Die 34-jährige Regisseurin Mia Maariel Meyer hat ihr naturalistisches Sozialdrama „Treppe aufwärts“ über generationsübergreifende Spielsucht nach jahrelanger Recherche via Crowdfunding selbst finanziert. Dass kein Filmförderer aufgesprungen ist, ist eigentlich unverständlich, wenn man bedenkt, wie hoch die Zahlen der Betroffenen quer durch alle Schichten in Deutschland sind. Vielleicht war die gnadenlos düstere Perspektive auf das untere Spielermilieu der Grund für das fehlende Interesse der öffentlichen Geldgeber. Den Plattenbau-Look, den sich Meyer leistet, hätte selbst der frühere Andreas Dresen nicht gewagt. Die Hauptstadt ist in diesem Familiendelirium eine Kloake aus schattigen Tönen, fremden Sprachen und nervös machenden Geräuschen, der Zugang zu den verhängnisvollen Unglücksorten enttäuschter Hoffnungen an jeder Ecke möglich.
Hanno Koffler, inzwischen die erste Wahl für zerrissene Männer am Rande des Abgrunds, spielt den Sohn eines dementen Spielsüchtigen, der trotz seiner Erkrankung immer noch den Weg in die Spielhalle findet. Um die immensen Schulden des Vaters zu begleichen, hat sich der Filius genauer mit den Algorithmen und Codes hinter den Automaten beschäftigt. Als Berliner Taxifahrer verdient er nicht genug, um die Außenstände abzutragen. Das Betrügen betrachtet er als Notwehr. Zu allem Überfluss taucht auch noch sein eigener 16-jähriger Sohn auf, der bei Zockern Schulden eintreibt. Alte Spannungen brechen auf, überzogene Erwartungen wechseln sich mit Schuldzuweisungen ab, bis selbst Handgreiflichkeiten aus der Sackgasse der dysfunktionalen Bindungen nicht heraushelfen. Dafür ist bereits zu viel Porzellan zerschlagen, auch wenn die Sehnsucht nach einem anderen Leben, in dem das Spielen nicht den Horizont einengt und so etwas wie Verantwortung für die Jüngeren existiert, immer wieder in den letzten Überlebensreflexen durchschimmert.
Die an Stimmungen und atmosphärischen Momenten reiche lakonische Studie der Sucht und ihres Einflusses auf das Umfeld vermag dabei einen erstaunlichen Sog zu erzeugen. Die mutige Tour de Force will ihre determinierten Figuren nicht einer konventionellen Dramaturgie opfern und berührt genau deshalb in all ihrer Ausweglosigkeit. Die Aufklärung kommt trotzdem nicht zu kurz. Abschreckende Beispiele der emotionalen Verwahrlosung gibt es unter den verbohrt den Tiefpunkt ansteuernden Männern schließlich reichlich.