richard Tanne das erste Date von Michelle und Barack Obama verfilmt. Dieses Szenario lässt verschiedene Parallelfilme ablaufen: Wie sähe ein Film über die potenziell nächsten Präsidentenpaare aus? Etwa über Donald und Melania Trump? Aber auch bei Hillary und Bill Clinton ist eine romantische Rückschau schwer vorstellbar, was auch daran liegt, dass manches von dem, was folgte, sattsam bekannt ist. Bei deutschen Politikern bräuchte es vermutlich einige Jahrzehnte Abstand, um Vergleichbares auf die Leinwand zu bringen. Ein solcher Film würde wohl auch kaum mit einer Beinrasur beginnen; der amerikanische Personenkult ist ein anderer.
Mit einem klapprigen Auto holt Obama seine Kollegin ab; durch den durchgerosteten Boden ist die Straße zu sehen. Für ihn ist es von Anfang an ein Date. Es gibt einige harte Verhandlungen zum Thema. Der Hintergrund wird schnell klar: Michelles Position in der Firma hat sie sich als Frau mit schwarzer Hautfarbe erkämpft; sie muss sich doppelt und dreifach an alle denkbaren Etiketten halten. Bald lenkt er ein, ihre Verabredung nicht „Date“ zu nennen – und dann ist fast alles möglich.
Das erste Date – vielleicht ist es in Deutschland doch eher ein Kennenlernen, die amerikanische Date-Kultur gibt es hier so ausgeprägt ja nicht – hat meist mythische Bedeutung für die Beziehung, von der gerne erzählt wird. Auch die Obamas haben von diesem ersten Date viel berichtet, vor allem im Wahlkampf. Es war einmal, 1989 in Chicago, die einzelnen Stationen sind verbürgt: Michelle Robinson und Barack Obama besuchten an diesem Sommertag eine Ausstellung, picknickten, besuchten die Baskin-Robbins Eisdiele und kaufen Schokoladeneis, ihre Lieblingssorte. Schließlich haben sie sich im Kino Spike Lees „Do The Right Thing“ angesehen. Die Gemeindeversammlung allerdings, der „Termin“, bei dem Obama mit einer flammenden Rede die Menschen zu begeistern weiß, fand in Wirklichkeit erst später statt.
Mit Tika Sumpter als Michelle und Parker Sawyers als Barack ist der Film sehr gut besetzt, beide liefern mehr als beeindruckendes Mimikry ab – die Ähnlichkeit Sawyers mit Barack Obama ist fast schon gespenstisch. Es gelingt beiden Schauspielern, eine Liebesgeschichte zu erzählen, weil die Chemie stimmt.
Richard Linklaters „Before Sunrise“
(fd 31 270) hat hier Pate gestanden, und auch seine dann folgenden „Echtzeit“-Filme. Es wird viel geredet, die wohlkomponierten Dialoge und gelegentlichen Rededuelle tragen den Film. Zudem ist „My First Lady“ sehr detailverliebt und unaufdringlich in den späten 1980er-Jahren verortet, durch die Musik und „Do The Right Thing“, aber auch durch einzelne Möbel- und Kleidungsstücke. In den Dialogen geht es viel um Engagement, Politik, Visionen, Zukunft – hier werden auch Positionen abgeglichen. Barack Obamas spätere Realpolitik, die Abkehr von diversen Versprechen, wird damit präventiv entschuldigt. „My First Lady“ ist kein kritischer Film, sondern eine romantische Hommage, ein Denkmal zu Leb- und Amtszeiten.